Ein neuer Bullen-Trainer für zwei Baustellen

Eine Prognose für Red Bull Salzburg für das Frühjahr abzugeben, fällt aufgrund des neuen Trainers in den Bereich der Kaffeesudleserei. Garcia hat jedenfalls zwei große Baustellen, die ihm hinterlassen wurden. Eine Taktik-Analyse von Momo Akhondi - Bildmat

 

Die APA veröffentlichte diese Woche eine Trainerumfrage, in er die Betreuer der Bundesliga einen Dreikampf an der Spitze prognostizierten. Thorsten Fink meinte in einem KURIER Interview, dass er sich vor Rapid mehr fürchtet als vor Red Bull. 90minuten.at blickt auf die Taktik von Salzburg, Austria und Rapid und wagt eine Prognose.

 

Im Gegensatz zur Zeit unter dem Erfinder Roger Schmidt, sind die Mozartstädter noch extremer, schlechter abgesichert und vor allem stark zentrumslastig geworden. Während Schmidts Leverkusen inzwischen lieber über den Flügel kommt und dadurch auch besser abgesichert bei Ballverlust agiert, war Red Bull unter Zeidler vor allem viel Hara Kiri.


Was zeichnet Red Bull Salzburg aus?

Es ist eigentlich müßig, über die Stärken der Salzburger zu reden. Red Bulls Credo ist das hohe Pressing, das intensive Gegenpressing und die enstprechende Vertikalität im Angriff. Fast jeder Pass wird schnurstracks nach vorne gespielt, die Erfolgschancen sind dabei scheinbar egal, weil es ja in der Theorie immer genug Spieler gibt, die den Ball zurückholen können. In der Post-Schmidt Ära agiert man außerdem extrem zentrumslastig. Im 4-2-2-2 stehen quasi alle Spieler zentral oder in den Halbräumen und warten auf vertikale Pässe um schnelle Ablagen zu spielen. Der Gegner kann wiederum kaum hinten rausspielen weil man immer massiv unter Druck gerät.

 

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Bild 1 – drei intensive Salzburger bringen sechs Rapidler zur Verzweiflung.

 

Das offensive Pressing ist wohl DAS Merkmal von Red Bull und demenstprechend gut beherrschen die Salzburger dieses auch. Ein sauberes Rausspielen ist nahezu unmöglich.

 

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Bild 2 – Pressing RB

 

Im eigenen Spielaufbau hatte man unter Zeidler noch sehr interessante Ansätze. Auch dank der Hilflosigkeit vieler Gegner konnten die Mozartstädter langsam und überlegt mit allen zehn Feldspielern bis an die Mittellinie und überluden dann den Raum zwischen den Linien des Gegners massiv, wobei sie hier auf eine Besetzung der Breite meist verzichteten und lieber zentral und in den Halbräumen eine unheimlich Präsenz hielten.

 

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Bild 3 – massive Überladung im Zentrum

 

Hier kam wieder die vertikale Komponente ins Spiel. Durch scharfe Pässe in das gegnerische Defensivkonstrukt wurden immer wieder Linien gebrochen. Mit den anschließenden Ablagen konnte man den Ball in der höheren Position halten, bevor es wieder vertikal in die Spitze ging. Bei Ballverlust konnte man teilweise mit acht Spielern ins Gegenpressing gehen. RedBull-Wahnsinn in Vollendung.

 

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Bild 4 – vertikal spielen, prallen lassen, vertikal spielen, prallen lassen, Tor

 

Nun ist aber bekannt, dass Übungsleiter Zeidler trotz guter Ansätze kurz vor der Winterpause den Hut ziehen musste – seine Verfehlungen werden im Punkt „Schwächen“ noch behandelt – für ihn übernahm Lensch interimistisch.
Unter ihm kam es zu einer hochinteressanten Umstellung auf ein 4-3-1-2, welches zum Beispiel auch die hausinterne U18 spielt.

 

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Bild 5 – Red Bull Raute


Dank der Raute konnte man gegen den Ball kompakter stehen, mit den beiden Achtern leichter Druck auf den Flügel ausüben ohne dabei den eigenen Außenverteidiger in extreme Positionen zu zwingen. Außerdem war die Raute im letzten Spiel gegen Rapid sehr passend, um das ständige Abkippen von Thanos Petsos zu pressen. Insgesamt stand Salzburg dank dieser Umstellung stabiler und konnte ihr zentrumlastiges Spiel effektiver umsetzten, weshalb es interessant zu beobachten sein wird, ob Neo-Coach Garcia diese Formation beibehält.

 


Welche Schwächen hat die Mannschaft?
Viele Probleme, welche Zeidler bei Red Bull hatte, sind durch die Spielphilosophie von Red Bull hausgemacht. Die alternativlose Vertikalität sorgt nicht selten für mangelnden Spielfluss und abgehackten Rhythmus mit dem Ball; wenn das Gegenpressing dann nicht Höchstleistungen bringt, bekommt man oft Probleme.

 

Unter Zeidler war die Organisation der Restverteidigung außerdem oft mangelhaft. Man war hinten oft in der Unterzahl und besetzte die falschen Räume, um einen Konter des Gegners zu verhindern.

