FAC-Coach Johann Kleer: ‚Die Regionalligen sind attraktiver als die zweite Liga'

Der Floridsdorfer AC ist einer von zwei Verfolgern der Austria Amateure in der Regionalliga Ost. Hans Kleer war früher schon bei Austria Lustenau oder dem Wiener SK unter Vertrag, kennt Profi- und Amateurfußball. Im Interview mit 90minuten.at spricht er ü

Hans_Kleer_steiny_wikimediaDer Floridsdorfer AC ist einer von zwei Verfolgern der Austria Amateure in der Regionalliga Ost. Hans Kleer war früher schon bei Austria Lustenau oder dem Wiener SK unter Vertrag, kennt Profi- und Amateurfußball. Im Interview mit 90minuten.at spricht er über die Gründe für den gegenwärtigen Erfolg, die Unterschiede und Schwierigkeiten im Übergang von der dritten zur zweiten Liga und die wirtschaftlichen Gefahren eines Aufstiegs. Der Titelkampf in der Regionalliga ist vor allem für einen Trainer kompliziert: „Fußball ist sehr komplex – und um das optimal in vier Einheiten unterzubringen, sind Abstriche notwendig."

Das Gespräch führte Georg Sander


90minuten.at: Was sind die Gründe dafür, dass der FAC so weit oben steht?

Johann Kleer: Mein Trainerteam und ich arbeiten gut. Im Winter standen wir vor einer schwierigen Situation, übernahmen den Verein am vorletzten Tabellenplatz. Wir haben ein ganz schwieriges, aber durch den Nicht-Abstieg erfolgreiches, Frühjahr hinter uns gebracht. Nominell starke Spieler mussten abgegeben werden, Arvedin Terzic, Cem Tosun (beide FC Lustenau) oder Oliver Mohr (Rapid II) - und wir haben uns vor allem mit Offensivspielern gut verstärkt.

 


'Die Meister im Osten waren nicht immer stärker als im Westen. Dort gibt es zwei, drei Teams, die echt gut sind, im Osten gibt es mehr Breite.'


Muss oder kann in der Regionalliga der Kader anders als in der Profiliga zusammengestellt werden?

Hat man eine qualitativ gute Mannschaft, die das Spiel machen kann, dann muss das Spiel auch so ausgerichtet werden. Die Anforderungen an die Spieler sind anders, als wenn ich gegen den Abstieg spiele. Das ist in der Bundesliga genauso. Es gibt Spiele, in denen man defensiver ausgerichtet ist und leichter kontern kann, zum Beispiel wenn man gegen den Abstieg spielt. Ich bin schon im Sommer davon ausgegangen, dass wir vorne mitspielen können und da haben wir Akzente gesetzt. Ob es klappt, ist immer eine andere Geschichte, der Anfang in den ersten fünf Runden war auch holprig.


Gibt es ein Ost-West-Gefälle?

Die Meister im Osten waren nicht immer stärker als im Westen. Dort gibt es zwei, drei Teams, die echt gut sind, im Osten gibt es mehr Breite.


Wie nahe ist die Regionalliga derzeit an der Heute für Morgen-Ersten Liga dran?

Der Sprung wird immer größer. Die Anzahl der Trainingseinheiten trennt die Ligen schon, da kann man im Amateurbereich nicht mithalten. Man kann in vier Einheiten in der Woche nicht das machen, was die Profis in sieben oder acht machen. Darum sind bei uns auch die Amateurmannschaften so weit vorne. Bei zwei Einheiten am Tag kann ich splitten, Teilbereiche intensiver machen. Das kann man als normaler Amateurtrainer weder in der Landes- noch in der Regionalliga.


Sind die Amateurteams notwendig?

