Schafft Fink bei der Austria, woran er beim HSV gescheitert ist?

Mit Thorsten Fink ist die Austria gleich nach den ersten Monaten zum ernsthaften Titelkandidaten aufgestiegen. Um vorne dabeizubleiben, ist der nächste Schritt notwendig. Eine Weiterentwicklung, die Fink beim HSV zum Verhängnis geworden ist. Eine Taktik-A

 

Die APA veröffentlichte eine Trainerumfrage, in er die Betreuer der Bundesliga einen Dreikampf an der Spitze prognostizierten. Thorsten Fink meinte in einem KURIER Interview, dass er sich vor Rapid mehr fürchtet als vor Red Bull. 90minuten.at blickt auf die Taktik von Salzburg, Austria und Rapid und wagt eine Prognose.

 

Was zeichnet die Austria aus?
Die Austria landete in der vergangenen Saison auf dem enttäuschenden 7. Platz. Neo-Sportdirektor Wohlfahrt stand unter Zugzwang und musste einen Trainer präsentieren, mit dem sich die Austria in der neuen Saison endlich wieder dem Erfolg der Stöger-Spielzeit annähern kann.

 

Nach viel Hin und Her um Felix Magath wurde schließlich Thorsten Fink als neuer Übungsleiter vorgestellt. Fink war vor seinem Austria-Engagement in Zypern angestellt, nachdem er in Hamburg gefeuert wurde. Zuvor hatte er den HSV jedoch auf Platz 7 gecoacht; ein Tabellenplatz, der in Österreich zwar nicht gern gesehen wird, in Deutschland jedoch die beste Platzierung des HSV seit langer Zeit war. In Hamburg hatte Fink nicht lange gebraucht, um einen klar wiedererkennbaren Spielstil auszubilden. Viel Ballbesitz, dabei immer sehr klare Strukturen mit vielen Umformungen und fluider Raumbesetzung. Dazu kam ein stabiles und kompaktes Pressing, mit dem man direkt anschreiben konnte.

 

Die Beschreibung seiner Anfangszeit beim HSV deckt sich ziemlich mit der bei der Wiener Austria. Auch hier konnte er nach dem Chaos-Spiel, welches unter Baumgartner und Ogris praktiziert wurde, rasch seine Ideen implementieren und der Mannschaft dadurch verloren geglaubte Stabilität verleihen.


Die Mannschaft wird am Papier mit einem 4-2-3-1 auf den Platz geschickt. Wandelt sich im Ballbesitz jedoch in eine Art 3-4-3 bzw. 3-5-2 um, in der die Außenverteidiger Martschinko und Koch sehr hohe Positionen einnehmen. Die Außenstürmer rücken dann ein wenig in die offensiven Halbräume und unterstützen den Stürmer dann im Zentrum. Dahinter rückt ein Sechser meist zum Zehner vor, während der andere zwischen oder neben die Innenverteidiger abkippt.

 

1

Bild 1 – Holzhauser nicht auf dem Bild. Austria im Ballbesitz.


Wenn Vukojevic und Holzhauser gemeinsam am Platz standen, kippten beide zwischen die Innenverteidiger ab, womit diese auf die Flügel geschoben wurden, während die Außenverteidiger hoch nach vorne stoßen konnten. Damit wurde eine „falsche“ Viererkette gebildet, die quantitativ genauso stark war und eine offensive Umformung möglich machte.

 

2 Custom

Bild 2 – falsche Viererkette

 

Für den Gegner ist die Austria dadurch schwerer zu verteidigen. Vor allem beim Pressing haben viele Mannschaften Probleme mit der Austria, da die Zonenbesetzung zwar klaren Abläufen unterworfen ist, aber sehr variabel besetzt wird. Die Sechser können wahlweise zwischen die Innenverteidiger oder, wie auf Bild 1, links oder rechts abkippen. Manchmal kippt auch der Zehner ab. Die „falsche“ Viererkette kann auch mal von einem der Außenverteidiger gebildet werden, der dann in weiterer Folge auch tiefer bleibt.

 

3 Custom

Bild 3 – Kehat lässt sich fallen, Martschinko und Gorgon tauschen Positionen. Man beachte die freien roten Kreis und wie unverbunden die Abwehr zum Rest steht.

 

Das Ziel der Mannschaft von Thorsten Fink ist es, in der verstärkten ersten Linie den Ball lange zu zirkulieren. Während desssen koppelt sich der Rest der Mannschaft langsam ab und sucht nach Lücken im Defensivverbund des Gegners. Wenn der richtige Moment dann kommt, wird fast immer ein hoher Ball gespielt, mit dem versucht wird, den Raum hinter der Verteidigung anzugreifen. Mit schnellen Spielern wie Friesenbichler und Kayode wird dabei maximaler Raum überbrückt. Vor allem die oft praktizierte Manndeckung in den gegnerischen Viererketten wird dadurch oft sehr einfach aufgebrochen.

