Pressing, Klarheit, Red Bull: So tickt der neue Sturm-Trainer
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Pressing, Klarheit, Red Bull: So tickt der neue Sturm-Trainer

Fabio Ingolitsch wechselt vom SCR Altach zum SK Sturm Graz und tritt die Nachfolge von Jürgen Sämuel an. Mit dem Schritt ins Rampenlicht steigt auch erstmals die Erwartungshaltung.

Fabio Ingolitsch spricht so, wie seine Mannschaften spielen sollen: Klar, strukturiert und ohne Umwege.

Der 33-jährige Salzburger gehört zu jener Trainergeneration, die nicht über Fußball philosophiert, sondern ihn erklärt – und einfordert. Auch deshalb steht er trotz seines jungen Alters für eine klare Idee, die er nicht nur formuliert, sondern konsequent durchzieht.

Schon bei seiner Vorstellung als Altach-Trainer im Oktober 2024 machte Ingolitsch keinen Hehl daraus, was er will: "Ich möchte einen neuen Fußball implementieren, dafür hat man mich geholt", sagte er damals.

Nach etwas mehr als einem Jahr und 42 Pflichtspielen ist die Ära Fabio Ingolitsch in Vorarlberg wieder zu Ende. Anders als in den Jahren zuvor musste der Cheftrainer aber nicht aufgrund von Erfolgslosigkeit den Hut nehmen, sondern wurde vom amtierenden Meister SK Sturm Graz als neuer Cheftrainer abgeworben.

Bereits unter Schicker im Fokus

In der Saison 2022/23 trainierte Fabio Ingolitsch den FC Liefering und holte in 30 Spielen einen Punkteschnitt von 1,23.
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In der Saison 2022/23 trainierte Fabio Ingolitsch den FC Liefering und holte in 30 Spielen einen Punkteschnitt von 1,23.

Dass Ingolitsch nun in Graz an der Seitenlinie steht, ist kein Zufall. Schon früh galt er – neben Ried-Coach Maximilian Senft – als bevorzugte Lösung. Nach dessen Absage rückte der Altach-Trainer endgültig in den Fokus.

Für Sturm ist es zudem eine Personalie mit Geschichte: Bereits im Vorjahr wollte der damalige Sportchef Andreas Schicker Ingolitsch als Trainer für Sturm II nach Graz holen.

Der Wechsel kam nun mit Verspätung zustande – allerdings direkt für die Profimannschaft. Doch warum haben sich die Verantwortlichen am Ende für Ingolitsch entschieden?

High risk, high reward?

Als Ingolitsch im Herbst 2024 den SCR Altach übernahm, befand sich der Klub in akuter Abstiegsgefahr. Der junge Trainer sah sich aber selbst nie als Feuerwehrmann, sondern als jemand, der etwas aufbauen möchte.

Für einen Trainer ohne Bundesliga-Erfahrung ein Risiko – für beide Seiten. Doch Ingolitsch stabilisierte die Mannschaft, hielt sie dank der Punkteteilung in letzter Sekunde in der Liga und veränderte dabei vor allem eines: die Haltung.

Altach trat unter ihm mutiger auf, aktiver, weniger wie ein klassischer Abstiegskandidat. Zwar haperte es phasenweise im Spiel nach vorne, insgesamt aber war eine klare Idee erkennbar.

Nach dem Klassenerhalt entschieden sich die Verantwortlichen bewusst für eine Weiterbeschäftigung über den Sommer hinaus – ein Vertrauensbeweis, der sich auszahlen sollte. Schon bei der Pressekonferenz nach dem Klassenerhalt forderte er Veränderungen und lieferte diese auch.

In der neuen Saison präsentierte sich Altach gefestigter und weiterentwickelt. Nach 17 Runden halten die Vorarlberger bei 21 Punkten, nur fünf Zähler hinter Platz sechs. Mit lediglich 19 Gegentoren stellt Altach zudem die beste Defensive der Liga. Eine Statistik, die viel über Ingolitschs Arbeit verrät.

