Die Gründe für Austrias Neuausrichtung
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Die Gründe für Austrias Neuausrichtung

Manuel Ortlechner muss gehen, Michael Wagner ist da. Es ist der nächste Akt im zähen Ringen um die violette Vorherrschaft.

Die Wiener Austria ist nicht mehr das, was sie noch vor drei Monaten war.

Nach dem Rücktritt von Jürgen Werner als Sportvorstand Ende August haben die Veilchen Manuel Ortlechner als Sportdirektor freigestellt. Michael Wagner übernimmt den Job.

Es ist nicht nur eine Neuaufstellung des sportlichen Bereichs, es ist auch der nächste Akt im zähen Ringen um die Vorherrschaft im Verein.

Das Strategiepapier

Die Oberhand hat aktuell vermeintlich die Gruppe der alteingesessenen Austrianer rund um Vorstand Harald Zagiczek. Alles wartet gespannt auf den nächsten Zug des augenscheinlich derzeit unterlegenen Jürgen Werner.

In den vergangenen Wochen wurde ein Strategiepapier erarbeitet, das die künftige sportliche Ausrichtung des Vereins vorgeben soll. Ortlechner selbst wurde erst das Endergebnis präsentiert. Spätestens da wird dem Oberösterreicher klar gewesen sein, dass er keine Zukunft beim FAK mehr hat.

Michael Wagner kennt die Austria als Spieler und Verwaltungsrat
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Michael Wagner kennt die Austria als Spieler und Verwaltungsrat

Im Sommer wäre der Vertrag des 45-Jährigen ausgelaufen. Seinen Nachfolger aber schon frühzeitig einzusetzen, ist ein logischer und vernünftiger Schritt. So hat Wagner Zeit, um noch vor der Winterpause den Kader kennenzulernen sowie erste Gespräche und Entscheidungen zu treffen.

Immerhin laufen zahlreiche Verträge aus, darunter jene von Stammspielern wie Reinhold Ranftl und Philipp Wiesinger.

Neue Wege zum Geld

Während unter Werners Ägide der Weg zum schnellen Erfolg und dadurch an die Europacup-Geldtöpfe gesucht, aber nicht gefunden wurde, soll nun eine nachhaltigere Herangehensweise gewählt werden.

Zagiczek, der als einziger verbliebener Vorstand aktuell die Entscheidungsgewalt hat, spricht davon, dass die Durchlässigkeit der Eigengewächse in den Profibereich erhöht werden müsse. Wagner erklärt: "Wir werden junge, talentierte Eigengewächse genauso brauchen, wie Benchmark-Spieler im besten Fußballer-Alter, sowie Ankerspieler, die eine Mannschaft führen können."

Der FAK will in jene Lücke vorstoßen, die sich zuletzt durch die Abkehr des SK Sturm und des SK Rapid von der Förderung heimischer Talente aufgetan hat. So sollen künftig mehr Ablösesummen lukriert werden.

Wir sprechen hier von einem langfristigen Plan, der nicht von heute auf morgen greifen wird.

Michael Wagner

Das braucht Zeit. Denn der violette Nachwuchs mag gut sein, reihenweise Spieler, die sich kurzfristig für Millionen-Transfers empfehlen, scharen aber auch nicht in den Startlöchern.

Wie viel Geduld hat die Austria?

"Wir sprechen hier von einem langfristigen Plan, der nicht von heute auf morgen greifen wird", ist Wagner klar. Zagiczek fordert "Geduld und das Vertrauen aller".

Das sind nicht gerade Charakterzüge, die die Austria in den vergangenen Jahrzehnten ausgezeichnet haben. Das Umfeld und die Entscheidungsträger gelten als emotional und mitunter impulsiv, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt.

Dass das Personal-Budget für Spieler zuletzt um mehr als zwei Millionen Euro überzogen wurde, sonstige Einnahmen das nicht ausgleichen konnten, macht Wagners Aufgabe nicht einfacher.

Der neutrale Ortlechner

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der intern hoch angesehene Finanzchef Alexander Korinek vor einigen Wochen überraschend hinwarf, bisher nicht nachbesetzt wurde. Aber das ist eine andere Baustelle.

War es wirklich notwendig, sich von Ortlechner zu trennen, um die Neuausrichtung einzuleiten? Immerhin hatte dieser mit seinem Amtsantritt im Sommer 2021 schon den "jungen Weg" eingeschlagen, ehe die Austria nach Werners Einstieg als Investor und sportlich Verantwortlicher wieder davon abkam.

Im Sommer 2021 wurde Ortlechner gemeinsam mit Finanzchef Gerhard Krisch und Coach Manfred Schmid präsentiert
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Im Sommer 2021 wurde Ortlechner gemeinsam mit Finanzchef Gerhard Krisch und Coach Manfred Schmid präsentiert

Ortlechner hat sich in den vergangenen Monaten stets neutral verhalten und tunlichst vermieden, sich auf eine Seite (Zagiczek oder Werner) zu schlagen. Wenig bis gar nicht in eigener Sache lobbyiert zu haben, war taktisch vermutlich unklug.

Gleichzeitig wurde ihm intern immer wieder vorgeworfen, den Wandel vom sportlich verantwortlichen Gestalter zum Empfehlsempfänger seines eingesetzten Vorgesetzten Werner zu konsequent vollzogen, Werners Weg kritiklos mitgetragen zu haben.

Zagiczek schafft Fakten

Wesentlicher für die Trennung könnte aber gewesen sein, dass Zagiczek damit Fakten schafft, bevor Werner es tut.

Der Syndikatsvertrag behält es dem zurückgetretenen Sportvorstand vor, seinen Nachfolger zu ernennen, die Austria hat ein einmaliges Veto-Recht. Bisher kam kein Vorschlag von Werner, der in die Entscheidung, die Sportdirektion neu zu besetzen, nicht eingebunden war.

"Mein erster Auftrag an Michael Wagner in seiner Funktion als Sportdirektor ist der Aufbau einer Sportdirektion unter seiner Leitung, die eng mit den Young Violets, der Akademie und dem Frauen-Bereich verbunden ist, um künftig gemeinsam Entscheidungen zur strategischen Herangehensweise zu treffen", sagt Zagiczek.

Das Match Werner gegen Zagiczek ist noch nicht entschieden
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Das Match Werner gegen Zagiczek ist noch nicht entschieden

Dadurch soll ein Sportvorstand obsolet, oder zumindest vor vollendete Tatsachen seine Mitarbeiter betreffend gestellt werden.

Auf tönernen Füßen

Doch all das steht auf tönernen Füßen. Denn das Damoklesschwert Investoren-Anteile kann das Pendel im Machtkampf zwischen Zagiczek und Werner rasch wieder auf die andere Seite ausschlagen lassen.

Beide Parteien befinden sich ständig in Gesprächen mit potenziellen neuen Investoren, einige aktuelle Investoren wollen ihre Anteile wiederum lieber heute als morgen loswerden. Niemand vermag zu prognostizieren, was die kommenden Monate bringen.

Michael Wagner weiß aber immerhin, worauf er sich einlässt. Er kennt den Verein bestens, war nicht nur dessen Spieler, sondern hatte während eines halben Jahrzehnts im Verwaltungsrat auch gute Einblicke in die Ränkespiele.

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