Für den Betrieb der Liga nicht. Aber sie sind ein wichtiger Bestandteil für die Bundesligamannschaften. Das ist ganz klar. Die Regelung derzeit ist unglücklich, weil keiner zufrieden ist. Die Zweitteams fühlen sich wie schwarze Schafe, die Amateurmannschaften sind angefressen, wenn Bundesligaprofis kommen. Die Bundesligateams brauchen ihre Amateure aber, ich verstehe aber nicht, warum sie nicht höher spielen dürfen. Austria und Rapid wären, so glaube ich, froh, wenn sie aufsteigen dürften. Für die Spieler wäre es wichtig, eine Plattform in der zweiten Liga zu haben. Man sieht ja immer wieder, dass die Besten den Sprung in die Bundesliga über den Umweg Innsbruck oder Lustenau schaffen. Rapid hat in den letzten Jahren viele Spieler ausgeliehen und wieder zurückgeholt. Man braucht diese Mannschaften eben.

 


'Wenn aber in der sechsten Liga mehr verdient werden kann als in der zweiten Bundesliga, dann kann irgendwas im System nicht stimmen.'


In der Regionalliga Mitte sind einige Teams, die auf Profis setzen: Pasching oder Austria Klagenfurt zum Beispiel.

Das ist auch kein Problem. Ich glaube aber, dass die dritte Liga in Österreich keine Profiliga sein kann. GAK, Konkurs. Klagenfurt ist auch knapp vor dem Konkurs. Wir sind finanziell nicht in der Lage, die Amateurmannschaften sind eine Ausnahme. Es hat halt politische Gründe, dass sie nicht weiter oben spielen dürfen. Ich sehe die dritte Liga als Amateurliga. Die jungen Spieler können den Sprung rauf schaffen.


Ist Profifußball in der dritten Liga deshalb nicht möglich, weil es drei Regionalligen zu je 16 Teams gibt?

Das ist eine wirtschaftliche Frage, es gehen eben ja auch Vereine in Konkurs. Aber ich halte die Regionalligen für attraktiver als die zweite Liga. Wenn die Vienna gegen den FC Lustenau oder SV Grödig spielt, interessiert das in Wien wohl keinen – so leid mir das tut! Wenn die Vienna gegen uns oder den Sportklub oder Simmering spielt, ist das Spiel interessanter. An dem Aufbau liegt es nicht. Heutzutage können sich die Vereine keinen professionellen Fußball in der dritten Leistungsstufe leisten. Es gibt zu wenig Zuschauer, die Wirtschaft ist zu schwach. Dazu kommt noch, dass der Fußball in diesen Ligen und darunter überbezahlt ist. Über kurz oder lang muss das korrigiert werden.

 


'Wir können eben nur 20 Vereine mit Professionalität ausstatten. Da bräuchte man Systeme wie in den USA, wo es fixe Vereine gibt und diese längerfristig planen können. Wenn man das gut durchdenkt, wäre es wohl effizienter als das System, das wir jetzt haben.'


Dabei werden die Regionalligisten doch von Sozialversicherung und Finanzamt geprüft?

Man versucht, es über diese Schiene zu machen. Es ist aber eine freie Marktwirtschaft und jeder darf zahlen, was er will. Wenn aber in der sechsten Liga mehr verdient werden kann als in der zweiten Bundesliga, dann kann irgendwas im System nicht stimmen. So wird die sportliche Bedeutung dieser Ligen in Frage gestellt, wenn die besseren Spieler weiter unten spielen, weil es dort besser gezahlt wird.


Sie deuten ein Problem auf Funktionärsebene an?

Da müsste man irgendwelche Barrieren einführen. Wir können eben nur 20 Vereine mit Professionalität ausstatten. Da bräuchte man Systeme wie in den USA, wo es fixe Vereine gibt und diese längerfristig planen können. Wenn man das gut durchdenkt, wäre es wohl effizienter als das System, das wir jetzt haben. Es gab viele Vereine, die in die zweite Liga aufgestiegen sind und innerhalb von drei Jahren im Konkurs endeten. Die Vereine übernehmen sich. Das passiert auch weiter unten, etwa von der Landesliga in die Regionalliga. Es gibt nicht nur Klubs wie Gratkorn oder Bad Aussee. Das zieht sich weiter nach unten. Da werden Teams zwei, drei Ligen runter durchgereicht. Das muss alles in einem gewissen Rahmen gehalten werden.

 


'Deutschland scheint das einzige Land mit wirtschaftlicher Stabilität sein. Für mich als realistischen Mensch sind gewisse Summen bei Gehältern und Ablösen nicht nachvollziehbar.'


