Robert Ibertsberger: "Im Sport hat das nichts verloren"
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Robert Ibertsberger: "Im Sport hat das nichts verloren"

Der letzte Nationalteam-Lehrgang beim Kosovo war außergewöhnlich, die Mannschaft brach ein Nations-League-Spiel gegen Rumänien ab. Co-Trainer Robert Ibertsberger berichtet über seine Erlebnisse.

Als Assistent von Teamchef Franco Foda hat Robert Ibertsberger sein erstes Jahr im Kosovo erfolgreich hinter sich gebracht. Sportlich war das Trainergespann erfolgreich, in der Nations League geht es 2025 im Playoff um den Aufstieg aus Liga C.

Das große Thema des letzten Lehrganges hatte damit aber wenig zu tun: Nach beleidigenden Sprechchören der Heimfans bei einem Spiel in Rumänien verließ das kosovarische Nationalteam beim Stand von 0:0 kurz vor Spielende den Platz. Die Partie wurde abgebrochen und später von der UEFA als 3:0-Sieg für Rumänien gewertet, obwohl dem Verband gleichzeitig eine hohe Geldstrafe und ein Geisterspiel aufgebrummt wurde.



90minuten: Das große Thema in eurem letzten Nationalteam-Lehrgang war das letztendlich abgebrochene Auswärtsspiel in Rumänien. Wie hast du diesen Abend erlebt?

Ibertsberger: Wir waren als Trainerteam weiter weg von den Ultras hinter dem Tor und haben nicht alles mitbekommen, was hineingerufen wurde. Es war aber eigentlich von Beginn weg klar, dass der Respekt fehlt, wir wurden schon bei der Hymne laut ausgepfiffen. Mit der Zeit hat sich das Ganze weiter aufgeladen. Ein Teil eines Hartschalensessels wurde bis auf die 16er-Linie geworfen - wenn der einen Spieler trifft, hätte das eine schwere Verletzung verursacht.

Leider hat es ja schon im vergangenen Jahr in der EM-Quali ähnliche Vorfälle gegeben, die Spieler haben sich geschworen, nicht mehr auf den Platz zu gehen, um sich auf diese Art beschimpfen zu lassen. Bei ihnen sind diese Rufe wirklich hart angekommen, ich habe so etwas noch nie erlebt. Im Sport hat das nichts verloren. Wir als Trainerteam stehen jedenfalls voll hinter der Mannschaft.

Irgendwann muss einfach ein Zeichen dafür gesetzt werden, dass der kosovarische Fußball und das Land Kosovo akzeptiert werden soll.

Robert Ibertsberger

90minuten: Inwiefern ist es für euch als österreichische und deutsche Trainer in der Situation überhaupt nachvollziehbar, was da passiert?

Ibertsberger: Man hat es ja schon an den Reaktionen der rumänischen Spieler gemerkt, dass es da ein gewisses Fehlverhalten gegeben hat. Wenn sie den Fans deuten, dass sie sich beruhigen sollen, hat das einen Grund. Die Spieler selbst waren insgesamt auch sehr respektvoll und haben Verständnis gezeigt, ich beziehe mich da wirklich auf die Zuseher.

90minuten: Nach der Partie sind vor allem im Internet verschiedene Theorien im Umlauf gewesen, die euch andere Motive unterstellt haben.

Ibertsberger: Ich kann nicht bestätigen, dass es von unserer Seite Provokationen gegeben hat. Wir haben beim Hinspiel in Pristina schon mitbekommen, dass die Rumänen ausgepfiffen wurden. Damals wussten wir nicht genau, warum. Uns wurde erklärt, dass es in Rumänien auch so passiert ist. Das geht dann hin und her. Von rassistischen Beleidigungen war damals aber keine Rede. Irgendwann muss einfach ein Zeichen dafür gesetzt werden, dass der kosovarische Fußball und das Land Kosovo akzeptiert werden soll.

90minuten: Die Entscheidung vom Platz zu gehen ist von der Mannschaft gekommen? Es hat wahrscheinlich am meisten Aussagekraft, wenn die Spieler ihre Grenzen selbst ziehen.

Ibertsberger: Genau. Eine Viertelstunde vor Spielende sind die Gesänge immer lauter geworden. Obwohl der Schiedsrichter auf diese Situation vorbereitet war, hat er nicht reagiert. Dann hat unserer Kapitän mit der Mannschaft entschieden, dass wir den Platz verlassen. Davon waren wir auch kurz überrascht, in der Kabine haben wir dann darüber gesprochen. Es war für uns klar, dass wir als Trainerteam nicht versuchen, die Mannschaft davon zu überzeugen, die letzten Minuten herunterzuspielen, sondern, dass wir das als Statement annehmen. Das respektierten wir und stehen auch zu 100 Prozent hinter der Mannschaft.

