Blumenau: ‚Ried ist nicht wie die Piratenpartei, sondern so ewtas wie die Grünen'
Martin Blumenau schreibt seit Jahren für besseren Fußball. Der fm4-Blogger spricht im Interview über (sinnlose) Postings unter (seinen) Blogs, die neuen Medien, Showtrainer sowie die SV Ried, die so etwas wie die Grünen und nicht die Piraten sind. Das Int
Martin Blumenau schreibt seit Jahren für besseren Fußball. Der fm4-Blogger spricht im Interview über (sinnlose) Postings unter (seinen) Blogs, die neuen Medien, Showtrainer sowie die SV Ried, die so etwas wie die Grünen und nicht die Piraten sind.
Das Interview führte Georg Sander
90minuten.at: Sie waren einer der Ersten, die Finger in die Wunden des österreichischen Fußballs gelegt haben. Was kann man da nach gut zehn Jahren sagen, auch in Betracht vieler anderer Websites, die mittlerweile auch kritisch berichten?
Martin Blumenau: Das ist alles alive and kicking. Und es werden immer mehr. Es gibt eine große Bandbreite an Möglichkeiten, sich umfangreicher als in Mainstreammedien zu informieren und dabei auch zu partizipieren, sei es über Leserkommentare oder anders. Die Einstiegsschwelle selber etwas zu machen ist sehr niedrig. Wenn einer etwas tun will, dann werden die Betreiber sagen „Mach einmal, wir schauen dann weiter" und wenn es dann halbwegs okay ist, dann wird das erscheinen. Das ist wichtig für ein neues Selbstbewusstsein derer, die sich abseits der Massenmedien um den Sport kümmern und ihn liebevoll behandelt sehen wollen.
Was entgegnen Sie Menschen, die Sie als „Berufssuderant" bezeichnen. Dieses oder ähnliche Ausdrücke lesen wir des Öfteren in Foren?
Wenn ich auf seltsames Feedback reagieren würde, dann würde ich nichts von dem machen, was ich tue. Niemand würde das tun. Du bekommst auf alles negatives Feedback, gerade in Zeiten des bewussten Trollens und Kampfpostens. Wenn man darauf reagieren würde, würde niemand mehr von sich aus aktiv werden.
Franz Beckenbauer hat gesagt: „Jeder der will, kann schreiben" und meint, dass man damit leben muss. Leidet darunter nicht die Qualität?
Darum geht's nicht. Ich glaube nicht, dass wenn jemand bei den Foren und Medien, die eine gewisse Reputation haben, zwei Mal hintereinander einen totalen Schwachsinn von sich gibt, er überleben würde. Die Community ist mittlerweile in Aktion und Reaktion so gut, dass sich das ausgleichen würde. Interessante Texte und Gedanken stoßen andere an und das entwickelt sich Richtung Schwarmintelligenz, die in den letzten fünf Jahren sehr hoch geworden ist. Vielleicht war das schon immer so, aber früher gab es diese Öffentlichkeit eben nicht. Dass das passiert, sagt mir, dass es auf einem guten Niveau passiert. Und wenn etwas auf schlechtem Niveau erscheint, wird die Community das zurechtrücken.
Die Massenmedien suggerieren, dass „Taktik" ein Schimpfwort ist. Sie haben oftmals viele taktische Themen – Stichwort „Hofmann-Loch" oder Constantini - kritisiert. Verkopfen die neuen Medien den Fußball dann auf der anderen Seite etwas?
Nein, das glaube ich nicht. Ich habe neulich zufällig eine Lehr-DVD eines deutschen Jugendtrainers zum Thema Herausschieben der Innenverteidiger gesehen und der erklärte das sehr praxisnahe, sodass es jeder der kickt auch verstehen kann. Ich erkläre es so, dass es auch Laien verstehen, die keine Ahnung haben, was die primären Aufgaben eines Innen- und Außenverteidigers sind. Dass Mainstreammedien ein Problem mit diesem „erklärerischen" Zugang der Webmedien haben, ist klar. Das hat aber auch mit deren Wissensstand, Ausbildung etc. zu tun. Bei einem Austria-Spiel bin ich zufällig hinter einem Print-Redakteur gesessen, der seinen Spielbericht immer auf das aktuelle Spielgeschehen hin geändert hat. Von „Wahnsinn, furchtbar schlecht" bis zu „Exzellentes Spiel der Austria" hin. Das hat sich fünf Mal gedreht, ebenso der Bericht. Es war immer nur eine schlechte Beschreibung dessen, was zu sehen war. Damit gibt sich der Mainstream zufrieden. Das ist zu wenig. Mittlerweile ist das in ganz Europa zu wenig und es ist dem Fan, der mit dem Internet aufwächst und internationale Vergleichsmöglichkeiten hat, zu wenig. Diese Generation an Mainstream-Medienmitarbeiter – unabhängig vom Alter – kommt aus der Steinzeit, als es genügte, unreflektiert das zu beschreiben, was passierte.
