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Klaus Schmidt: "Klubs wie der WAC oder LASK sind Nutznießer der Reform"

Wie bewertet Klaus Schmidt die Ligareform? Wie ist es, als Trainer mit der „Pistole im Genick“ zu arbeiten? Ist das wirklich „part of the game“? Der Admira-Trainer gibt Einblicke in die Trainerarbeit.

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+ + 90minuten.at Exklusiv + + Von Georg Sander

 

Der Fußballtrainer, Physiotherapeut und Sportwissenschaftler Klaus Schmidt ist seit einigen Jahren fixer Bestandteil des Bundesligatrainerinventars und stellt sich den Herausforderungen, vor die er gestellt wird – bislang bei kleineren Klubs wie Altach, Mattersburg oder nun eben bei den Südstädtern. Das Gespräch dreht sich um das Trainerbusiness, ein Karussel, das sich immer schneller dreht. Aber für Schmidt ist das „Part of the Game“. Im 90minuten.at-Gespräch gibt er tiefe Einblicke in seine Arbeit, spricht über die Ligareform und natürlich auch über die Admira.

 

90minuten.at: „Als Fußballtrainer lebe ich jeden Tag meinen Traum, aber immer mit der Pistole im Genick.“ Das sagten Sie dem Kurier im Frühjahr. Allgemein: Warum sind die Zeiten von Langzeittrainern vorbei?

Klaus Schmidt: Ich denke, dass voriges Jahr ein ganz besonderes für Trainer und Funktionäre war. Das lag am neuen Ligamodus, das musste sich erst einpendeln und stabilisieren. Dieses Jahr sieht man, dass Vereine nicht so schnell sind. Es sind mittlerweile zehn Runden gespielt und es gab erst einen Trainerwechsel. Die Anzahl an Trainerwechsel wird sich wohl nicht mehr so hoch sein. Wenn man nach Europa schaut, sieht man aber natürlich, dass die Kurzlebigkeit für Trainer Einzug gehalten hat. Damit muss man sich arrangieren – anfreunden kann man sich damit nicht. Das macht die Situation für uns nicht einfacher, denn wenn man „mit der Pistole im Genick“ arbeiten muss, geht das eine oder andere Mal die notwendige Lockerheit verloren. Das bringt unsere Zeit mit sich, nicht nur im Fußball haben Manager eine kürzere Halbwertszeit. Das ist mehr ein Zeichen der Zeit als des Fußballs.

 

90minuten.at: Man denkt an Ferguson bei Manchester United, Arsene Wenger bei Arsenal oder Thomas Schaaf bei Werder. Aber ist die finanzielle Fallhöhe nicht einfach riesig. Es geht um Millionen, wenn es drum geht, in die Champions League zu kommen oder in Österreich um auch nicht wenig Geld, wenn es um Meister- und Qualifikationsgruppe geht. Man verklärt, denn vor 20, 30 Jahren ging es ja nicht um diese Summen.

Schmidt: Wenn man sieht, wie die Schere aufgeht oder welche Möglichkeiten es in finanzieller Hinsicht im internationalen Fußball gibt, das sieht man auch beim LASK oder dem WAC. Ein paar Tabellenplätze dahinter geht es aber um Existenzen. Wenn man sieht, wie sich die 2. Liga mit 16 Mannschaften darstellt, wo ein Verein auf- und drei absteigen, wo die Fernsehgelder fast ausbleiben, dann ist das eine Riesenschere. Wenn man wie die Admira in der Situation ist, in akute Abstiegsgefahr zu kommen, sehe ich das relativ krass. Da stehen Existenzen auf dem Spiel. Ein Vereinsverantwortlicher ist ja nicht nur für elf Spieler da, sondern für Nachwuchs, Büro, Marketing und so weiter. Das ist eine große Verantwortung. Da muss man es schon auch verstehen, wenn einer die Reißleine zieht, etwas versucht, um den Verein vor einer mittleren Katastrophe zu bewahren. Ein Trainerwechsel kann da einen Impuls geben, um es zu vermeiden, die finanzielle Hürde eines Abstiegs auf sich zu nehmen.

"Ich sehe die Zweiklassengesellschaft nach der Punkteteilung kritisch. Ich war mit Mattersburg in der Qualifikationsgruppe und da ist es für die Zuschauer schwierig, wenn man den SVM oder heute die Admira unterstützt und man nicht mehr gegen die attraktivsten Gegner spielt." - Klaus Schmidt

90minuten.at: Ist das Ihrerseits eine generelle Kritik an der Ligareform? Im Frühjahr gibt es quasi eine erste erste Bundesliga, eine zweite erste Bundesliga und eben die 2. Liga.