Kosovo-Teamchef Franco Foda mit Robert Ibertsberger
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Kosovo-Teamchef Franco Foda mit Robert Ibertsberger

90minuten: Sportlich ist die Nations League für euch gut gelaufen, mit dem zweiten Platz habt ihr euch am Ende für das Playoff im Frühjahr qualifiziert.

Ibertsberger: Es wäre wahrscheinlich auch der erste Platz drinnen gewesen, was zu Beginn nicht viele zugetraut haben. Wir hätten einfach die paar Spiele mehr gebraucht, hinten hinaus haben wir viele positive Ergebnisse gesammelt. Man hat gemerkt, dass die Spieler daran glauben, dass wir ein gutes Konzept haben. Auch im letzten Spiel gegen Litauen haben wir es gut gemacht, trotz der Geschichte in Rumänien. Die Mannschaft hat um den Sieg gefightet und nach dem Schlusspfiff mit den Fans gefeiert. Man merkt, dass in diesem Jahr schon etwas passiert ist.

90minuten: Als Gegner im Playoff wartet Island. Wie geht ihr in diese Spiele?

Ibertsberger: Wir sind schon sehr positiv eingestellt, haben Rumänien auswärts gerade erst an den Rand einer Niederlage gebracht. Diese Mannschaft hat es immerhin ins Achtelfinale einer Europameisterschaft geschafft, das zeigt schon, dass wir Qualität haben.

90minuten: Auch die WM-Qualifikation wird bald ausgelost. Der Kosovo kommt dann aus dem vierten Topf, einfach wird es also auf keinen Fall. Wurde euch ein Ziel gesteckt?

Ibertsberger: Wir sollten uns schon vornehmen, um das Playoff mitspielen zu können. Wenn wir noch den ein oder anderen Spieler für uns gewinnen können, sind wir auch in der Breite gut aufgestellt. Wir sollten realistisch bleiben, dürfen uns aber schon gewisse Ziele stecken.

In der Vergangenheit hat der Plan vielleicht gefehlt, dann ergreifen Spieler oft die Selbstinitiative.

Robert Ibertsberger

90minuten: Die individuelle Qualität im Kader ist schon bemerkenswert, bisher hatte der Kosovo aber immer Probleme damit, konstant Erfolge zu feiern. Hast du dafür eine Erklärung?

Ibertsberger: Der Verband hat uns geholt, damit der nächste Schritt in der Entwicklung gemacht werden kann. Damit das auf dem Platz funktionieren kann, hat es noch mehr Disziplin und bestimmte Regeln gebraucht. In der Vergangenheit hat der Plan vielleicht gefehlt, dann ergreifen Spieler oft die Selbstinitiative. Ich erinnere mich an unser zweites Spiel, da hatten wir gegen Ungarn gemeinsam einen positiven Aha-Effekt. Wir haben auswärts über 60 Minuten eine gute Leistung gebracht. Obwohl wir am Ende unglücklich verloren haben, sind alle mit einem guten Gefühl heimgefahren, weil sie gemerkt habe, dass das funktionieren kann.

90minuten: Bis zum nächsten Länderspiel dauert es jetzt einige Monate. Was machst du in der Zwischenzeit?

Ibertsberger: Es ist nicht so, dass wir durchgehend in Österreich sind. Wir finden über ganz Europa verteilt immer wieder junge Spieler, deren Eltern aufgrund des Krieges ausgewandert sind. Teilweise ist es auch schon die zweite oder dritte Generation, die wir für uns gewinnen wollen. Dann gibt es auch noch die Liga im Kosovo zu beobachten.

90minuten: Mit Vesel Demaku habt ihr ja auch gerade erst einen Spieler aus Österreich dazubekommen…

Ibertsberger: Da waren wir schon länger dran, es ist aber gar nicht so leicht, diese Einbürgerungen schnell umzusetzen. Ich kenne ihn gut und weiß, was wir von ihm erwarten können. Gerade auf seiner Position hatten wir noch Bedarf, bis zum nächsten Lehrgang im März wird die Spielberechtigung dann auch da sein.

Wenn ein Spieler sich für ein Land entscheidet, wird er seine Gründe dafür haben. Wir müssen uns um jeden Spieler bemühen.