Und wird jetzt zu viel reininterpretiert?
Das sagen ja die alten Coaches. Die, die 1990 oder 1998 bei den Weltmeisterschaften gespielt haben, kommen eben aus einer prä-digitalen Zeit. Die behaupten genau das. Das wirkt sich auch auf die Spieler aus - die unbedarften, jüngeren Spieler glauben ihnen. Aber es wird besser, viele Spieler der Austria sind zum Beispiel auf Twitter, ich habe Facebook-Freunde bei Red Bull – das entwickelt sich. Aber die letzte, altmodische Trainergeneration, die jetzt das Ruder übernimmt, wirkt sich noch auf die Spieler aus.
Konstantin Wawra, Kapitän von BW Linz, sagte einmal nach dem Spiel, eine taktische Umstellung wäre quasi einfach so während des Spiels passiert. Franco Foda merkte an, man könne zwei, drei Dinge direkt am Spielfeldrand verändern. Oliver Glasner sagte, er müsse als Kapitän sehr wohl viel am Platz entscheiden.
Natürlich müssen die erfahrenen Spieler auf dem Platz umstellen, wenn etwas nicht klappt. Im Spiel selber ist der Einfluss der Coaches wohl gering. Das stimmt schon. Ein Beispiel dafür wie wenig Einfluss manche Trainer nehmen wollen: Jemand hat mir erzählt, dass er einmal bei einem Großklub-Trainer nachgefragt hat, warum er denn kein Mentaltraining machen würde - das Team war in einem Leistungsloch. Die Antwort des Trainers: „So etwas haben wir früher auch nicht gehabt, daher brauchen die es jetzt auch nicht." - die Idiotenantwort schlechthin. Später sagte mein Informant, dass der Coach ihm ein paar Wochen später sarkastisch dafür dankte, dass ihn jetzt seine beim Gespräch anwesende Frau damit nerve, weil sie das auch für keine schlechte Idee halten würde. Die, die nicht ganz dicht dran sind, aber doch ein Gespür haben, denken weiter als jene, die in der alten Denke drinnen sind.
Wieso sind die Scherbs, Weissenböcks und Kolvidssons, die ja als moderne Trainer gelten, nicht in der höchsten Spielklasse?
Dort geht es um den Showtrainer, den man den Medien gut verkaufen kann. Momentan ist das die 98er-Generation, die ihre Seilschaften im Medienbereich haben und als Experten arbeiten. Die haben „ihre" Schreiber. Sie haben eine gewisse Strahlkraft für kleinere Sponsoren und Präsidenten. Da sagen dann wohl manche: „Den kenn i net, nehmts den Toni Polster, den kenn i". Bei Vastic war ja einer der Sponsoren daran beteiligt.
Tut man sich da als unabhängiger Blogger leichter, gewisse Dinge anzusprechen?
Natürlich. „Österreich" schrieb zum Beispiel, dass die Admira seit dem Zeitpunkt gut spiele, seit der Name der Zeitung am Hintern der Spieler stehe. Dadurch ist ja nichts mehr ernst zu nehmen, was dort über die Admira geschrieben wird. Das ist letztlich auch ein Problem für Krone oder Kurier. Die Medien begeben sich in Teufels Küche und eine gegenseitige Abhängigkeit. Das ist absurd. Aktuell ist es wie bei der Piratenpartei. Die Alteingesessenen verstehen das Konzept der Partizipation nicht. Die Mainstream-Medien kapieren das Internet nicht und verstehen nicht, warum da ein paar Leute mitknabbern und am Monopol der Medien sägen. Das Selbstwertgefühl einer ganzen Branche wird in Frage gestellt. Das verunsichert und äußert sich oft in Unverständnis. Manche holen auf, wie zum Beispiel der Kurier.
Ist die SV Ried die Piratenpartei im Bundesligafußball?
Nein, eher die Grünen. Die machen das, was sie tun, schon seit 20 Jahren. Da gibt es ein Präsidium, das sich nicht aufplustert und einmischt - und es gibt eine massive Kontinuität. Die Spieler sind sehr treu, es ist sicher anders als bei Wiener Klubs oder Salzburg. Bis auf den Zellhofer-Aussetzer gab es auch am Trainerposten immer eine Kontinuität. Es waren immer vergleichbare Typen, auch Hochhauser und Kronjäger. Auch die Umstellung von Gludovatz auf Schweitzer funktionierte. Man hätte es kaum gemerkt, dass es da einen Wechsel gab.
Wir danken für das Gespräch!
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