Warum liegt Rapid hinter der Austria, Robert Klauß?
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Warum liegt Rapid hinter der Austria, Robert Klauß?

Seit Ende November 2023 coacht Robert Klauß den SK Rapid. Der Weg stimmt, auch wenn es nicht immer einfach war. Zeit für eine Bilanz im 90minuten-Interview. Er spricht über seinen 40er, High- und Lowlights sowie was er sich von Sturm abschauen kann.

90minuten: Sie haben kurz vor Ihrem 39. Geburtstag übernommen, wie alt haben Sie sich am 1. Dezember 2024 gefühlt – 40 oder doch älter?

Robert Klauß: Ich fühle mich keinesfalls älter als 40, eigentlich jünger. Ich habe einen Beruf, in dem ich den ganzen Tag mit jungen Menschen zu tun habe und man sich viel an der frischen Luft bewegt.

90minuten: Rapid hat die meisten Fans im Lande, die letzten Trainer sind seit Didi Kühbauer (2018 bis 2021) nicht so lange hier, es ist immer etwas los. Ist es anders als in Nürnberg?

Klauß: Es ist auf jeden Fall anders, weil man hier mehr im Fokus steht als bei einem deutschen Zweitligisten, wo es noch viele, viele andere Vereine gibt. Man merkt, dass Rapid das Thema ist, das die meisten Menschen im Fußball beschäftigt. Das war mir vorher aber auch bewusst, das ist ok und es macht auch Spaß, wenn wir die meisten Leute begeistern, anlocken, Aufmerksamkeit erregen. Das ist keinesfalls unangenehm. Ich bin lieber an einem Standort, an dem es viele interessiert, als einem, wo das nicht der Fall ist.

90minuten: Bei Rapid ist immer etwas los, seit einiger Zeit ist es tatsächlich etwas ruhiger. Peilen Sie jetzt die 1.135 Tage von Kühbauer an?

Klauß: Im Fußball ist es ganz, ganz schwer vorauszusehen, was kommen wird. Wir Trainer tun gut daran, alles dafür möglich zu machen, dass wir Erfolg haben, uns wohlfühlen und die Leute im Verein mit uns zufrieden sind. Wir wollen Wertschätzung spüren und das auch zurückgeben. Dann spricht nichts dagegen, dass man lange bleibt. Ich hatte diese Erfahrung als Cheftrainer erst einmal, in Nürnberg.

Da war ich über zwei Jahre tätig. Das ist bei diesem Klub schon eine relativ lange Zeit. Aber ich habe mich wohlgefühlt und irgendwann ging es zu Ende. Das war aber eher so: Es war gut so, ich war nicht extrem wehmütig. Aktuell sind wir in einem Prozess, in dem wir merken, dass wir Stück für Stück besser werden. Deshalb will ich bleiben.

90minuten: Was war für Sie das Highlight bislang?

Klauß: (denkt kurz nach) Nach dem 3:0 im Februar war der erste Derbymoment sehr schön. Natürlich, im Nachgang wurde das Sportliche überschattet, aber mit Abpfiff war das nicht der Fall. Diese positiven Emotionen werde ich nie vergessen, man hat das Leuchten in den Augen und die Freude bei allen Menschen gesehen.


Für mich war es das erste Derby als Cheftrainer und für sie das Erste, das nach langer Zeit gewonnen wurde. Das zu sehen, war hochemotional und wunderschön.

Robert Klauß

Es war ja für die noch viel mehr wert, es war ja für mich das erste Derby als Cheftrainer und für sie das Erste, das nach langer Zeit gewonnen wurde. (Anm.: es war der erste Sieg gegen die Austria im 2016 eröffneten Allianz Stadion, der erste Derby-Sieg seit 1. September 2019). Das zu sehen, war hochemotional und wunderschön. Ein schöner Abend war auch daheim gegen Trabzonspor, die erste Quali für eine Gruppenphase nach zwei Jahren. Das ist für den Verein wichtig und für die Menschen super.

90minuten: Kopenhagen wäre einer meiner Tipps gewesen.

Klauß: Das ist auf dem gleichen Niveau wie Trabzonspor, aber noch zu frisch. Es geht ja schnell weiter.

90minuten: Was war das Lowlight?

Klauß: (denkt lange nach) Das verlorene Cupfinale. Wir haben 1:0 geführt, haben dann zwei dumme Gegentore bekommen, von denen eines sehr strittig war und der VAR hätte eingreifen müssen. Da wurde uns gefühlt die Chance zu gewinnen genommen. Auch das 0:5 beim LASK war bitter. Wir haben gesehen, dass wir mit dem Kader an unsere Grenzen stoßen. Die beiden Spiele haben schon etwas bewirkt und es war extrem schwierig und negativ, aber für die Kaderplanung und die Schritte, die wir daraufhin eingeleitet haben, extrem wichtig.

