Datenanalyst Philipp Ertl: "Nicht jeder Klub ist interessiert, Daten weiter zu geben"

Datenanalyst Philipp Ertl beantwortet für 90minuten.at Fragen der User. Etwa, wie man überhaupt Datenanalyst wird, ob Datenanalyse auch im Amateursport anwendbar ist und den Stellenwert von Daten im Fußball.

Von Georg Sander

 

Im Interview der Woche gab Philipp Ertl von Opta Sports einen Einblick in die Welt der Fußballdaten. Eine Welt, die für Klubs, Verbände, Medien und Fans immer relevanter wird. 90minuten.at hat deshalb euch gefragt, was ihr gerne von dem Datenanalyst wissen wollt. Hier sind seine Antworten:

 

Rene Duchty: Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um als Datenanalyst erfolgreich zu sein?

Philipp Ertl: Man muss immer gewillt sein dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln. In diesem Bereich gibt es ständig Neuentwicklungen und damit neue Möglichkeiten. Ich empfehle ,Blogs und Podcasts über neueste Entwicklungen zu verfolgen (zum Beispiel: OptaPro oder Statsbomb).

 

Rene Duchty: Wie wird man Datenanalyst bzw. wie bist Du es geworden?

Ertl: Ich habe von klein auf Daten gesammelt und mich 2002 für einen Job als Datenerheber beworben. Ab diesem Zeitpunkt war ich für unseren Kunden „Premiere" (jetzt Sky)"im Einsatz und erhob die Daten zu den Livespielen. Nebenher habe ich mich in dem Bereich immer selbst weitergebildet, ausgetauscht und wurde dann zum Redakteur, Verantwortlichen der Datenerhebung und zum Datenanalysten. Geholfen hat sicher, dass ich selbst auch Daten erhoben habe. Wie gesagt, geht es in diesem Bereich sehr schnell, mein Aufgabengebiet hat sich inzwischen durch den Wechsel zur Perform Group weiter verschoben. Also: Immer dran bleiben, mit anderen „Datenjunkies" austauschen und auch offen für andere Ideen/Ansätze sein - und dann die Gelegenheit am Schopf packen!

 

Lukas Mikesma: Sie erwähnen in der ersten Frage manuell erhobene und getrackte Daten und dass es eine Herausforderung ist, diese zusammen zu führen. Könnten Sie dies vielleicht ein wenig genauer beschreiben und eventuell ein paar Beispiele für manuell erhobene und getrackte Daten geben? 

Ertl: Manuell werden alle Ballaktionen und Ereignisse wie Schüsse, Pässe, Zweikämpfe und so weiter erhoben. Insgesamt werden 54 unterschiedliche Parameter, die sich dann teilweise noch in weiteren Qualifiern unterscheiden, von unseren Datenerhebern live eingegeben. Getrackt werden Laufwege, Geschwindigkeit und so weiter, allerdings nicht in jedem Wettbewerb. Die Herausforderung ist, den verschiedenen Systemen den exakt identen Timecode zuzuweisen. Außerdem sind derzeit viele unterschiedliche Trackingsysteme im Einsatz, die sich auch qualitativ unterscheiden.

 

Lukas Mikesma: In diesem Zusammenhang wäre es auch spannend, ob es möglich ist, diese Daten mit biometrischen Daten der Spieler zu verknüpfen. Zum Beispiel Pulswerte eines bestimmten Spielers bei einer bestimmten Aktion im Spiel. Oder ist das dann eher Aufgabe der jeweiligen Clubs diese Daten zu erheben und zu verknüpfen bzw welche Möglichkeiten gibt es überhaupt diese Daten zu erheben? 

Ertl: Ja, das ist ein sehr interessanter Ansatz und wird teilweise auch schon so praktiziert. Die sogenannten „Wearables" sind im Ligaeinsatz schon erlaubt, davor wurden sie nur im Training eingesetzt. Einige Vereine in Österreich nutzen diese Möglichkeit auch seit einiger Zeit. Hier ist die größte Herausforderung zu bestimmen, wem die Daten gehören. Sind es die Spieler, die Vereine oder die großen Verbände? Schließlich wechseln Spieler ja die Vereine und nicht jeder Klub ist daran interessiert diese Daten weiterzugeben. Außerdem gibt es die Befürchtung, dass diese Daten von Medien falsch verwendet werden bzw. Spieler anhand der Daten von der Öffentlichkeit abgestempelt werden. Deshalb arbeitet die FIFA in Zusammenarbeit mit der IFAB (international Association Football Board) an einem globalen Standard für die Erhebung dieser Daten und deren Verwendung. Eine Entscheidung wird für den nächsten März erwartet.

 

Lukas Mikesma: Gibt es für Amateurvereine eine einfache technische Lösung gewisse Daten zu erheben? Oder sind wir da in einem Bereich, wo sich diese Investitionen gar nicht auszahlen? Ich denke, das ein paar Amateurvereine in Zukunft auch sicher mehr in diese Richtung arbeiten wollen. Wäre es möglich, eine gewisse Basis an Informationen einfach und schnell zu erheben?

Ertl: Wearables, die auch für den Amateurbereich leistbar sind, gibt es schon einige (auch in Verbindung mit biometrischen Daten). Alles was darüber hinaus geht, erfordert einen personellen Aufwand, aber auch hier gibt es verschiedene Lösungen in Verbindung mit Videoaufnahmen. Ich kann einige Events für mich selbst bestimmen und im Video live oder relive taggen. Bei vielen Produkten gibt es dann auch die Funktion diese Daten als Excel-File auszuwerfen und mir damit eine kleine Datenbank aufzubauen. Einen Programmierer oder Excel-Experten im Vereinsumfeld zu haben, ist sicherlich förderlich.

 

Andreas Lindinger: Wie beurteilst du die Bedeutung/Verbreitung von Datenanalysen im Fußball gegenüber anderen Sportarten? Mein Eindruck von der NHL wäre, dass im Hockey Daten sowohl bei Trainern und Managern als auch in der medialen Berichterstattung gerade auf Blogs und spezialisierten Websites eine viel größere Rolle spielen.

Ertl: Der Eindruck ist sicher richtig, diese Herangehensweise kommt von den amerikanischen Sportarten. Im Baseball, American Football, aber auch Basketball oder Eishockey, ist es einfacher, Daten zu erheben und Modelle zu basteln. Diese Sportarten sind nicht von so vielen Faktoren abhängig wie Fußball. Allerdings steigt das Interesse auch in diesem Bereich enorm. Als ich 2005 begonnen habe für Fußball-Klubs endlich bezahlte Analysen zu schreiben, war dieses Thema in der Öffentlichkeit nicht vorhanden und für Medien kaum interessant. Inzwischen gibt es gerade in Österreich viele, die sich diesem Thema angenommen haben. Ich finde jeden Ansatz interessant, auch wenn man natürlich nicht allen Theorien und Schlussfolgerungen zustimmt. Aber ich höre ja auch nicht auf Zeitungsartikel zu lesen, wenn einer davon nicht meine Meinung widerspiegelt?

 

Weiterlesen: Das gesamte Interview findet ihr hier 

Die neuen Österreich-Trikots

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