Einer der prägendsten österreichischen Fußballer dieses Jahrzehnts steht vor seinem 50er.
Christoph Baumgartner wird beim WM-Quali-Auftakt Österreichs am Samstag gegen Rumänien im Alter von nur 25 Jahren zum bereits 50. Mal das ÖFB-Trikot überstreifen.
Eine bemerkenswerte Marke, von der er als Kind nur träumen konnte. "Definitiv nicht", antwortet der Niederösterreicher auf die Frage, ob er sich als einstiger Nachwuchsspieler des SV Horn jemals vorstellen hätte können, so oft für Österreich aufzulaufen.
Reinhard Vyhnalek hingegen hätte Baumgartner eine solche ÖFB-Karriere sehr wohl schon damals zugetraut.
Der Ex-Horn-Jugendtrainer bekam Österreichs Nummer 19 schon als sechsjährigen Knirps unter seine Fittiche und betreute Baumgartner bis kurz vor dessen 13. Geburtstag, als er von seiner Heimatsstadt in die AKA St. Pölten NÖ übersiedelte.
"Vom ersten Tag an hat man gesehen, dass etwas Besonderes da ist", blickt Vyhnalek im Gespräch mit 90minuten, in dem er spannende Einblicke in Baumgartners erste Schritte im Fußball gibt, zurück:
Baumgartner über Vyhnalek: "Habe viel von ihm lernen dürfen"

Es sei eine große Ehre gewesen, "so einen Spieler so lange trainiert haben zu dürfen", sagt ein stolzer Vyhnalek. Wenn man ihn auf Baumgartner und seine damalige Horner Mannschaft anspricht, wird der 54-Jährige nostalgisch.
Auch Baumgartner hat "nur positive Erinnerungen" an seinen ersten Fußballtrainer: "Ich habe viel von ihm lernen dürfen.“
Mittlerweile ist Vyhnalek nicht mehr im Fußball tätig. Nach langen Jahren als Jugendcoach bei seinem Heimatverein war er zwischen 2010 und 2016 sowie 2019 und 2020 zusätzlich als Sportdirektor in Horn tätig, übt nun aber "nur" mehr seinen Brotberuf als Turn- und Mathematiklehrer aus.
Es war einmal eine "Goldene Generation aus dem Waldviertel"
Vyhnalek war damals Trainer, Baumgartner Aushängeschild einer Horner Jugendmannschaft, die von der "Krone" einmal als "Goldene Generation aus dem Waldviertel" bezeichnet wurde.
Neben Baumgartner ist der zwei Jahre jüngere Leo Greiml der bekannteste Kicker aus dem damaligen Team; auch Vyhnaleks Sohn Fabian gehörte damals dem Kader, aus welchem es nicht weniger als zwölf Spieler (zumindest zeitweise) in die österreichische 2. Liga oder höher schafften, an.
Da seine Mannschaft in der Meisterschaft unterfordert war, suchte Vyhnalek den Kontakt zu den heimischen Großklubs und brachte das U-Team aus der kleinen Stadt im Waldviertel landesweit bei prestigeträchtigen Jugendturnieren unter – und selbst dort waren die Horner meist kaum zu biegen.
"Die Burschen waren mit einem Riesenfeuer bei der Sache. Sie waren alle gut. Trotzdem hat man gesehen: 'Chrisi' ist drübergestanden. Auf allen Ebenen", so Vyhnalek.
Ein kopfballstarkes Grispinderl

Damit meint er einerseits die am Fußballfeld entscheidenden Attribute: "Er hat von Anfang an super mit dem Ball umgehen können, war immer schnell und pausenlos unterwegs. Gefühlt hätte er drei Matches hintereinander durchspielen können."
Zudem "war er ein unglaubliches Bewegungstalent. Er hat beim Torjubel alles gemacht: Rad, Salto, Rondat. Jedes Mal etwas anderes".
Und obwohl Baumgartner ein "Grispinderl war, war er trotzdem kopfballstark, weil er ein gutes Timing hatte. Das spricht auch für seine Intelligenz", schwärmt Vyhnalek weiter.
Er wollte immer gewinnen, und wenn er nicht gewonnen hat, wurden nicht nur einmal Tränen vergossen
"Er hat beim Fußball erwachsen gedacht"
Diese Intelligenz sei auch abseits des Platzes erkennbar gewesen. Mit Baumgartner, der in der Oberstufe eine Schulklasse übersprang, habe man "ganz anders reden können als mit den anderen Kindern. Er hat beim Fußball erwachsen gedacht".
Es sei immer und überall zu sehen gewesen, "was der Bursch' für ein Potenzial hat".
Dazu gehört freilich auch eine gesunde Portion Ehrgeiz: "Er wollte immer gewinnen, und wenn er nicht gewonnen hat, wurden nicht nur einmal Tränen vergossen."
Baumgartner habe eben "schon immer genau gewusst, was er will. Diese mentale Stärke hast du schon früh gesehen. So einen Karriereweg bringst du nur zusammen, wenn du im Schädel dort bist, wo nicht viele sind", so Vyhnalek.
Fußballverrückte Familie im Rücken
Im Sommer 2012 trennten sich schließlich die Wege zwischen ihm und Baumgartner.
"Er hätte überall hingehen können. Ihn hätten sie überall wollen", sagt Vyhnalek über die damalige Suche nach der richtigen Akademie. Dass es – etwas überraschend – jene in St. Pölten wurde, "liegt nicht zuletzt an seinem Bruder", der bereits drei Jahre zuvor dorthin wechselte.
Dieser heißt mit Vornamen bekanntermaßen Dominik, ist drei Jahre älter als Christoph und holte erst kürzlich mit dem WAC den ÖFB-Cup.