90minuten: Ich zitiere Ihren Satz aus unserem ersten Interview, wonach sich Vereine vielleicht oft den falschen Trainer suchen, recht oft. Vor ein paar Jahren wäre nach einer Phase wie Spieltag 21 bis 29 (nur ein Sieg, fünf Remis, drei Niederlagen in Folge am Schluss), wohl schon über den Trainer diskutiert worden. Woran liegt das, dass das nicht der Fall war? Es gibt ja viele, die sich zu Rapid äußern, außen und innen.

Klauß: Wir hatten davor sehr viel Erfolg, um in so eine Position zu kommen. So ist dann auch Kredit da, den wir uns alle gemeinsam erarbeitet haben. Umgekehrt haben wir in der sportlichen Führung auch eine klare Idee, wo wir hinwollen und auch wissen, warum was wie passiert. Wir lügen uns dann nicht an uns sagen: So ein Pech, das wird aber wieder. Es werden dann Schritte eingeleitet. In der Phase waren wir auch sehr müde, es war schwer, an unsere Topleistungen ranzukommen.


Es war beim SK Rapid schon einmal turbulenter als in der Ära Klauß/Katzer
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Es war beim SK Rapid schon einmal turbulenter als in der Ära Klauß/Katzer

Es gab Ausfälle auf ein, zwei Positionen, weitere Dinge, die wir nicht gut gemacht haben – wir konnten das schon einordnen. Es liegt auch daran, dass wir nicht nur viel kommunizieren, sondern auch oft die gleichen Ideen haben, sei es bei Transfers, der Bewertung von Spielen, wie realistisch unsere Chancen sind. Wir sind auf einer Wellenlänge und es ist entscheidend, dass es da in der Bewertung keine großen Diskrepanzen gibt.

90minuten: Sie wirken auch viel entspannter, muss ich ehrlich sagen. Aber gut, mit den erwähnten sportlichen Erfolgen ist das leichter als im Frühling.

Klauß: Nach dem Februar-Derby hatten wir extrem angespannte Wochen. Ich habe mich gefühlt mehr damit als mit inhaltlichen, sportlichen Themen beschäftigt. Das nervt dann auch, weil ich eigentlich mit der Mannschaft Spiele gewinnen will. Das war damals nicht möglich, weil vieles andere wichtiger war. Und es hat uns auch Punkte gekostet, so ehrlich muss man auch sein. Es hat uns viel gekostet, auch weil das Thema immer wieder aufkam.

Jetzt in der Vorbereitung ist es für den Trainer schon auch entspannter, wir können allen die Einsatzzeit geben, an Details arbeiten und waren in Spanien. Das sind schon viele positive Faktoren. Allerdings gibt es auch das Grundvertrauen in uns als Mannschaft, dass wir gut sind und mit Spitzenteams mithalten können und sie in Liga und Conference League auch schlagen können. Das war ja auch im Frühling ein Thema, ob wir gegen Sturm, Salzburg und Co. gewinnen können. Das ist uns im Herbst gelungen und es gibt eine gewisse Sicherheit.

90minuten: Und Sie können ja auch die guten Seiten dieser schönen Stadt kennenlernen.

Klauß: Ich war im Sommer viel unterwegs und habe das Wetter genossen. Jetzt geht das weniger, aber ich genieße die Stadt und fühle mich wohl.

90minuten: Kommen wir – endlich – zum Sportlichen. Im Sommer kamen viele neue Spieler, sie haben die Erwartungen fast übererfüllt. Das ist etwas außergewöhnlich, hat uns überrascht – Sie auch?

Klauß: Ja und nein. Es waren ja bewusste Entscheidungen und wir haben versucht, möglichst alle Fragezeichen aus der Welt zu räumen: Wo hat er gespielt, wie könnte er zu uns passen, wie ist sein Charakter, wie kann man ihn in die Gruppe integrieren, welche Themen bringt er mit, wo ist er gut, wo gibt es Baustellen? Und trauen wir uns das zu? Dann haben wir überall ein Häkchen drunter gemacht. Also waren wir von den Einzelspielern schon überzeugt, auch wenn es eine Gruppe ist.


Ich will wissen, wie die Erwartungshaltung mir gegenüber aussieht. Der eine will besser werden, der nächste nur spielen, einer will viel mit mir reden. Ich frage sie auch, wo sie sich am Feld am wohlsten fühlen.

Robert Klauß

90minuten: Achten Sie auf besondere Dinge? Wollen Sie etwas ganz genau wissen?

Klauß: Ich will wissen, wie die Erwartungshaltung mir gegenüber aussieht. Der eine will besser werden, der nächste nur spielen, einer will viel mit mir reden. Ich frage sie auch, wo sie sich am Feld am wohlsten fühlen. Das kann man ja unterschiedlich interpretieren, was man am Video sieht oder welche Einschätzungen man sich holt: Ist er lieber ein Sechser, der wartet oder auf den Ball zugeht? Vielleicht hat er ein anderes Bild als wir. Das ist schon gut, wenn es deckungsgleich ist und ich frage es schon immer ab. Ich sage dann auch ganz klar, was seine Stärken sind und wo er sich verbessern muss, damit er bei uns die Rolle spielen kann, die er und wir uns vorstellen.

