Boris Prokopic: ‚Das ist ein ganz anderes Rapid als vor einem Jahr'
Kreuzbandriss, auslaufender Vertrag – im April stand die Karriere des in der Slowakei geborenen Rapid-Offensivmannes Boris Prokopic am Scheideweg. Im Gespräch mit 90minuten.at erzählt er, wie er die Zeit der Verletzung erlebt hat, dass er ab dem Winter wi
90minuten.at: 15. April 2012 – Seiten- und Kreuzband reißen, der Vertrag ist am Auslaufen. Beschreiben Sie Ihre Gefühlswelt, als Sie bemerkten, was da los war?
Boris Prokopic: Dass so etwas unangenehm ist, kann sich jeder vorstellen. Am Anfang macht man sich aber nach so einer Verletzung nicht so viele Gedanken über die Zukunft, aber nach einigen Tagen kommt die Frage auf, wie es weiter geht. Ich habe eine schwere Verletzung und die Zukunft ist eben ungewiss. Ich hatte aber gleich nach der Verletzung ein Gespräch mit dem Trainerteam und man hat mir versichert, dass ich einen neuen Vertrag erhalten werde. Es gab schon vor der Verletzung Gespräche mit Peter Schöttel. Ich bin glücklich, dass ich mich so auf die Reha konzentrieren konnte.
Wie „normal" denken Sie ist es, dass ein Verein einen Spieler, der – im Normalfall sechs Monate – ausfällt, dennoch verlängert? Gab es andere Optionen?
Normal ist das nicht. Wenn das in einem Land Südeuropas, wo es anders als in Österreich zugeht, passiert, wäre das anders. Aber in Österreich gibt es Solidarität, deswegen bin ich froh, dass es mir hier passiert ist. In meinem Mutterland Slowakei wäre das nicht so einfach gegangen.
Haben Sie auch mit einem Karriereende spekuliert? Immerhin wären Sie mit 24 ohne Vertrag und mit einem kaputten Knie dagestanden.
Der erste Gedanke war: Ich will weiter machen, ich will weiter Fußball spielen. Das hatte ich vor und das will ich weiter verfolgen. Diese Überlegungen gab es eher selten. Man weiß zwar, dass die Karriere nicht sehr lange dauert und man sollte ein gewisses Standbein dazu haben, nicht nur Fußball spielen und an Fußball denken. Aber mir war wichtig, dass die Karriere weiter geht.
Sie sind mit dem FC Wacker aufgestiegen. Welchen Einfluss hatte Walter Kogler generell auf Sie?
Diese Zeit bei Wacker hat mich sehr geprägt und es waren die schönsten Jahre bis jetzt. Wir sind aufgestiegen, dann haben wir ein super Halbjahr gespielt, eine tolle Anfangsperiode gehabt, in der alles aufgegangen ist. Das bleibt immer in meiner Erinnerung. Ich wünsche Walter Kogler nur das Beste. Er war gut für meine Entwicklung. Ich bin froh, dass ich dort war.
Kommen wir zur Gegenwart: Wie zufrieden waren Sie zunächst einmal mit der Leistung vor der Verletzung, wo hat Peter Schöttel noch Kritikpunkte gehabt?
Das ganze Jahr war ein bisserl durchwachsen und ich habe in der Hinrunde einen Riesenfehler gemacht, der mir erst später bewusst wurde (Anm.: Platzverweis beim Wiener Derby am 21. August). Das erkennt man erst Monate danach. Ich habe mir dann vorgenommen, zu Weihnachten neu zu starten und zu zeigen, was ich drauf habe. Immer, wenn ich die Chance bekommen habe, habe ich Gas gegeben. Leider ist dann die Verletzung dazu gekommen.
Wie sehen Sie generell Peter Schöttel als Trainer? Anscheinend tut sich Rapid viel leichter, wenn das Spiel nicht gemacht werden muss, das war bei ihm auch in Wiener Neustadt der Fall. Sie kennen das Kicken aus der Ersten Liga auch aus der Sicht des Favoriten ...