 

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Bild 6 – mangelhafte Restvertidigung endet in Hara Kiri Staffelung

 

Die oberste Prämisse von Roger Schmidt in der Restverteidiung lautete: Ein Mann mehr als der konternde Gegner, Mann gegen Mann decken, um bei Ballverlust auch noch herausrücken zu können und den Ballführenden unter Druck setzten, sodass dieser keinen sauberen Konter einleiten kann. Unter Zeidler schien man die selben Situationen in der Restverteidigung anzustreben, doch auch wenn die Restverteidigung besser organisiert stand, so war die Zonenbesetzung zwischen der ersten Gegenpressingwelle und der Restvertidigung meist sehr unsauber. Es schien keine festen Regeln zu geben, wann welcher Spieler welchen Raum besetzen soll. Viel mehr ließ das Spiel unter Zeidler vermuten, dass die oberste Prämisse „lauf zum Ball“ lautete.

 

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Bild 7 – Restverteidigung hält sich an die Regeln, davor läuft alles zum Ball.

 

Bei Red Bull wird oft propagiert, dass die Spieler im Pressing und Gegenpressing nicht nur zum Ball laufen und den Gegner stellen, sondern gleich durchlaufen sollen und schlimmstenfalls am Gegner vorbei, wenn dieser den Ball behaupten kann. Die Idee dahinter: dahinter läuft schon der nächste Spieler an und kann einem „vorgewärmten“ Gegner den Ball locker wegnehmen und den ins Leere gelaufenen Mitspieler gleich zum Kontern losschicken. Dieses „Durchlaufen“ ist eine unheimlich effektive Waffe im Spiel gegen den Ball und stellt die Gegner regelmäßig vor enorme Probleme. Nun macht es jedoch nicht immer Sinn „durchzulaufen“, vor allem wenn dieses nicht gut genug abgesichert ist, begibt man sich in sehr unvorteilhafte Situationen. Dieses dogmatische Denken bringt die Mannschaften von Red Bull immer wieder in hausgemachte Schwierigkeiten.


Für Fußballtrainer ist folgendes Video aus der ITK 2015 empfehlenswert um die sturen Regeln von Red Bull zu verstehen. Achim Beierlorzer – Ex-Cheftrainer von Rasenball Leipzig – verwirrt die gecoachten Spieler mit Regeln, welche sie immer wieder in Situationen bringt, welche sie nicht mehr verteidigen können.



 


Der Übergang aus Offensiv- ins Defensivpressing
Ein weiteres Beispiel bei dem die Philosophie den Salzburgern im Weg steht, ist der Übergang aus dem Offensiv- ins Defensivpressing. Normalerweise wird im Offensivpressing der Ball auf die Außen gelenkt, wo dann der eigene Außenverteidiger weiträumig anläuft und den Gegner dynamisch unter Druck setzt. Dieses weiträumige Attackieren des Außenverteidigers (vor allem Ulmer) soll durch den Rest der Viererkette „durch“gesichert werden. Soll heißen: Die restliche Abwehr verschiebt extrem hinter die Lücke, welche der Außenverteidiger hinterlässt. Da der Ball hier weit vom Tor entfernt ist, kann die Mannschaft jederzeit zurück oder auf die andere Seite verschieben und verbarrikadiert dem Gegner gleichzeitig auch oft die Möglichkeit das Spiel zu verlagern. Dadurch kann man den Ball weit weg vom eigenen Tor halten und dem Gegner in alle Richtungen den Spielaufbau verbieten.

 

Wenn man jetzt aber in die Nähe des eigenen Strafraums kommt, geht bei einem derart aggresiven Anlaufen des Außenverteidigers die Breitenstaffelung verloren.

 

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Bild 8 – Anlaufen öffnet Raum

 

Wer soll hinter Ulmer den Raum abdecken? Am ersten Bild steht Rapid massiv am linken Flügel und würde diesen Raum ausnutzen, falls die Viererkette versuchen würde in typischer RB-Manier extrem hinter Ulmer hinzuschieben. Dadurch muss man den Raum hinter Ulmer mehr oder weniger opfern.

 

Am zweiten Beispiel kann die Viererkette ebenfalls nicht mehr durchsichern, da der linke Außenstürmer und der Mittelstürmer von Rapid gut stehen und den Raum zwischen den Linien und hinter der Abwehr bedrohlich attackieren könnten. Ulmers Rausrückbewegung ist außerdem ineffektiv, weil Kainz sich frei drehen kann und das Spiel einfach auf den linken Flügel verlagern kann, ohne dabei unter Druck gesetzt zu werden.


Prognose
Eine Prognose zu Salzburg verbietet sich eigentlich, nachdem Garcia erst im Winter als neuer Chefcoach vorgestellt wurde. Der Spanier steht für ein gepflegteren Fußball, der positionelle Vorgaben im Spielaufbau hat und damit ein wenig im Gegensatz zum vertikalen Gegenpressingfest von Red Bull steht. Ob die Mannschaft mit dem veränderten Rhythmus und dem – zwangsläufigen – Anstieg an horizontalen Bällen zurechtkommt, wird ebenso interessant zu sehen sein wie die Formationsfrage.

 

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