90minuten: Welches Thema ist es, dass die Spieler aus kleineren Städten, kleineren Vereinen, ganz anderen Ecken der Welt in die Großstadt Wien kommen? Es ist doch auch verlockend: Jung, viel Geld,...

Klauß: Wir stellen den Spielern Verein, Historie und Stadt vor, sie sollen verstehen, was es heißt, für Rapid zu spielen. Für die meisten ist das cool. Sie wollen ein volles Stadion mit den vielen Fans und ihrer Unterstützung. Es ist nicht mehr so, dass sie diesen Verlockungen erliegen. Sie gehen heim, spielen Playstation, schauen auf's Telefon, essen, schlafen, kommen wieder her. Die Befürchtung halte ich also für überholt. Das war eine andere Generation; aber wir fragen schon im Umfeld nach, was er für ein Mensch ist, ob er Familienmensch ist, laut, leise, Führungsspieler.

90minuten: Im Winter kam Amane, der soll erst im Sommer ein Thema sein. Haben Sie bislang alle Spieler bekommen, die Sie wollten?

Klauß: Es muss bei uns so sein, dass wir etwas gemeinsam wollen. Ich gehe nicht mit einem Wunsch wohin, sondern es wird gemeinsam besprochen, ob auf einer Position etwas passieren muss, es Handlungsbedarf gibt, wir intern jemanden haben, der diese Rolle ausfüllen kann. Wenn wir dann entscheiden, dass wir einen Spieler brauchen, machen wir das. Es kann also noch sein, dass einer für die Offensive kommt.

90minuten: Gerade bei Stürmern könnte es ab Sommer ein Thema geben.

Klauß: Wir legen uns nicht auf das Sturmzentrum, sondern eher die Offensive, fest. Es kann sein, dass wir dort noch etwas machen. Man muss auch draufschauen, ob man jemanden für vier Monate oder über den Sommer hinaus holt. Das ist im Winter immer etwas schwieriger.

Es muss halt passen, auch hinsichtlich Mannschafts- und Gehaltsgefüge. Und parallel sehen wir auch die Entwicklung unserer eigenen, jungen Spieler. Das ist auch immer der erste Blick, wenn das einer mit einer gewissen Verlässlichkeit ausfüllen kann. Gibt es zu viele Fragezeichen – Schwankungen sind bei Jungen normal – überlegen wir, ob wir es extern besetzen.


Klauß freut sich über Siege gegen die Großen, denkt aber, dass der Switch Königsklasse-Bundesliga schwierig ist
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Klauß freut sich über Siege gegen die Großen, denkt aber, dass der Switch Königsklasse-Bundesliga schwierig ist

90minuten: Womit wir bei der Liga sind. Dass Sturm den Abgang der sportlichen Leitung so wegsteckt, die Austria so viele Punkte macht, Salzburg sehr klar einbricht, all das konnte man so nicht absehen oder erwarten. Was erwarten Sie von der Liga?

Klauß: Ich mache mir da grundsätzlich wenige Gedanken dazu. Aber wenn ich jetzt hier die Fakten auf den Tisch lege: Es gibt eine Mannschaft, die vorne dabei ist, nicht europäisch spielt und über den Erwartungen performt. Das liegt wohl auch daran, dass sie nicht alle drei Tage spielen, alle anderen tun das und in jeder Liga kostet das die Teams Punkte, wenn man immer an die eigene Grenze muss. Für eine Topmannschaft wie Bayern München wird es gegen Dinamo Zagreb oder Schachtar Donezk weniger intensiv sein, als wenn sie gegen Leverkusen oder Leipzig spielen. Für Sturm oder Salzburg ist jedes Königsklassenspiel anstrengender als alle Ligaspiele.

90minuten: Vor allem, wenn man fünf Gegentreffer erhält.

Klauß: Je nachdem, auch wenn man 1:1 spielt oder gewinnt. Um in der Champions League als österreichischer Klub überhaupt eine Chance zu haben, muss man da voll an die Grenze gehen. Die Conference League ist deutlich darunter, aber wenn wir gegen Braga, Başakşehir oder Kopenhagen spielen, müssen wir am äußersten Limit sein, um gewinnen zu können. Das nimmt automatisch Prozente für die Liga. Es ist nicht überraschend, dass die nicht jedes Spiel gewinnen.

90minuten: Sturm hat nur zwei Niederlagen.

Klauß: Sie haben eine Grundqualität und eine besondere Stärke ist, enge Spiele auf ihre Seite zu ziehen; durch Standardsituationen, Mentalität und Selbstverständnis, das sie sich über Jahre aufgebaut haben. Insofern überrascht mich das nicht.

90minuten: Hätten Sie gerne diese Qualität in Ihrer Mannschaft? Nach 32 Runden gewinnt am Ende ja der, der auch ein oder drei Punkte holt, wenn man eigentlich verlieren sollte.

Klauß: Natürlich gehören auch dreckige Siege dazu. Am liebsten wäre mir, wenn wir die Qualität erreichen, dass wir die Spiele verdient klar für uns entscheiden und nicht zu sehr darauf angewiesen sind.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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