Die Familie Baumgartner ist so eng verbunden wie fußballverrückt. Papa Alfons und Mama Sabine waren beide selbst im Fußball aktiv und begleiteten die beiden Söhne auf jedem Schritt ihrer Karriere.
"Das Elternhaus hat ihn voll unterstützt", so Vyhnalek, der mit den Baumgartners eine langjährige Familienfreundschaft pflegt.
Mittlerweile ist der jüngste Baumgartner im Bunde seit fast acht Jahren in Deutschland unterwegs, seit zwei Jahren heißt sein Arbeitgeber RB Leipzig.
"In Leipzig passt irgendwas nicht"
Ob Letzteres auch über den Sommer hinweg so bleibt, scheint momentan etwas offen. Der Offensivallrounder schloss einen Wechsel weg von den "Roten Bullen", bei denen er in der Vorsaison nicht immer ein unumstrittener Stammspieler war, zuletzt immerhin nicht aus.
Aus Vyhnaleks Sicht wäre ein Transfer durchaus eine Überlegung wert: "Im Nationalteam zeigt er immer auf, da bringt er Leistung. In Leipzig passt irgendwas nicht. Er muss spielen, er hat das Zeug dazu. Es ist ja nicht das erste Jahr so."
Eines ist jedenfalls sicher: Egal wohin der Weg Baumgartners in Zukunft geht, eine der ersten Glückwunsch-Nachrichten, die auf seinem Handy auftauchen wird, wird - wie immer - jene von Vyhnalek sein.
Einen für den österreichischen Fußball schon jetzt so bedeutsamen Kicker wie Baumgartner in frühester Kindheit trainiert und geprägt zu haben, wird Reinhard Vyhnalek für immer mit riesigem Stolz erfüllen.
Zum Abschluss folgt eine äußerst lesenswerte Anekdote Vyhnaleks über Baumgartner im Wortlaut, die im eigentlichen Artikel keinen Platz fand, aber auf keinen Fall unerzählt bleiben soll:
Wir haben, wie jedes Jahr, ein Hallenturnier veranstaltet, mit ausschließlich Bundesliga-Vereinen und uns.
Es war ein Highlight für die Burschen, die ganze Horner Halle voll. Wir haben darauf hingearbeitet, sie haben sich schon gefreut.
Am Vortag, es war ein Samstag im November, ruft der 'Baumi'-Papa an und sagt: "Du, 'Reini', schlechte Nachrichten. Der 'Chrisl' ist krank."
Ich habe gesagt: "Sauber. Das ist natürlich ein gewaltiges Handicap." Wir haben eine super Mannschaft gehabt – das muss ich zur Ehrenrettung der anderen betonen – aber, ohne die anderen schmälern zu wollen, er war immer darüber.
Er selbst hat am meisten darunter gelitten, dass er krank ist, ist am Turniertag trotzdem mit seiner Sporttasche in die Halle gekommen. Wir sind ohne ihn ins Finale gekommen – heißt ja auch was, gegen diese Gegner.
Im Finale haben wir dann Rapid gehabt. Nach dem Halbfinale sind der Alt-'Baumi' und 'Chrisi' zu mir runtergekommen. 'Chrisi' sagt zu mir, und das weiß ich noch ganz genau: "'Reini', ich bin bereit."
Ich habe geglaubt, ich spinne. Ich sage: "'Chrisi, du hast Fieber gehabt." Verzwickte Situation.
Der Papa und ich schauen uns an. Ich frage: "Was sagt die Mama dazu?" Sie sagen: "Die Mama weiß von nichts."
Ich habe ihm gesagt: "Zieh' dich um, du bist mal auf der Bank dabei. Schauen wir, wie sich das Ganze entwickelt."
Nach sechs Minuten waren wir 0:2 hinten. Er ist ständig zu mir gekommen und hat seinen Einsatz reklamiert: "'Reini', hau mich rein!"
Fünf Minuten vor Schluss habe ich seinen Wunsch mit den Worten: "Du brauchst nicht rennen. Du bist nur vorne und schaust, dass du anspielbar bist und zum Abschluss kommst", erhört.
Das Spiel ist 4:2 für uns ausgegangen, alle vier Knöpfe hat er gemacht. Ich habe jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.