2015

Thorsten Finks Matchplan zerbricht an fehlender Rapid-Kompaktheit

Mit einem spektakulären 5:2-Kantersieg holt Rapid drei Punkte beim Erzrivalen aus Favoriten. Aus Sicht der Austria wählte Thorsten Fink gegen unkompakte Hütteldorfer einen falschen Matchplan, der gegen zockende Rapidler rasch zerbrach. Eine Taktik-Analyse

 

Man war auch gespannt auf das Duell zweier Mannschaften, die in den letzten Spielen einen mehr oder weniger ausgeprägten Ballbesitzfußball mittels kontinuierlicher Spielentwicklung forcierten. Desto schneller folgte die Ernüchterung als nach zwei, drei flacher Spielaufbau-Versuchen und entsprechendem Pressing des Gegners, beide Teams diese Pläne verworfen und auf hohe Bälle zurückgriffen. Vor allem Rapid merkte schnell, dass sie gegen das Pressing der Austria nicht erfolgsstabil aufbauen können, worauf auch zurückzuführen ist, wieso die Veilchen in der Anfangsphase zunächst ein Übergewicht hatten.

 

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Bild 1 – Offensivpressing der Austria in der Anfangsphase

 

Dabei agierte die Austria sehr option-orientiert gegen den Gegner, konnte jede Entscheidung der durchsichtigen Rapid-Abwehr „vorhersehen", und dadurch schnell Zugriff herstellen. Beispielsweise orientierte sich Alexander Grünwald im Pressing nicht an seinem Mitspieler Kayode, sondern an Petsos, den er somit quasi manndeckte.

 

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Bild 2 – Grünwald liebt Petsos

 

Blieb Petsos weiter vorne, spielte die Austria dadurch im 4-4-1-1 mit Kayode an vorderster Front, sobald Petsos sich aber abkippen ließ, ging Grünwald mit und landete an der Seite von Kayode. Doch vor allem Startelf-Debütant Kehat hatte sehr interessante Laufwege gegen den Ball und konnte oft – wie auf Bild 1– Mario Sonnleitner zum Ballverlust zwingen. Aber auch sonst war der Israeli für das Offensivspiel (!) eine Bereicherung.

 

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Bild 3 – Kehat rotiert in die Mitte

Sofern es von der Mannschaft gut eingebunden wurde, tauchte er immer wieder mal im Zentrum auf und brachte die Ordnung der Hütteldorfer damit sichtlich ins Wanken.

 



Doch die Austria hatte als taktisches Hauptmittel gegen den Gegner einen ausgeprägten Fokus auf lange Bälle, die hinter die letzte Linie der Hütteldorfer geschlagen wurden. Diese Bälle waren unter Fink bereits vermehrt zu sehen, gegen Rapid forcierte er sie jedoch mit der Aufstellung des schnellen Kayode noch mehr als sonst. Die Grundidee hätte wohl darauf abzielen sollen, im Konter gefährlicher zu sein, da davon auszugehen war, dass die Austria gegen den Stadtrivalen nicht die selben Ballbesitzeiten erzielen dürfte wie in den vergangenen Runden. Was Thorsten Finks Plan jedoch zunichtemachte, war ausgerechnet die eigentliche große Schwäche von Rapid. Denn wie schon gegen Ajax, stand die Rapid-Verteidigung bei diesen langen Bällen sehr tief, und hatte dadurch wenig Probleme, diese abzulaufen. Kayode konnte die Bälle zwar ob seiner absurden Geschwindigkeit sogar teilweise erlaufen. Doch es war ihm dann unmöglich, seine Mitspieler einzubringen, da diese hier viel Raum zu überbrücken hatten, welche ihnen die Rapid Abwehr wegen der tiefen Grundpositionierung voraushatte.

 

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Bild 4 – Hoher Ball zu Kayode, der Rest kommt nicht nach

 

Mit Kayode hatte die Austria trotzdem einen sehr weiträumigen Spieler in der Neuner-Position. Der Neuzugang, der bislang als Linksaußen eingesetzt wurde, rotierte sehr oft eben genau dorthin zurück.