Aber eine Aufwandsentschädigung muss es dennoch geben, vor allem in flächenmäßig größeren Bundesländern?

Man soll Zahlungen nicht ganz ausschließen, aber die Höhe ist nicht realistisch. Das gilt aber auch für die europäischen Klubbewerbe. In den nächsten Jahren werden auch dort die Vereine der Reihe nach purzeln. Systeme werden nur noch hoch gehalten. Deutschland scheint das einzige Land mit wirtschaftlicher Stabilität sein. Für mich als realistischen Mensch sind gewisse Summen bei Gehältern und Ablösen nicht nachvollziehbar.


Kommen wir zu Ihnen persönlich und zum Trainerjob: Ein erfolgreicher Trainer ist immer interessant. Sie waren ja zumeist erfolgreich. Wollen Sie als Trainer wieder weiter oben arbeiten?

Als Trainer hat man wie als Spieler Ziele im Auge. Es würde mich schon reizen, wieder als Profitrainer zu arbeiten. Es ist etwas Feines, wenn man sich zwölf Stunden am Tag mit Fußball beschäftigt. Derzeit habe ich einen Job und bin nebenbei Fußballtrainer. Das ist mehr als aufwendig in der Regionalliga. Es ist zwar ein Ziel, aber es muss alles passen. Ich muss oder will nicht mehr unbedingt umziehen, ich bin in Wien glücklich. Ich bin aber nicht abgeneigt, muss aber nichts erzwingen. Der FAC ist ein sehr guter Verein, wo die Infrastruktur passt und man längerfristig etwas aufbauen kann.


Wie legen Sie die Arbeit mit den Amateuren in den Trainingseinheiten an?

Die Intensität ist anders als im Profibereich. Manche Dinge kann man nicht isoliert trainieren. Ich kann nicht am Vormittag Ausdauer machen oder einmal in der Woche in die Kraftkammer gehen. Das müssen die Spieler selber tun. Die, die vormittags Zeit haben, bekommen ein Programm. Ansonsten versuchen wir, alles zu integrieren. Aus eigener Erfahrung ist die Trainingsgestaltung in dieser Liga schwieriger.


Im Endeffekt ist die Herausforderung an der Schnittstelle zum Profifußball sogar noch größer?

In der Planung ist das so, aber es ist machbar. Im Profibereich sind andere Faktoren da, man ist mehr gefordert, es gibt mehr Stress, mehr Druck. Aber den Druck macht man sich immer selber. Fußball ist sehr komplex – und um das optimal in vier Einheiten unterzubringen, sind Abstriche notwendig. Stabilisationstraining danach ist schwer, die Spieler gehen ja arbeiten, sind nicht so ausgeruht, das muss ich im Profibereich nicht berücksichtigen, es sind andere Ausgangspositionen. Von dem her ist es in der Regionalliga schwieriger, das Ganze optimal zu planen.


Die Spiele finden zumeist gleichzeitig statt, TV-Aufnahmen gibt es so gut wie keine. Wie wichtig ist der Faktor Spielbeobachtung beziehungsweise die eigene Stärke?

Es gibt natürlich Spielbeobachtungen, man kann auf den Gegner eingehen. Es gibt schon Gegner, die man noch nie gesehen hat. Da muss man sich umhören, ist auf Erzählungen und Informationen von anderen Trainern angewiesen. Es ist aber schon richtig - und von mir auch generell die Philosophie -, dass ich auf die Stärken meiner Mannschaft vertraue. Ich würde nie ein Spiel auf den Schwächen des Gegners aufbauen und meine Stärken vernachlässigen. Ich will, dass meine Mannschaft dominant ist. Da ist die Liga egal.

 

 


Zum Abschluss: Ein Trainer, der dominant spielen lassen will, hat sicherlich auch eine Vorstellung vom perfekten Tor, oder?

Für mich ist ein Tor dann perfekt, wenn es nach einem erarbeiteten Spielzug fällt, einem, den wir uns erarbeitet haben. Wenn das erfolgreich umgesetzt wird, ist das für den Trainer das Schönste.


Wir danken für das Gespräch!

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