Schmidt: Kritik ist vielleicht ein wenig übertrieben. Aber ich bin ein Trainer, der in der 2. Liga seine erste Sporen verdient hat, drei Vereine (Kapfenberg, Wacker Innsbruck, Blau Weiß Linz, Anm.) hatte und mit diesen Erfolgen den Weg in die tipico Bundesliga geschafft hat. Ich weiß, wie knochenhart es auch in der Zehnerliga zugegangen ist. Deswegen habe ich eine gewisse Assoziation zu den Klubs, die da unten kämpfen. Vor zwei Jahren war es noch so, dass man am Freitagabend einen Fixpunkt hatte, vier Spiele waren gleichzeitig, eines etwas später. Das war ein klarer Punkt für das Medieninteresse, das war einfach größer. Ich denke, dass sich die 2. Liga mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, aber die Verantwortlichen in der Bundesliga haben wahrscheinlich einen größeren Einblick gehabt, was finanziell machbar ist und welche Möglichkeiten der Zweitligafußball bietet. Speziell für die Mannschaften aus dem zweiten Glied ist es schwierig, wirtschaftlich mit einem professionellem Standard zu überleben, weil man kaum die Perspektive hat, ein hohes Risiko zu gehen, um den Aufstiegsplatz zu ergattern. Wenn man sieht, dass momentan jeder jeden schlägt, vier Punkte den Dritten vom 13. trennen, ist das Wahnsinn.

 

90minuten.at: Und in der Bundesliga?

Schmidt: Ich sehe die Zweiklassengesellschaft nach der Punkteteilung kritisch. Ich war mit Mattersburg in der Qualifikationsgruppe und da ist es für die Zuschauer schwierig, wenn man den SVM oder heute die Admira unterstützt und man nicht mehr gegen die attraktivsten Gegner spielt. Salzburg, LASK und Co. spielen es sich oben aus, das stört mich ein wenig. Man muss dem ganzen schon auch ein bisschen Zeit geben. Aber man sieht, dass Klubs wie der WAC oder auch der LASK Nutznießer sind, wenn man im Frühjahr zehn Spiele auf höchstem Niveau hat. Das kommt den Mannschaften jetzt im Herbst vielleicht auch zu Gute. Es kommt immer drauf an, mit welcher Mannschaft man wo ist. Wenn man in der Meistergruppe ist, ist das natürlich fein. Ist man in der Qualifikationsgruppe, wo man um den Abstieg kämpft, sieht man es eben aus dieser Perspektive.

90minuten.at: Bleiben wir noch bei den Trainerwechseln. Empirisch ist der Effekt ja mäßig, das werden Sie als studierter Sportwissenschaftler wissen. Wenn man etwas tun will, dann bleibt aber auch arbeitsrechtlich nur der Trainer.

Schmidt: Der Trainer war schon immer das schwächste Glied. Es gab immer wieder die Geschichten, dass ein Trainer in den letzten Runden eine Mannschaft rettet, dass er einen Impuls gibt und das bleibt den Leuten in Erinnerung. Das macht den Charme des Fußballs schon auch aus, wenn immer was Neues passiert. Wir leben aber von Trainerwechseln. Gebe es die nicht, gebe es mehr oder weniger 40 Trainer, die einen Job haben und die anderen 100, 200, 300 würden traurig über den Zaun schauen und hätten keine Perspektive. Das ist auch part of the game.

 

90minuten.at: Allerdings: Als Sie in Altach waren, haben fünf Punkte auf die Austria, also Rang 7 und die Vertragsverlängerung, gefehlt. Das sind in 36 Runden vielleicht ein Abseitstor, einmal rein statt Stange und Sie sind heute noch SCRA-Coach...Wenn ich das zu Ende denke, finde ich es eigentlich absurd.

Schmidt: Fußball ist auch ein wenig ein Glücksspiel. Es ist ein Gamble dabei, das ist einfach so. Wenn man 36 Runden spielt, dann spiegelt es trotzdem die Jahresperformance wider, egal wie es zustande gekommen ist. Also ob es Verletzte gab, es eine zu hohe Belastung gab, die die Mannschaft nicht gewohnt war, das interessiert am Ende niemanden. Wenn die Fans dann auf die Tabelle sehen und merken, man war Vierter und dann Achter, dann ist jemand unzufrieden und erhofft sich von einem Trainerwechsel etwas besseres. Dann kommt es drauf an, ob der nächste etwas besseres zustande bringt. Aber das gehört dazu. Wenn man dabei sein möchte, dann muss man diese Regeln annehmen und sich der Situation stellen. Man muss aber auch hoffen dürfen, dass man beim nächsten Trainerwechsel in die Verlosung kommt und sich präsentieren kann und vielleicht sogar einen Job bekommt.