Ibertsberger über Nationenwechsel

90minuten: Das heißt, ihr als Trainerteam habt eine sehr aktive Rolle, wenn es darum geht, Spieler zu überzeugen?

Ibertsberger: Je besser wir mit der Mannschaft unterwegs sind, umso interessanter kann das für Spieler werden, die sich noch entscheiden können. Gegen Zypern hat ein Eliot Bujupi aus Stuttgarts U19 debütiert, der auch die Möglichkeit gehabt hätte, für Deutschland zu spielen. Das sind schon positive Signale für uns, die zeigen, dass etwas möglich ist. Wir müssen das einfach aktiv angehen.

90minuten: In Österreich wird das Thema Nationenwechsel immer wieder kontrovers diskutiert, weil dem ÖFB ja auch schon der ein oder andere Spieler abgeworben wurde, was natürlich bitter ist.

Ibertsberger: Klar, auf der anderen Seite muss man das aber einfach akzeptieren. Wir machen keinen Druck auf die Spieler, das sollte man auch nicht tun. Wenn ein Spieler sich für ein Land entscheidet, wird er seine Gründe dafür haben. Wir müssen uns um jeden Spieler bemühen. Der Kosovo hat viel weniger Einwohner als Österreich, die Auswahl ist dementsprechend kleiner. Es muss auch in der Nachwuchsarbeit und Trainerausbildung noch viel passieren, einiges steckt noch in den Kinderschuhen. Deswegen sind wir viel im Ausland unterwegs.

90minuten: Von außen ist das immer schwer zu beurteilen, wahrscheinlich werden solche Entscheidungen auch einfach nicht immer glücklich kommuniziert. Wenn du selbst in solchen Gesprächen sitzt, hast du wahrscheinlich einen anderen Eindruck.

Ibertsberger: Da gibt es im Hintergrund viel, das miteinbezogen werden muss - nicht nur den Spieler selbst, sondern auch seine Familie und deren Situation. Das ist bei uns ein großes Thema. Es kommt auch vor, dass von anderen Verbänden etwas versprochen wird. Das zieht schon alles große Kreise.

Der Schritt ins Ausland war ein großes Ziel von mir. In Österreich habe ich viel mitgemacht und mitmachen dürfen.

Robert Ibertsberger

90minuten: Weil du Nachwuchsarbeit und die Trainerausbildung angesprochen hast: Sind das Dinge, in die ihr euch auch einbringen sollt?

Ibertsberger: Für uns war ein erster Schritt, die U-Nationaltrainer mehr ins Boot zu holen. Wir haben eine interne Sitzung mit ihnen gemacht, um zu erklären, wie wir spielen wollen und was wir vorhaben. Das hat zu tiefgehenden Gesprächen geführt und ist wirklich gut angekommen, weil das noch nie ein Teamchef mit ihnen gemacht hat. Uns war im ersten Jahr wichtig, gut mit der Mannschaft zu arbeiten. Danach können wir uns mit anderen Themen beschäftigen. Es ist ein kleines Land, auch ein ärmeres Land, das muss man schon sagen. Der Sport ist ein wichtiges Element und die Leute sollen merken, dass wir nicht nur das sind um lustig zu sein, sondern etwas bewegen wollen.

90minuten: Nach einem Jahr bei einem Nationalteam: Wie siehst du deine Zukunft? Reizt dich diese Arbeit mehr als die, bei einem Verein?

Ibertsberger: Der Schritt ins Ausland war schon ein großes Ziel von mir. In Österreich habe ich viel mitgemacht und mitmachen dürfen. Von anderen Angeboten einmal abgesehen war es schon sehr spannend, mit einem A-Nationalteam arbeiten zu können, für mich war das keine große Überlegung. Ich kenne Franco, habe früher noch mit ihm gespielt und darf auch auf dem Platz viel machen. Natürlich kann ich mir vorstellen, in Zukunft wieder einmal Cheftrainer zu sein. Wer weiß, vielleicht ergibt sich auch für uns als Trainerteam in den nächsten Jahren einmal eine andere reizvolle Aufgabe. Ich lasse mir das alles offen. Wenn du die Möglichkeit hast, dich für eine WM zu qualifizieren, ist das schon viel wert. Auch der Schritt zurück in die zweite Reihe war für mich kein Problem. Ich kann hier mit sehr guten Spielern auf hohem Niveau arbeiten, wir haben gesehen, dass sehr viel möglich sein kann. Es gibt momentan überhaupt keinen Grund, an etwas anderes zu denken.



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