Vienna: (K)ein Aufstieg um jeden Preis?
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Vienna: (K)ein Aufstieg um jeden Preis?

Die Vienna will zurück in die Bundesliga. Kurzfristig braucht der älteste Verein des Landes einen Trainer, mittelfristig den Titel - und langfristig ein modernes Stadion. Wie und um welchen Preis soll das gehen, Herr Präsident Kurt Svoboda?

Der First Vienna FC ist der älteste Fußballverein des Landes, außerhalb von Döbling aber seit vielen Jahrzehnten nicht mehr der relevanteste. 1991/92 kickten die Blau-Gelben letztmalig erstklassig. 2002 musste man das erste Mal seit 1894 in die dritte Spielklasse, 2017 ging es in Folge einer Insolvenz gar in die fünfte Liga.

Alles längst Vergangenheit, vor allem für Kurt Svoboda. Der Finanz- und Risikovorstand von Hauptsponsor UNIQA ist seit 2022 Präsident und sieht, dass sein Verein derzeit in Schlagdistanz zu Tabellenführer Admira liegt. Vielleicht ist man ja der lachende Dritte, wenn die gut gestarteten Südstädter sowie Aufstiegsfavorit SV Ried auslassen.

Drei Traditionsvereine im Titelkampf

"Zu Beginn der laufenden Saison war ich aber unzufrieden und durchaus ratlos", erklärt er beim Interview mit 90minuten. Die letzte Saison war nämlich gut, die Vorbereitung gut, die Trainingsqualität hoch – und damit auch die Erwartungshaltung. Der Start war holprig, mit nur einem Sieg aus den ersten vier Spielen bei einem Remis und zwei Niederlagen.

"Wir haben zu viele Gegentore bekommen und das hat uns einiges gekostet. Wir mussten Geduld haben", führt er aus. Diese Tugend ist nicht unbedingt etwas, mit dem die Vienna grundsätzlich gesegnet ist, weswegen es in seine Richtung auch Kritik gab. Am Ende sollte er recht behalten.

Wenn wir gegen Ried daheim gewinnen und Liefering positiv gestalten, wird das dann eher ein Titelkampf zwischen drei Traditionsvereinen.

Kurt Svoboda

Insofern spricht er gewissermaßen eine Herausforderung in Richtung Admira und Ried aus: "Wenn wir gegen Ried daheim gewinnen und Liefering positiv gestalten, wird das dann eher ein Titelkampf zwischen drei Traditionsvereinen. Wir sind startklar dafür."

Aber Achtung!

Bekanntlich zählt für den Aufstieg in 2. Liga und Bundesliga nicht nur das Sportliche, sondern auch Personal, Infrastruktur und Wirtschaft. Wird man tatsächlich Meister, hätte man mit dem letzten Punkt kein Problem. Die Vienna erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 5,5 Mio. Euro, fast ein Fünftel mehr als im Jahr davor. Fremdmittel gibt es keine, die Eigenkapitalquote liegt bei 19 Prozent, insgesamt eine solide Basis für langfristige Planung. Hierbei steht man sogar besser da als letztes Jahr, auch da gab es die Bundesliga-Lizenz.

Ein Problem tut sich hinsichtlich Trainer auf. Mehmet Sütcü ist aktuell nur im A-Lizenz Kurs. "Wir brauchen dann einen Trainer mit der richtigen Lizenz", meint er, "im Winter ist genug Zeit, da eine Konstellation zu finden, um mit dem bestehenden Trainerteam und einem neuen Mann zusammenzuarbeiten."

Das habe man Sütcü stets offen kommuniziert. Während man einen Trainer recht schnell verpflichten kann, ist der Umbau der Naturarena Hohe Warte eine längerfristige Angelegenheit und auf Sicht für das Bundesliga-Comeback notwendig.

Derzeit läuft es gut für die Vienna
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Derzeit läuft es gut für die Vienna

Es braucht ein Ausweichstadion

Aber: "Innerhalb von sechs Monaten bekomme ich kein neues Stadion und auch nicht die uns aktuell fehlenden Themen wie Licht, Rasenheizung oder zusätzlich überdachte Zuschauerplätze." Gemeinsam mit der Stadt Wien wolle man den "gemeinsamen Weg in Richtung Entwicklung der Hohen Warte neu gehen". Kurz und knapp: Klappt es mit dem Titel, brauchen die Blau-Gelben ein Ausweichstadion.

So viele Möglichkeiten dafür gibt es in Wien und Umgebung ohnehin nicht. Kann es jedoch wirklich Sinn der Sache sein, dass die Vienna dann ab kommendem Sommer in Favoriten, der Südstadt oder St. Pölten spielt?

"Der Einwand ist berechtigt. Wenn wir nicht auf der Hohen Warte spielen können, kann diese temporäre Lösung nur einen realistischen Zeithorizont haben – und: finanziell muss es auch passen", entgegnet er, "es bringt ja nichts, wenn Fans und Stakeholder hin und her gekarrt werden und wir dann am Aufwand scheitern. Wir werden diese Brücke überschreiten, wenn wir da sind; sprich wir warten bis März."