 

90minuten.at: Ihre Trainerkarriere in der 2. Reihe begann beim GAK unter Walter Schachner, bei Austria Kärnten standen Sie 2007 das erste Mal in der ersten Reihe. Sie haben sich dann quasi nach dem Ausflug in die arabische Welt mit Josef Hickersberger und dem Engagement als Leiter der Nachwuchsabteilung in Kapfenberg sowie als Co-Trainer beim U21-Team dann hoch gedient. Wie resümieren Sie ihre bisherige Trainerkarriere?

Schmidt: Wenn man es mit der rosaroten Brille ansehen möchte, war es bis dato eine sehr, sehr angenehme, abwechslungsreiche und spannende Zeit. Der Klaus Schmidt hat als Fußballer die zweite Liga gesehen, hat aber jetzt nicht großartig den Bonus gehabt, ein Topprofi gewesen zu sein. Mit harter Arbeit, Fleiß und ständiger Weiterbildung habe ich mir einen Platz im Bundesligageschäft erarbeitet. Aus dieser Perspektive kann ich stolz auf die letzten zehn, 15 Jahre sein. Wenn man es kritisch sieht, wäre es spannend, einen Verein zu bekommen, der um die top drei oder vier mit spielt. Aber ich bin noch nicht kurz vor der Pension und hoffe, dass ich noch einige Jahre Trainer sein kann. Die Ziele habe ich noch und daran arbeite ich. Vielleicht passt es, dass ich einmal eine Mannschaft begleiten kann, die Europa League oder eben eine Etage höher spielt. Man muss sich selber hohe Ziele setzen. Aber man muss immer den Job, den man macht, als Königsaufgabe sehen. Da braucht es auch eine gewisse Demut, dass man weiß, dass man einer von zwölf Bundesliga-Trainern ist, davon sind sieben Österreicher. Wenn man da einer davon ist, ist das schon ganz ok. Die Geschichten und Erlebnisse, die man im Laufe dieser Zeit erlebt, konnte nicht jeder erleben – darauf bin ich ein wenig stolz.

 

90minuten.at: Da haben Sie ja vielleicht schon mittlerweile einen Vorteil. Wenn man sich die Trainerbestellungen im Sommer ansieht, dann sind ja mit Valerien Ismael und Gerhard Struber derzeit Trainer erfolgreich tätig, die zuvor eigentlich eher nicht aufgefallen sind. Ihre Klubs haben bislang schon mit einer stabilen Defensive überzeugt, zur Offensive sind Sie eigentlich nie gekommen.

Schmidt: Natürlich. Wenn man die Mannschaften so übernimmt, wie ich es in den letzten Jahren gemacht habe, ist es immer so, dass es Probleme gab. Meistens bekommt man zu viele Gegentore, das schlägt sich am Punktekonto nieder. Darum ist der erste Schritt, das Ganze so gut wie möglich zu stabilisieren. Das ist sicher ein Grund, warum es so ist, dass ich eben mit Teams arbeite, die immer wieder hinten drinnen sind. Das macht es aber auch spannend. Ich bin nicht in der Situation, dass ich bei einem Verein sein muss, der pro Saison 120 Tore schießt. Die Admira versucht in der Liga zu bleiben, dazu wird es auch notwendig sein, das eine oder andere Tor zu erzielen. Es ist immer wieder eine Herausforderung, Tore zu machen, als die Stabilität in die Mannschaft zu bekommen. Dieses Sahnehäubchen kommt mit der Zeit. Bei Wacker haben wir ein halbes Jahr um den Rotz gerauft und im zweiten Halbjahr waren wir Erster, haben Tore am Fließband produziert. Wenn man den Zeitrahmen und die Transferperiode hat, erleichtert das natürlich. Wenn man so wie ich bei den letzten Vereinen ein Jahr war, dann fällt die Sommertransferperiode aus und auch die Entwicklung, dass man eben nicht ein enttäuschtes Team ist, das von hinten das Feld aufrollt. Und dass man sondieren kann, welche Spieler entsprochen haben, welche nicht. So bekommt man dann immer ein Team präsentiert, bei dessen Zusammensetzung man nicht dabei war und es dauert eben ein, zwei Transferperioden.

 

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