 

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Bild 5 – Kayode weicht horizontal aus, Grünwald stoßt nach

 

Häufig nahm er mit seinem übereifrigen Ausweichen jedoch Kehat den Platz weg, dieser wurde zu einer absichernden Rolle degradiert. Seine flexible Art, gepaart mit seiner hohen Geschwindigkeit, sorgte außerdem oft dafür, dass er für den Gegner nicht zu fassen war. Hiebei war es jedoch nicht so, dass er sich im Stile einer „falschen Neun" nach hinten fallen ließ, sondern sich vor allem bei Umschaltaktionen am Kayode-fernen, rechten Flügel absetzte; und links aus dem Aufmerksamkeitsfeld von Auer flüchtete. Dieser schien sich erneut nicht sicher zu sein, ob er nun den Raum oder den Mann decken sollte.

 

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Bild 6 – Kayode dominiert den linken Halbraum

 

Doch diese Umschaltaktionen, bei denen Kayode auch noch die richtige Entscheidung traf, waren die absolute Außnahme. In den meisten Fällen kam der Versuch des hohen Balles, welcher die gegnerische Innenverteidigung überlisten hätte sollen, um den schnellen Kayode direkt einzusetzen. Dieser Plan ging an diesem Abend jedoch gnadenlos schief. Vor allem wegen der Konsequenz, mit der die Austria diese Bälle spielte, wurde es im Laufe der Partie immer schwieriger, diese auch adäquat abzusichern.

 



Hier kam, ein weiterer Aspekt in der Unkompaktheit Rapids hinzu, welcher den Gästen zusätzlich in die Karten spielte. Schobesberger, Beric und Kainz konnten nicht nur weit vorne zocken - also auch bei Ballverlust in der gegnerischen Hälfte „lauern" -, sondern dies sogar noch äußerst gewinnbringend einsetzen. Beide Sechser der Wiener Austria zeichnete nämlich, wie so oft, ein absurd hoher Fokus auf horizontale Bälle sowie Rückpässe aus. Sowohl Holzhauser, der dieses Mal vermehrt abkippte, als auch Vukojvevic brachten ihre eignenen Mitspieler mit schlechten Entscheidungen im Passspiel in isolierte Folgeaktionen, die dann von den zockenden Rapidlern angepresst wurden und den Rythmus der Veilchen bedeutend störten.

 

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Bild 7 – Holzhauser isoliert Martschinko


Hier spielte Holzhauser fast vollkommen ohne Not einen Horizonzal-Pass zu Martschinko, während Rapids Abwehr davor eignentlich schon wieder auf dem Rückweg war und dadurch große Räume offenbarte. Durch den Pass von Holzhauser wurde jedoch der nach Ballverlust eigentlich passiv gebliebene Schobesberger „reaktiviert". Dadurch konnten die Austrianer dann auch nicht mehr ruhig aufbauen.

 

Es war für Philipp Schobesberger also einfach gegen die Austria im Pressing zu glänzen, wurden ihm doch konstant Möglichkeiten hierfür am Silbertablett serviert. Neben den vielen Horizontal-Bällen, auch durch unkluge Rückpässe in Zonen, in denen Rapid teilweise sogar Überzahl schaffen konnte.

 

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Bild 8 – Rückpass in eine äußerst gefährliche Zone

 

FAZIT:
Nach taktischen Kriterien gesehen hielt das Derby leider nicht, was es versprach. Für den Rapid-Fan war es jedoch ein mehr als kurzweiliges Vergnügen mit vielen Toren. Wer sich jedoch interessante Maßnahmen der Trainer im Spielaufbau erwartete, mit denen man das gegnerische Pressing aushebeln könnte, wurde bitter enttäuscht. Es dauerte nicht lange, bis beide Mannschaften ihre Unzulänglichkeiten im Spielaufbau unter Druck offenbarten und schnell auf hohe Bälle zurückgriffen. Diese waren bei der Austria offenbar sogar fester Bestandteil des Matchplans. Auch wenn der Plan von Thorsten Fink an und für sich nicht schlecht war, so war jedoch die bekannt unkompakte Mannschaft von Rapid Wien mit ihrer tiefen Abwehrkette sicher der falscheste Gegner, um diesen in die Tat umzusetzen.

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