Foto: © ORF/Günther Pichlkostner

Anna Lallitsch: Österreichs erste Fußballkommentatorin

Anna Lallitsch ist Österreichs erste Frau, die ein Fußballspiel live im österreichischen Fernsehen kommentiert hat. Mit 90minuten.at hat sie über ihren Zugang zum Fußball gesprochen und wie die Reaktion auf ihren Einsatz war.

Das Gespräch führte Georg Sander

 

90minuten.at: Wie bereitet man sich als Kommentatorin auf ein Fußballspiel vor?

Anna Lallitsch: Der größte Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball ist sicher, dass es über Frauen nicht so viele Informationen gibt. Man geht nicht einfach ins Internet, schaut sich alte Artikel an. Da muss man wirklich richtig gute alte Journalistenschule auspacken und mit den Leuten reden, mit dem Manager oder der Trainerin. Das macht es spannend und attraktiv und so kommt man zu Informationen, die man mit einem Archiv nicht so einfach hat.

 

90minuten.at: Bei der Champions League hat ja der dritte Zwerg von links auf der Barcelona-Bank 17 Seiten Wikipedia-Eintrag.

Lalltisch: Es ist anders, für mich ist es schöner, als wenn ich einen Papierstapel durcharbeite.

 

90minuten.at: Wie machst du das?

Lallitsch: Es gibt Kollegen, die haben iPads und Laptops, ich bin eher der haptische Typ, habe meine zwei, drei Zettel, bekomme die Aufstellung, habe aber eher die Zettel.

 

90minuten.at: Wie ist das im Spiel selbst? Viele Fans träumen ja davon, ein Spiel zu kommentieren, aber es ist ja gar nicht so einfach, 45 Minuten durchzusprechen. Woher weißt du, was du wann erzählst?

Lallitsch: Es gibt nicht das Konzept, es gibt auch kein perfektes Spiel. Der Trainer hat auch eine Aufstellung und eine Taktik, am Platz schaut es anders aus. Man kann auch beim Kommentieren nicht wissen, worauf man sich vorbereitet. Es ist ein Spiel, es kann alles passieren. Das macht den Thrill aus – man kann sich nicht auf alles vorbereiten.

"In den Stadien ist es wirklich so, dass man als Frau ein bisschen der Exote ist. Aber von anderen Reportern oder Journalisten hat es nie irgendwas gegeben und auch jetzt ist der Zuspruch extremst groß. " - Anna Lallitsch

90minuten.at: Wie kommt man dazu, Fußballspiele zu kommentieren?

Lallitsch: Ich habe das nie geplant, das muss ich zugeben. Ich habe das Musikgymnasium in Graz gemacht und habe nach der Matura angefangen, Jus zu studieren. Das war dann vielleicht doch nicht ganz das richtige für mich und habe dann einen anderen Job nebenbei gemacht. Dort habe ich durch Zufall jemanden kennen gelernt, der gerade Bundesliga on ear aufgebaut hat. Das war zur Euro 2008 in Österreich und der Schweiz, die haben auch eine Frau gesucht. Sie haben welche gecastet, die stimmlich gepasst haben, die aber keine Ahnung von Fußball hatten. Bei mir war es genau umgekehrt. Ich habe genug Ahunng vom Fußball, aber keine Ahnung vom Kommentieren. Das kann man sich aneignen. So ist das entstanden und dann wurde es immer mehr.

 

90minuten.at: Das hat dann damit geendet, dass du neulich ein Fußballspiel ganz kommentiert hast.

Lallitsch: 2012 mit 19 hat das gestartet, ich habe dann auch die Audiodeskription im ORF gemacht, da habe ich auch Fußball gemacht, Skifahren, olympische Spiele. Ich habe fast 200 Männer- und Frauenspiele gemacht. So ist man auf mich gekommen. Das jetzt ist noch einmal was anderes, das ist nicht Audiodeskription.

 

90minuten.at: Im Sportjournalismus bzw. gerade im Fußball ist die Frauenquote ausbaufähig. Wie waren deine Erfahrungen?

Lallitsch: In den Stadien ist es wirklich so, dass man als Frau ein bisschen der Exote ist. Aber von anderen Reportern oder Journalisten hat es nie irgendwas gegeben und auch jetzt ist der Zuspruch extremst groß. Der Grundtenor ist: Jo, eh, eine Frau kommentiert Fußball, warum müssen wir 2019 noch darüber reden? Aber viele freuen sich über den Schritt.

 

90minuten.at: Wäre es anders, wenn du wie Claudia Neumann ein EM-Spiel der Herren kommentiert hättest?

Lallitsch: Das kann ich nicht sagen und ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken. Vergleiche sind immer sehr schwierig. Wie das wird, wenn ich Herrenspiele kommentiere, wird man es sehen, wie es ist.

 

90minuten.at: Es wird vonseiten des ORF nicht unbedingt so kommuniziert, dass dieser Fall relativ bald eintreten wird. Es gibt in den letzten Monaten und Jahren auch Initiativen, die die Repräsentanz von Frauen im Sportjournalismus generell erhöhen wollen. Das taugt dir, nehme ich an!

Lallitsch: Ja, natürlich. Ich verstehe nicht, warum ich mich, nur weil ich eine Frau bin, nicht bei Fußball auskennen soll. Das werde ich nie verstehen.

 

90minuten.at: Viele Fußballfans werden auch dem einen oder anderen bekannten Kommentator unterstellen, eh auch wenig Ahnung von Fußball zu haben.

Lallitsch: Es ist immer schwierig, das muss ich auch zum Thema Claudia Neumann sagen: Wenn die Kritik inhaltlich ist, reden wir von etwas ganz anderen. Wenn die Kritik ist: Das ist eine Frau, kann ich damit nichts anfangen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Es will sich jeder immer verbessern, niemand will Fehler machen. Aber wurscht ob ich Frau oder Mann bin, habe ich immer den gleichen Anspruch, meinen Job so gut zu machen, wie es irgendwie möglich ist. Warum muss es da einen Vergleich geben? Jeder muss den gleichen Anspruch haben. Aber es kann nie jedem gefallen. Man versucht es mit viel Spaß an der Sache zu machen und wenn man das vermittelt, kann es nicht ganz verkehrt sein.

 

Das gesamte Interview mit Anna Lallitsch gibt es hier in unserem Fußball-Journal nachzuhören:

90minuten.at-TV: Dortmunds neue Wäsch'