Nach 17 Spielen stellt Altach unter Fabio Ingolitsch die beste Defensive der Liga.
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Nach 17 Spielen stellt Altach unter Fabio Ingolitsch die beste Defensive der Liga.

Variabel im System, klar in der Spielidee

Taktisch ist Ingolitsch aufgrund seiner Vergangenheit in der Red-Bull-Akademie sowie als Ex-Trainer des FC Liefering klar im RB-Fußball verankert. Bevorzugt setzt er auf ein 4-4-2 mit Raute bzw. auf ein 4-2-2-2-System. Gleichzeitig ist er aber kein Dogmatiker.  

Altach wechselte unter ihm regelmäßig zwischen Vierer- und Dreierkette, oft abhängig vom Gegner. In den vergangenen Wochen setzte sich zunehmend die Dreierkette durch – ein Schritt, der der Defensive zusätzliche Stabilität verlieh. Die Formation variiert, die Idee aber bleibt gleich.

Unabhängig von der Grundordnung steht Ingolitsch für einen klaren, proaktiven Fußball. Hohes Pressing, schnelles Umschalten und vertikales Spiel gehören zu seinen Grundprinzipien. Begriffe wie "Stress erzeugen" oder "Balldruck" verwendet er häufig.

Probleme im Spiel mit Ball

Auffällig: Altach war unter ihm vor allem gegen nominell stärkere Gegner konkurrenzfähig. Weniger Ballbesitz bedeutete nicht weniger Kontrolle, sondern eine stärkere Fokussierung auf Pressingmomente und schnelles Spiel in die Tiefe.

Zentral ist dabei die Klarheit. Ingolitsch legt großen Wert darauf, seinen Spielern einen konkreten Plan mitzugeben. Kompaktheit und Struktur stehen über Chaos und unnötigem Risiko – ein Ansatz, der nicht spektakulär wirkt, aber effizient ist.

Wo es hakte: Vor allem im eigenen Ballbesitz gegen Teams auf Augenhöhe hatte Altach seine Schwierigkeiten. Auch gegen tiefstehende Gegner fand Ingolitsch selten die nötigen Lösungen.

Vertrauen schlägt Rotation

Auch im Personalmanagement folgt Ingolitsch einer klaren Linie. Trotz eines vergleichsweise breiten Kaders setzte er früh auf eine Stammformation und rotierte nur punktuell.

Ein Umstand, der bei den Fans nicht immer auf Zustimmung stieß. Für Frust sorgten auch immer wieder die, unabhängig vom Spielstand, viel zu späten Wechsel innerhalb eines Spiels.  

Steigende Erwartungen

Sturm Graz bekommt mit Fabio Ingolitsch zwar nun einen jungen und vergleichsweise unerfahrenen Trainer, der jedoch weiß, wofür er steht: für Intensität, für Struktur, für klare Kommunikation. Seine Ausbildung in der Red-Bull-Schule zeigt sich nicht nur im Spielstil, sondern auch in seiner Sprache und Führung.

Nach außen hin wirkt er souverän, ruhig und abgeklärt. Auf Pressekonferenzen überlegt er sehr genau, was er sagt und lehnt sich auch selten weit aus dem Fenster.

Ob Ingolitsch den nächsten Schritt auch in Graz erfolgreich gehen kann, wird sich zeigen. Die Voraussetzungen dafür bringt er mit – ebenso wie jene Prinzipien, die Sturm in den letzten Jahren stark gemacht haben.

Ähnlich wie in Altach ist auch bei seiner Bestellung in Graz ein gewisses Risiko dabei. Was sich nun aber ändert, ist die Erwartungshaltung.

In Altach lautete die Devise noch: Irgendwie die Klasse halten - in Graz geht es um die Meisterschaft und gleichzeitig die Auftritte in Europa. Dadurch steigt auch der Druck, vor allem von Außen.

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