Christoph Klarer zum ÖFB? "Habe Argumente, die für mich sprechen"
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Christoph Klarer zum ÖFB? "Habe Argumente, die für mich sprechen"

Zuletzt stand Christoph Klarer Anfang 2023 auf der Nationalteam-Abrufliste. Seine Karriere hat seitdem ordentlich Fahrt aufgenommen: Bei Birmingham City ist er mit 25 Jahren Kapitän und Führungsspieler.

In den Augen vieler hat Christoph Klarer im Sommer 2023 seine eigene Karriere geknickt. Nach seiner ersten Saison in der Deutschen Bundesliga zog es den Innenverteidiger zu Birmingham City in die englische League One - dort wartete zwar eine ambitionierte Investorengruppe um Milliardär Tom Wagner und Tom Brady, sportlich aber eben auch die Drittklassigkeit.

Das genommene Risiko hat sich für Klarer aber bezahlt gemacht: Anders als anderen gestürzten Traditionsvereinen gelang Birmingham City der Aufstieg als Meister. In dieser Saison spielt der 25-Jährige in der Championship und hat sich als tragende Säule in seiner Mannschaft etabliert, im Sommer wurde Klarer - ein Jahr nach seinem Wechsel - zum Kapitän befördert.

Für den Verein soll es eher früher als später zurück in die Premier League gehen, vor dem Boxing Day steckt er allerdings in einer kleinen Krise. 90minuten hat mit Christoph Klarer über die nächsten Wochen und seine persönliche Zukunft gesprochen.

90minuten: Während sich die meisten anderen Ligen in die Winterpause verabschiedet haben, läuft die Championship weiter. Wie geht es dir damit?

Klarer: Wir haben vor kurzem erst zwei Auswärtsspiele hintereinander gehabt, da wird es schnell richtig anstrengend. Das Programm in der Championship ist schon sehr extrem, rund um Weihnachten spielen wir alle paar Tage. Aber das gehört hier einfach zu den Feiertagen dazu, die Stadien sind um den Boxing Day und Neujahr voll. Rund um uns fährt alles herunter, aber für den Verein ist es eine wirklich wichtige Phase. 

Rund um uns fährt alles herunter, aber für den Verein ist es eine wirklich wichtige Phase.

Klarer über Fußball zwischen den Feiertagen

90minuten: Die Playoffs sind für euch noch in Reichweite. Als Aufsteiger würde man sich normalerweise mit einem gesicherten Mittelfeldplatz zufriedengeben, auf mich wirkt es so, als wäre das in Birmingham aktuell eher eine Enttäuschung. Wie schätzt du die Stimmung aktuell ein?

Klarer: Wenn wir nach jedem Ergebnis in Panik verfallen oder in Jubel ausbrechen, machen wir uns nur selber verrückt. Die Liga ist unfassbar ausgeglichen, von 24 Vereinen wollen wahrscheinlich 18 gerne aufsteigen. Deswegen sind die Erwartungen und das Investment bei uns und überall so groß. Normalerweise könnte man schon sagen, dass wir als Aufsteiger eine Top-Saison spielen, weil wir uns im Mittelfeld etabliert haben. Mit unserem Kader gehen die Ansprüche aber eher in Richtung Playoffs. Wirklich entscheiden wird sich das erst im Mai, wir wollen aber auch jetzt nicht an Boden verlieren.

90minuten: Im Sommer wurde eine Serie veröffentlicht, die eure Aufstiegssaison dokumentiert hat. Darin wird der Verein oft als "Underdog" präsentiert, der die eigenen Fans in den Jahren davor immer wieder enttäuscht hat. Seit dem Eigentümerwechsel kann davon aber eigentlich keine Rede mehr sein, oder?

Klarer: Ich glaube nicht, dass es uns noch jemand abkauft, wenn wir uns als Underdog bezeichnen. Wichtig war, dass sich mit dem Eigentümerwechsel auch die Einstellung innerhalb des Vereins geändert hat. Wir wollen uns nicht mit dem Minimum zufriedengeben, haben Ansprüche an uns selbst. Ich glaube, dass sich die Stadt und der Verein glücklich schätzen können, dass sich diese Leute hier engagieren. Dass es zwischendurch ein Auf und Ab geben wird, sollte aber auch allen bewusst sein. 

Als Underdog kann man Birmingham City inzwischen nicht mehr bezeichnen
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Als Underdog kann man Birmingham City inzwischen nicht mehr bezeichnen

90minuten: Für dich ist das alles - die hohen Erwartungen und der große Druck - ja auch nicht komplett neu. Überwiegt dann rund um den Boxing Day trotz allem Stress die Vorfreude, oder wäre dir inzwischen eine kurze Pause lieber?

Klarer: Ich finde es cool, diese Fußball-Traditionen zu zelebrieren. Herausfordernd ist es natürlich - ich will auch Zeit mit meiner Familie verbringen, sie kommt über Weihnachten nach England. Auf dem Platz müssen wir aber sicherstellen, dass alle den Fokus hochhalten. Eine Pause tut jedem Fußballer gut, aber wir haben ja schon vor der Saison gewusst, dass es Phasen wie diese geben wird.