Kein Erzwingen

Nachhaltige Entwicklung stehe hierbei über dem kurzfristigen Erfolg. Vor allem braucht es zunächst Geld, um die Naturarena zu renovieren. Das könne der Verein ohnehin nie selbst stemmen. Die Größenordnung: "Die Vienna war nie in der Situation, ein 15.000er-Stadion zu fordern. Wir hoffen zwar, dass wir vor so vielen Menschen spielen, aber vermutlich nicht nachhaltig, weswegen man solche Spiele auch woanders machen kann. Zahlen will ich nicht nennen."

Es geht um Steuergelder und darum, dass wir nicht die einzigen sind, die eine Investition in eine Sportstätte wollen.

Kurt Svoboda

Denn dieser Ball liege bei der Stadt, die ohnehin gerade dem Wiener Sportclub ein UEFA-Kategorie 2-Stadion baut. Die Stadt werde hoffentlich bis Ende des Jahres entscheiden, wie saniert und/oder erweitert wird.

Eines scheint klar, nämlich, dass das Stadion leist- und verwertbar sein muss, also nicht überdimensional: "Ich denke, wir bereiten ein gutes Miteinander mit der Stadt vor. Es geht um Steuergelder und darum, dass wir nicht die einzigen sind, die eine Investition in eine Sportstätte wollen. Das muss alles gut geplant werden."

Kooperation ist gefragt

Und wenn es öffentliche Gelder gibt, dann kann der Verein nicht vorgeben, dass nur die eigenen Herren- und Frauenteams dort kicken dürfen. Er geht davon aus, dass die Anlage in den Naturpark hineinpasst und wie bisher anderen Vereinen und Sportarten ebenfalls zur Verfügung steht.

Auch in anderen Punkten gibt es Zusammenarbeit. Im Nachwuchs etwa mit Liefering. "Es sollen bei einer Kooperation beide etwas davon haben", sagt er und erklärt, "wir können unseren Jungen etwas bieten, um von unserer Akademie zu Red Bull zu gehen. Zudem lernen wir viel von den Salzburgern, hinsichtlich Training oder Professionalismus. Sie haben den Vorteil, dass wir das Scouting in Wien und Umgebung abdecken."

Von einer Kooperation wie etwa mit Liefering sollen beide Seiten profitieren
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Von einer Kooperation wie etwa mit Liefering sollen beide Seiten profitieren

Die Kooperation mit Bayern München hingegen ist auf wirtschaftlicher Ebene, bei Prozessen und Administration. Für ihn sind das Weiterbildungsmöglichkeiten, die die Attraktivität auch abseits des sportlichen Erfolges vorantreiben. Wichtig aber: "Eigenständigkeit. Die Vienna soll kein Satellitenverein sein, wir kopieren auch keine Philosophie und haben unsere eigene DNA, Werte sowie Kultur."

Wie bewegt man sich in diesem Umfeld?

Das sehen nicht alle so. Andere Klubs ermöglichen, erkaufen oder erschummeln sich durch Investoren und strategische Partnerschaften Erfolg – die Lesart kommt darauf an, wen man fragt. Wäre das für den ältesten Sportverein des Landes, der gerade das nicht will, nicht schon genug, sind die vordersten Plätze in der Bundesliga in neun von zehn Spielzeiten an die bekannten Namen vergeben.

Ist das nicht eine deprimierende Aussicht? "Ich bin Manager eines Unternehmens und es gibt wenige Leute, die sich an einem Fußballverein für freien Eintritt und gratis Bier beteiligen. Und von der Tradition können wir uns auch nichts kaufen."

Er erhofft sich bei einem allfälligen Aufstieg schon, dass mehr Geld zur Verfügung steht, rechnet damit, in der höchsten Spielklasse Budget-mäßig im Mittelfeld mitspielen zu können.

Mir liegt der Frauensport wirklich am Herzen, wir 'entwickeln' hier viele Spielerinnen, bei der U20-WM waren sieben Vienna-Kickerinnen dabei, wir sind in der Tabelle vorne mit dabei und haben erstmals Champions League gespielt.

Kurt Svoboda

Dann werde man sehen, was möglich ist: "Das ist ja nichts Schlechtes und ich muss mich nicht vor Investoren oder strategischen Partnern fürchten. Wer kann mir zwei österreichische Vereine nennen, wo so eine nachhaltige Entwicklung mit Investoren kontinuierlich nach oben geht? Mir fällt keiner ein."

Nicht nur die Männer sehen

Mehr Geld wünscht sich vermutlich auch der Ex-Vienna-Sportchef Markus Katzer. Die Döblinger, so Svoboda abschließend, wollen nicht vergessen, wo sie herkommen. Und das bedeutet für die letzten Jahrzehnte: Unterhaus. Am Ende braucht es ja auch nicht so viel. Auch Hartberg spielt schönen Fußball. Bald übrigens in einem neuen Stadion, womit sich der Kreis etwas schließt.

Aber nicht ganz. Denn Svoboda merkt abschließend noch an: "Ich will noch etwas sagen: Mir liegt der Frauensport wirklich am Herzen, wir 'entwickeln' hier viele Spielerinnen, bei der U20-WM waren sieben Vienna-Kickerinnen dabei, wir sind in der Tabelle vorne mit dabei und haben erstmals Champions League gespielt. Das - und auch das Special Needs-Team - erfüllt mich als Präsident mit Stolz."

Irgendwann im Zuge des Gesprächs sagte er, dass man nicht "auf Biegen und Brechen" aufsteigen muss. Es geht im Fußball eben nicht nur um den Erfolg der ersten Männermannschaft.


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