Der SV Stripfing ist Geschichte - und Konstantin Kerschbaumer hat sie miterlebt. Für 14 Monate war er fixer Bestandteil – eine Zeit voller sportlicher Höhepunkte, aber auch Enttäuschungen.
In einer "Zwarakonferenz Spezial" spricht Kerschbaumer offen über das Chaos rund um den Klub, die Schicksale seiner Mitspieler und warum er sagt: "So etwas soll es nicht mehr geben."
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90minuten: Wie geht es dir?
Konstantin Kerschbaumer: Es sind gemischte Gefühle. Einerseits das Aus in Stripfing, ich bin jetzt arbeitslos und habe Urlaub, andererseits bin ich zum dritten Mal Papa geworden und habe jetzt Zeit für die Kinder und meine Frau. Aber es ist schon komisch, normalerweise würden wir jetzt alle vor dem Training auf einen Kaffee sitzen. Dass es so schnell aus ist, das hatte keiner am Zettel. Dass es im Winter enden könnte, war schon länger ein Thema.
90minuten: Wie hast du die letzten Wochen und Tage erlebt?
Kerschbaumer: Die Gehälter waren ausständig, wir haben gedacht, der Verein kriegt das schon hin. Nach und nach haben wir gemerkt, dass es Probleme gibt. Es waren viele Fragezeichen da. Wir wussten nicht, wie wir damit umgehen. Aber wir haben als Mannschaft gemeinsam mit dem Trainerteam und dem Sportdirektor einen Weg gefunden, damit umzugehen, wollten sportlich erfolgreich sein und am Platz unser Bestes geben.
90minuten: Wie ist die Kommunikation seitens des Vereins gelaufen?
Kerschbaumer: Es war schwierig, eine direkte Kommunikation zu haben. Sportdirektor Alex Grünwald hat sich jeden Tag ins Zeug gelegt, hat sich sehr aufgerieben. Aber zu den Vereinsverantwortlichen einen Draht zu finden, war sehr schwierig. Nach längerer Zeit war dann einmal einer da. Wir hatten nie richtige Infos.
Es war irgendwie wie ein letzter Schultag. Jeder nimmt seine Sachen, verabschiedet sich.
90minuten: Besonders für jüngere Spieler, die sich in ihrem Leben bisher keinen finanziellen Polster erarbeiten konnten, muss es extrem schwierig gewesen sein, kein Gehalt zu bekommen.
Kerschbaumer: Da geht es darum, für Essen zu sorgen – wir haben vom Verein nichts bekommen. Du musst Miete zahlen, das ist irgendwann nicht mehr möglich.
90minuten: Es gab einige Legionäre, die kein Deutsch sprechen. Wie ist es denen gegangen?
Kerschbaumer: Wahrscheinlich war es für sie noch schwieriger. Aber auch das waren Typen, die die Ärmel aufgekrempelt und weiter Gas gegeben haben. Da gab es kein Gejammer. Die sind so weit weg von daheim und hatten trotzdem jeden Tag die Motivation, ihr Bestes zu geben.
90minuten: Wie war der letzte Tag?
Kerschbaumer: Sehr komisch, irgendwie wie ein letzter Schultag. Jeder nimmt seine Sachen, verabschiedet sich. Es war kurios, ich habe so etwas noch nie erlebt. Normalerweise bist du auf so einen Abschied vorbereitet. Es war emotional, weil wir als Gruppe zusammengewachsen sind.
90minuten: Machst du dem Verein Vorwürfe, dass euch nicht früher reiner Wein eingeschenkt wurde.
Kerschbaumer: Ja. Ich bin in einem fortgeschrittenen Alter, für mich ist das weniger schlimm. Aber nimm einen Jungen mit 21 Jahren her. Du hast die Möglichkeit, zwischen zwei, drei Vereinen in der Liga zu wählen und entscheidest dich für Stripfing, weil dich ein super Sportdirektor und ein super Trainer überzeugen. Dann wohnst du in Wien, was finanziell auch nochmal ein Unterschied ist. Und dann ist es nach zwei, drei Monaten aus. Das ist sehr unangenehm – sportlich und finanziell. Das ist traurig.
90minuten: Wie war es, für einen Klub zu spielen, der kein Zuhause hat?
Kerschbaumer: Das war eine ganz eigentümliche Konstellation. Wir haben uns in der Generali Arena sehr wohl gefühlt. Mit der Spielstätte FAC war das schon sehr ungewohnt. Man musste sich bei diesem Verein auf sehr viel einstellen.
90minuten: Haben Konstrukte wie der SV Stripfing im österreichischen Profi-Fußball noch etwas verloren?
Kerschbaumer: Ganz klar, nein! So etwas soll es nicht mehr geben.
Ich habe wieder richtig Spaß am Fußball.
90minuten: Warst du jemals in Stripfing?
Kerschbaumer: Einmal, als wir im Sommer ein Testspiel hatten.
90minuten: Hast du Erich Kirisits jemals gesehen?
Kerschbaumer: Nein, nie.
90minuten: Wie geht es für dich persönlich weiter?
Kerschbaumer: Ich bin fit und habe wieder richtig Spaß am Fußball. Ich will weiterspielen und führe auch schon Gespräche. Außerdem habe ich schon einen Plan, was ich beruflich machen werde, wenn ich in den Amateur-Bereich gehe. Die Tendenz geht in den Amateur-Bereich, um dort mit einem Verein etwas aufzubauen.
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Harald Prantl