Peter Schöttel ist vor zwei Jahren gekommen und hat seine Geschichte. Er hat einen Weg, den er gehen will und es sind seine Entscheidungen, die er trifft. Das muss man als Spieler akzeptieren. Aber man sieht, dass es in die richtige Richtung geht und wenn man sich die Spiele heute anschaut und jene von vor einem Jahr, dann ist das ein ganz anderes Rapid. Deswegen finde ich ihn gut und für meine Begriffe liegt mir das Spielsystem sehr. Wir spielen feinen Fußball.
Wie sehr fiebern Sie in Spielen wie gegen Trondheim oder Neustadt mit, wenn es nicht rund läuft. Was wären da die Ideen, möchte man wie auf der Playstation den Controller in die Hand nehmen oder denkt man: Hey, in der Situation wüsste ich es nicht unbedingt besser?
Es ist für jeden Offensivspieler schwer, wenn jemand Beton anrührt. Da ist es schwer, sich durchzusetzen. Aber jedem ist es lieber, wenn er selbst den Ball hat und diesem nicht immer nachrennen muss. Unsere Spielanlage finde ich besser als Catenaccio. Natürlich muss man aber auch schauen, gegen wen man spielt. Gegen Charkiv kann man nicht sehr offensiv spielen. Manche Gegner haben eben Respekt vor uns und stellen sich hinten rein. Da willst du immer den Ball haben, auch wenn nicht so viel gelingt – du probierst es immer wieder, auch wenn du nur hin und her spielst und die Zuschauer ungeduldig werden. Das ist immer besser, als den Ball nicht zu haben.
Reden Sie auch mit Ihren Mitspielern, wenn Ihnen von der Tribüne aus etwas auffällt?
Es íst immer anders, wenn du auf der Tribüne sitzt. Ich weiß, dass, wenn man auf dem Spielfeld steht, Entscheidungen in Millisekunden getroffen werden müssen. Manchmal ist es das Richtige, manchmal eben nicht. Das gehört dazu. Wenn alle schreien „Schieß, schieß!", dann überlegst du dir das schon (lacht). Aber du siehst manche Situationen von außen besser. Das bespricht man schon, auch mit dem Trainer. Das ist sehr professionell und eine gute Sache.
Ab dem Winter geht's dann wieder zur ersten Mannschaft: Was nehmen Sie sich für die Rückrunde vor?
Die Tore und jeder Assist sind wichtig für jeden Offensivspieler. Aber ich will mich nicht unter Druck setzen und sagen: „Ich mache so und so viele Spiele, also so und so viele Tore." Für mich ist wichtig, zu spielen und gute Leistungen zu bringen. Die Tore, das sagt man ja so schön klischeehaft, kommen dann von alleine.
Und wie viele sollten es im Laufe einer Saison sein, damit Sie zufrieden sind?
Da ich nicht so der Goalgetter bin, sage ich, sieben oder acht Tore und mehr Assists als Tore wären sehr gut. Ich muss ja als Mittelfeldspieler Tore vorbereiten, vielleicht zehn, zwölf. Das wäre eine gute Saison.
Dann kann Napoli anklopfen!
(lacht) Statt Marek Hamsik!
Ist Rapid Wien in dieser Saison reif für den Titel, können die Bullen oder die Austria aufgehalten werden? Wenn ja, wie?
Ich glaube, dass in unserem Team mit einem Altersschnitt von 24,2 Jahren viel Potential schlummert. In den nächsten Jahren werden die jungen Spieler noch stärker und man kann guter Dinge sein.
Wo wollen Sie am Karriereende gespielt haben, was trauen Sie sich zu?
Mein Traum aus der Kindheit ist es, in der spanischen Liga zu spielen. Aber der Weg dorthin ist schwer. Aber ich bin schon beim besten Verein der Welt und will sehr viele Titel holen. Wenn es mir dazu gelingen würde, im Nationalteam zu spielen, wäre das sehr gut.
Wir danken für das Gespräch!
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