90minuten: Bis jetzt hast du keine Championship-Minute verpasst, neben dir ist das nur fünf anderen Feldspielern gelungen. Im Fußball wird inzwischen oft über das hohe Verletzungsrisiko gesprochen, das zu dichte Spielpläne mit sich bringen. Wie gehst du mit der Belastung um?

Klarer: Da bin ich schon stolz darauf, dass ich in meiner bisherigen Karriere körperlich und mental immer in der Lage war, so viele Spiele zu machen. Dafür arbeite ich auch vor und nach den Spielen, gerade in Phasen wie dieser. In Birmingham haben wir auch eine tolle Physioabteilung, das trägt einen Teil bei. Natürlich gehört dann am Ende ein bisschen Glück dazu. Es wäre auch gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich nie Schmerzen habe. Bis jetzt ist es mir aber immer gelungen, trotzdem auf dem Platz zu stehen. Als Kapitän möchte ich immer für das Team da sein können.

90minuten: Du hast gerade deinen Vertrag erst vor kurzem verlängert, obwohl das eigentlich nicht dringend notwendig gewesen wäre. Statt bis 2027 läuft er jetzt bis 2029, nur einer deiner Teamkollegen ist noch länger an den Verein gebunden. Warum habt ihr das jetzt schon gemacht?

Klarer: Es hat gerade gut für beide Seiten gepasst. Ich habe jetzt eine größere Rolle abseits des Platzes übernommen und konnte bisher gute Leistungen zeigen. Es unterstreicht einfach, dass der Verein mir vertraut und dass ich auf der anderen Seite bereit bin, einige meiner besten Jahre in Birmingham zu verbringen. Zurücklehnen werde ich mich trotz der langen Laufzeit aber nicht, es ist viel mehr eine zusätzliche Motivation, um mich noch einmal mehr hineinzuhängen.

Was außerdem für das Projekt hier spricht ist, dass ich mit einem - wie ich finde - Elite-Trainer arbeiten kann.

Christoph Klarer

90minuten: Im Rahmen der Verlängerung hast du erklärt, dass es dir wichtig war, vorher mit den Eigentümern zu sprechen, um sicherzustellen, dass sie auch in Zukunft Schritte setzen wollen, um den Verein weiterzuentwickeln. Was genau wolltest du von ihnen hören?

Klarer: Für mich als Spieler ist natürlich wichtig, wie die Trainingsbedingungen aussehen. Uns fehlt es hier an nichts. Dass zusätzlich der Wille da ist, den Verein weiterzuentwickeln, sieht man am Stadionprojekt. Was außerdem für das Projekt hier spricht ist, dass ich mit einem - wie ich finde - Elite-Trainer (Anm.: Chris Davies) arbeiten kann. Das waren schon sehr gute Argumente für eine Vertragsverlängerung.

90minuten: Ich nehme an, dass es auch eine kleine Belohnung dafür war, wie früh du in dieses Projekt eingestiegen bist. Der Wechsel in die League One hat letztes Jahr viele überrascht - wie wichtig ist es dir, den begonnen Weg auch wirklich bis zum Ende mitzugehen?

Klarer: Meine erste Bundesliga-Saison mit Darmstadt war gerade vorbei, die League One ist eigentlich nicht der logische nächste Schritt. Andere Vereine haben nach dem Abstieg auch viel Geld investiert, sind dann aber trotzdem stecken geblieben. Es ist viel an den Gesprächen mit dem Sportdirektor und dem Trainer gehangen, die sofort einen sehr professionellen Eindruck gemacht haben. Bis jetzt habe ich den Wechsel hierher nicht bereut. 

90minuten: Wenn man mit Spielern spricht, ist oft die Rede von großen Zielen, Titel in der Champions League oder den größten Ligen. Für Birmingham ist es noch ein weiter Weg, bis der Verein ein Wort um solche Dinge mitreden kann. Wie viel Wert hat das für dich?

Klarer: Natürlich ist man als Fußballer ambitioniert und versucht, so weit nach oben wie möglich zu kommen. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, im Hier und Jetzt zu bleiben. Das ist auch die beste Strategie für den Verein. Dass das langfristige Ziel der Aufstieg in die Premier League ist, wissen wir. 

Jetzt schon große Versprechen für die Zukunft abzugeben, kann im Fußball schnell nach hinten losgehen.

Klarer über seine weitere Karriere

90minuten: Du hast es vorher angesprochen: Mit dem neuen Vertrag bindest du dich für einige der besten Jahre deiner Karriere an Birmingham. Wärst du am Ende deiner Karriere unzufrieden, wenn dir und euch das Aufschließen zu den großen Vereinen nicht gelingt, du aber hier über Jahre eine tragende Rolle einnehmen konntest?

