Foto: © ORF/Roman Zach-Kiesling

Marcel Koller: "Ich habe eine Ausstiegsklausel"

Marcel Koller kehrt für die Zeit der WM 2018 zurück nach Österreich. Mit 90minuten.at hat er bei der Präsentation des ORF-Programms für die WM über die letzten Monate, Angebote aus Österreich, seine Einschätzung zur WM und über die Zukunft gesprochen.

Das Gespräch führte Michael Fiala mit anderen Journalisten

Es gilt als eine der Transfersensationen der noch jungen Transferperiode: Marcel Koller wird bei der WM 2018 für den ORF analysieren. Am Dienstag stellte der ORF in der Strandbar Hermann sein konkretes Programm für die WM vor. Mit dabei war auch ein äußerst gut gelaunter Marcel Koller, der sich auch Zeit nahm, um einer kleinen Journalisten-Runde ein paar Fragen zu beantworten. 90minuten.at war vor Ort  mit dabei.

 

Herr Koller, wie waren die vergangenen sieben, acht Monate für Sie nach Ihrem Ende als Teamchef in Österreich. Wie haben Sie den Fußball erlebt? Gab es Gespräche? Gab es konkrete Angebote?

Marcel Koller: Grundsätzlich habe ich gemerkt, dass eine Pause gut tut. Als ich aufgehört habe, dachte ich, ich kann gleich wieder einsteigen. Zum Glück ist das nicht passiert, weil ich doch sechs Jahre, sieben Tage die Woche mit Fußball beschäftigt war und meine Frau auch gemeint hat, magst du nicht einmal einen Tag frei haben? Das hat richtig gut getan. Es gab das eine oder andere Telefonat oder auch Gespräch, aber nichts Konkretes, sonst wäre ich jetzt nicht hier.

 

Es gab auch in Österreich Gerüchte, wonach Sie mit Rapid oder auch Austria in Verbindung gebracht wurden. Können Sie das bestätigen?

Koller:  Ich möchte nicht ins Detail gehen und zu jedem Verein sagen, was da gelaufen ist. Um so einen Vertrag eingehen zu können, braucht es beide Seiten, es muss für beide Seiten gut sein. Dann kommt so etwas zustande. Das war bis jetzt nicht der Fall. Ich finde es jetzt auch nicht gut zu sagen, wo man im Gespräch war. Ich bin jedenfalls bereit für eine neue Aufgabe. Es ist für mich beim ORF jetzt auch eine Vorbereitung für mich, ich habe schon 23 Spiele von den März-Länderspielen nachgeschaut, um vorbereitet zu sein. Einige Länder wie Nigeria oder Südkorea sieht man nicht all zu oft, da bin ich am Einarbeiten. Da sitze ich den ganzen Tag am Laptop.

 

Können Sie sich längerfristig vorstellen, TV-Experte zu sein?

Koller: Aktuell noch nicht, ich möchte auf den Platz zurück. Ich habe noch zu viel Energie, ich möchte das mit Spielern verwirklichen, das fehlt dann ein bisschen.

 

Wie wollen Sie die Tätigkeit als Kritiker anlegen? Eher der scharfe Kritiker oder anders?

Koller: Es ist wichtig, dass es überlegt ist. Scharfe Kritik ist so eine Sache: Man weiß, wie es zugehen kann, in der Kabine, wenn sich jemand verletzt, etc. Aber wenn man im Studio steht, hat man diese Informationen nicht. Ich kann mich nur informieren von außen. Man kann dann nur mutmaßen, ob es die Spielidee war und möglicherweise nicht gut umgesetzt war. Die Marschroute kennt man ja nicht. Darum will jeder Mäuschen sein in der Kabine, um diese Informationen zu bekommen.

 

Was erwarten Sie von Russland bei der WM, auch aus taktischer Sicht?

Koller: Ich habe sie jetzt gesehen, sie spielen jetzt mit Dreierkette. Das war gegen uns nicht so. Es sind auch viele neue Spieler hinzugekommen, es gibt einen neuen Trainer. Resultatmäßig haben sie nicht überzeugt, aber Chancen haben sie gehabt. Es wird auch bei der WM um Kleinigkeiten gehen.

(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

Haben Sie eine Ausstiegsklausel im ORF-Vertrag, wenn ein Trainerangebot während der WM kommen sollte?

Koller: (lacht) Ja die habe ich, das ist natürlich besprochen.

 

Wie haben Sie die Entwicklung von Young Boys Bern mit Trainer Adi Hütter mitverfolgt?

Koller: Der Klub war eigentlich schon länger bereit. Sie haben dann immer Spiele gegen die sogenannten Kleinen vergeben. Sie waren auch in dieser Saison am Anfang hinter Basel, haben sie dann überholt und es dann konsequent durchgezogen. Sie haben eine sehr gute Mannschaft, sie waren auch die beste Mannschaft, wenn man das letzte Spiel ausklammert.

 

Was waren die Erfolgsfaktoren?