 

4 Custom

Bild 4 – Friesenbichler wird eng manngedeckt. Durch einen einfachen Lauf kommt er dem Ball entgegen und attackiert dann den Raum hinter der Abwehr. Stronati sieht das und spielt den nächsten hohen Ball. Wieder besteht keine Verbindung zwischen Abwehr und Rest der Mannschaft.

 

Gegen den Ball hat die Austria ein sehr kompaktes, stabiles Pressing, welches nicht immer versucht, ganz vorne zu attackieren aber zu jeder Zeit kompakt ist und Druck ausüben kann.

 

5a Custom 

5b Custom

Bild 5 – Hohes Pressing wird überspielt, dahinter ist die Austria trotzdem sehr kompakt und kann den Ball erobern.

 

Für den Gegner ist es dadurch oft nicht möglich, einen ordentlichen Spielaufbau voranzutreiben; gepaart mit der eigenen Pressingresistenz im Spielaufbau ist es der Austria möglich, dadurch hohe Ballbesitzquoten zu erzielen und dementsprechend dominant aufzutreten, was dem Team von Thorsten Fink auch merklich gut tut. Eine weitere Stärke der Austria sind die Standards, die ziemlich scharf in den 5er geschossen werden und so oft für Gefahr sorgen.

 


Welche Schwächen hat die Mannschaft?
Alles steht und fällt mit dem eigenen Spielaufbau, was bei dem hohen Ballbesitzanteil auch kein Wunder ist. Hier hat die Austria aber einige, nicht vernachlässigbare Schwächen. Wenn der Spielaufbau beim Tormann beginnt, hat Fink einen Plan mit sehr klaren Abläufen. Dieser ist halbwegs gut durchdacht und potenziell erfolgreich, ist aber ebenso leicht zu durchschauen und alternativlos.

 

Wenn der Gegner sich von den ausweichenden Läufen der Stürmer nicht verwirren lässt und auf die Verteidigung des strafraumnahen Raumes konzentriert, dann wird der Austria schnell der Zahn gezogen. Auch mit mangelhafter Staffelung spielt die Austria (vor allem Holzhauser) gerne hohe Bälle in die Spitze. Diese sind dann nicht nur leichter abzufangen, sondern können für sehr gefährliche Konter verwendet werden.

 

6 Custom

Bild 6 – unverbunden im Angriff, große Lücken klaffen auf.

 

Die Austria hat zwar ein passables Umschaltspiel bei Ballverlust, steht sehr hoch und kann viele Spieler ins Gegenpressing schicken. Dahinter müssen aber große Lücken verteidigt werden. Im klassischen 3-5-2 sind da vor allem die Lücken auffällig, welche Finks Mannschaften schon in Basel und Hamburg hatten: die defensiven Halbräume

 

7 Custom

Bild 7 – Austria unverbunden, im Konter wären die Halbräume offen.



Dadurch, dass Offensive und Defensive so extrem abgekoppelt voneinander stehen, hat man meistens auch keine andere Wahl als einen hohen Ball zu spielen. Thorsten Finks Plan beraubt der Mannschaft automatisch aller anderen Optionen im Spielaufbau und erzwingt quasi den hohen Ball.

 

 

6 Custom

Bild 8 – unverbunden zwingt hohen Ball.

 

Wenn sie über einen längeren Zeitraum dazu gezwungen wird, spielt die Austria dann wieder verbundener; vor allem wenn Plan A mit den hohen Bällen fehlschlägt, der Ball aber weiterhin im Besitz der Austria ist, versucht Holzhauser den Spielaufbau zu übernehmen. Hier offenbart er jedoch gravierende Schwächen als Stratege. Was in seinem Rücken passiert, entzieht sich meist seiner Kenntnis und im Pressing ist er oft anfällig für einen Ballverlust. Das macht ihn zum perfekten Opfer einer Pressingfalle. Das absichtliche Freilassen von Holzhauser ist vor allem deshalb so effizient, weil er immer im Mittelpunkt des Angriffs stehen will, diesen aber nicht immer erfolgreich führen kann.

 

8a Custom

8b Custom

Bild 9 – Pressingfalle um Holzhauser führt zu Ballgewinn und Torchance für den WAC.


Prognose
Für die Austria könnte es in der Rückrunde in beide Richtungen gehen. Die zwei Niederlagen zum Ende der Hinrunden waren wohl mehr als nur unglückliche Ausrutscher. Das System vom Herbst wurde von dem einen oder anderen Trainer durchschaut. Andere Trainer wiederrum dürften mit ihrer Ausrichtung schlichtweg Glück gehabt haben. Die Austria muss in der Rückrunde den nächsten Schritt machen und den Spielaufbau mindestens eine Klasse besser gestalten, um sich im Spitzenfeld halten zu können. Aber eben jene Weiterentwicklung ist Fink bereits in Hamburg zum Verhängnis geworden.

 

>>> Taktik-Analyse zu Rapid: Modernster Fußball der Liga mit Schwächen im defensiven Umschaltspiel