Klarer: Man darf die Strahlkraft dieses Vereins nicht unterschätzen. Das Stadion ist jede Woche voll, mit unseren Eigentümern haben wir immer die Chance, weitere Schritte zu machen. Jetzt schon große Versprechen für die Zukunft abzugeben, kann im Fußball schnell nach hinten losgehen. Ich habe mich bisher gut entwickelt und viel von meinem Trainer gelernt, jetzt bin ich 25 und habe noch einige Jahre vor mir. Wir haben uns gerade noch einmal auf eine langfristige Zusammenarbeit geeinigt, jetzt stecken wir in einer Saison, die uns viel abverlangt. Im Idealfall bleiben wir im Rennen um die Playoffs dabei und steigen am Ende in die beste Liga der Welt auf. Alles andere ist Zukunftsmusik.

90minuten: Ich hätte die Frage so nicht gestellt, wenn du in Birmingham nicht auf einem sehr guten Weg wärst. Du hast im Sommer die Kapitänsbinde übernommen, das wird nicht leichtfertig entschieden. Wenn es nach den Fans geht, hast du das Potenzial, eine Vereinsgröße zu werden. 

Klarer: Es ist eine sehr schöne Wertschätzung, wenn man nach einem Jahr bei einem Verein die Kapitänsbinde bekommt. In England dreht sich alles um Fußball, im Umfeld steckt viel Leidenschaft - es ist mir bewusst, dass man damit viel Verantwortung und Erwartungen auf meine Schultern legt. Mich macht das enorm stolz.

90minuten: Das gewaltige Stadionprojekt hast du schon angesprochen, fertig werden soll es 2030. Was sagst du zu den Plänen? Um wirklich darin spielen zu können, müsstest du ja noch einmal verlängern…

Klarer: Mir war bewusst, dass die Verantwortlichen gute Pläne in der Hand haben werden, wenn sie dieses Vorhaben wirklich anstoßen. Was uns jetzt präsentiert wurde, ist natürlich einzigartig. Birmingham ist eine Arbeiterstadt, die zwischen Manchester und London liegt und deswegen vielleicht hin und wieder übersehen wird. Für den Verein und die Stadt selbst ist dieses Projekt unfassbar wertvoll.



90minuten: Wir haben schon vor einem Jahr miteinander gesprochen, damals hast du betont, dass das Nationalteam ein Ziel von dir ist und bleibt. Hast du das Gefühl, diesem Ziel näher gekommen zu sein? Fühlst du dich in der Championship eine Spur mehr gesehen als vorher? 

Klarer: Als Kapitän in der Championship habe ich mit Sicherheit Argumente, die für mich sprechen. Es ist eine der besten Ligen der Welt. Wenn man von der U15 bis zur U21 alle Nationalteams durchläuft, bleibt der Traum vom A-Team natürlich. Wir haben in Österreich viele gute Innenverteidiger, das ist auch gut so. Ich kann dem Teamchef mit meinen Leistungen die Entscheidung so schwer wie möglich machen, treffen muss sie dann aber er mit seinem Team.

90minuten: In deiner Nachwuchsteam-Karriere, hast du unter anderem auch die U17 als Kapitän aufs Feld geführt. Hast du die Weltmeisterschaft verfolgt?

Klarer: Ich habe versucht, so viele Spiele wie möglich anzuschauen. Für die Jungs und für den österreichischen Fußball ist es eine tolle Sache, weil wir uns unser Standing im Vergleich zu den großen Nationen immer noch hart erarbeiten müssen. Auch für Hermann Stadler freut es mich sehr, unter ihm habe ich auch lange gespielt.

90minuten: Wie hast du ihn und diese Zeit in Erinnerung?

Klarer: Während der WM habe ich mit vielen Kollegen von damals darüber gesprochen, wie schnell die Zeit vergeht. Bei meinem ersten Nationalteam-Spiel war er mein Trainer. Er hat vielen von uns dabei geholfen, die ersten Schritte im Team-Trikot zu gehen. Es freut mich, dass er das immer noch macht und Erfolg hat. Auch den Betreuerstab muss man erwähnen, der zum Teil schon seit Jahren gute Arbeit leistet. 

90minuten: Du hast damals zum Beispiel mit Thierno Ballo und Romano Schmid zusammen gespielt, andere Kollegen haben ihre Karrieren früh beendet. In den letzten Wochen wurde viel darüber diskutiert, wie weit der Weg für einen U17-Nationalspieler noch ist. Welche Steine musstest du damals noch aus dem Weg räumen?

Klarer: In meiner Erinnerung sind die größten Herausforderungen die körperliche Komponente und der Druck, der mit dem Schritt in den Erwachsenenfußball ins Spiel kommt. Es ist schon nicht einfach, überhaupt in eine Nachwuchsakademie zu kommen. Später bleibt nur ein kleiner Prozentsatz übrig, der wirklich sein Geld mit Fußball verdienen kann. Die Jungs werden ihren Weg gehen und haben in ihrem Leben und ihrer Karriere noch viel vor sich.


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