Koller: Die Kompaktheit der Mannschaft war sehr gut. Adi Hütter hat die immer ruhig gecoacht, hat nach Außen hin keine Ansprüche gestellt. Es war so, dass er auch gute Einzelspieler hatte, da wird der eine oder andere weggehen. Es braucht dann vermutlich wieder auch Zeit, um auf dieses Level zu kommen.

 

Ist es ein undankbarer Zeitpunkt, die Young Boys jetzt zu übernehmen?

Koller: Glaube ich nicht. Es ist immer die Frage, wie die Erwartungshaltung im Klub ist. Und damit meine ich nicht die Fans, sondern den Klub selbst. Ich glaube, dass im Klub gute Leute dran sind. Bern ist eher zurückhaltend im Vorstand, die haben das immer gut gemacht. Es ist sicherlich eine gute Aufgabe, wenn sie den Cup geholt hätten, wäre es allerdings schwieriger geworden. Wenn man dann als Trainer nicht die Ruhe hat, kann die Stimmung kippen.

"Mich reizt im Moment der Klubfußball mehr als Nationalteam. Aber wenn ein Nationalteam kommt und es etwas Gutes ist, dann kann ich mir auch ein Nationalteam vorstellen." - Marcel Koller

Sie wollen weiterhin jetzt zurück zum Klubfußball oder würde Sie ein Teamchef-Job doch wieder reizen?

Koller: Mich reizt im Moment der Klubfußball mehr als Nationalteam. Aber wenn ein Nationalteam kommt und es etwas Gutes ist, dann kann ich mir auch ein Nationalteam vorstellen.

 

Wie haben Sie das letzte halbe Jahre bezüglich des ÖFB-Nationalteams verfolgt? Nehmen Sie einen Umbruch wahr, immerhin gibt es jetzt mehr jüngere Spieler und auch mehr Spieler aus der österreichischen Bundesliga …

Koller: Den Umbruch von jüngeren Spielern haben auch wir schon eingeleitet. Aber der Stamm ist nach wie vor mit den Spielern, die wir auch einberufen haben, abgesehen von jenen Spielern, die zurückgetreten sind. Im Kader ist der eine oder andere neue Spieler, auch auf Abruf manchmal. Das ist dann die Sichtweise des Trainers.

 

Gab es Kontakt mit Franco Foda, außer zu Beginn?

Koller: Nein, wir haben einmal telefoniert und uns dann bei der Krone Gala gesehen. Mehr war nicht.

 

Haben Sie die Spiele der Österreicher verfolgt?

Koller: Ich habe das eine oder andere gesehen, es war gleichzeitig auch die Schweiz, da habe ich herumgezappt. Aber die drei Spiele gegen Russland, Deutschland und Brasilien werde ich mir ansehen.

 

Bei der WM kommt auch der Videobeweis zum Einsatz. Wie stehen Sie eigentlich zum Videobeweis?

Koller: Es ist wichtig, dass man sieht, ob ein Tor passiert ist oder nicht. Da geht es um viel Geld, etc. Jetzt ist es so, dass in viel früheren Phasen der Videobeweis zum Einsatz kommt. Es ist auch ok, wenn man überprüft, ob ein Tor zum Abseits geführt hat. Ob aber ein Spieler eine blutige Nase bekommen hat, weiß man oft nicht, ob das nicht beim Zweikampf auch von einem eigenen Spieler passiert ist. Elendiglich sind aber die Entscheidungen beim Thema Handspiel. Es ist keine normale Haltung, wenn man die Hände hinter dem Rücken versteckt. Wenn man jetzt den Ball auf die Hand bekommt, heißt es: Handspiel. Früher hieß es, dass die Hand zum Ball gehen muss. Jetzt sieht man Spieler mit Händen hinter dem Körper verteidigen. Da hat man als Verteidiger keine Chancen gegen einen angreifenden Stürmer, man kann auch nicht so hochspringen, etc. Das wird jetzt alles abgepfiffen. Das geht in Richtung American Football. Das ist nicht gut.

 

Wen sehen Sie bei der WM weit vorne?

Koller: Ich bin überzeugt, dass es von Kleinigkeiten abhängt. Aber Spanien, Brasilien, Deutschland, Argentinien habe ich gesehen und haben mich beeindruckt. Frankreich mit ungalublichen Offensivspielern darf man auch nicht vergessen. Ich habe aber noch nicht alle gesehen, Belgien zum Beispiel. Spanien hat mich am meisten überzeugt, wie die mit Ruhe am Ball hinten raus spielen. Sie spielen auch sehr direkt mit guter Technik und läuferischer Qualität. Sie haben auch vorne Qualität, sie pressen auch schnell nach Ballverlust, aber nicht nur 1, 2 Spieler, sondern die ganze Truppe.

Danke für das Gespräch!

 

>>> WM Spiele auf 90minuten.at tippen und feine Preise gewinnen!

90minuten.at-TV: Meisterfeier von Wacker Innsbruck