Schaub bewahrt unkompaktes und manndeckendes Rapid vor Niederlage

In der 3. Runde der CL-Qualifikation kam es zwischen dem SK Rapid Wien und Ajax Amsterdam zum Duell zweier vermeintlicher Ballbesitzmannschaften, die zugleich auch die jeweiligen Vizemeister ihres Landes sind. Fans und Verantwortliche von Rapid hatten sic


Rapid spielte bei gegnerischem Ballbesitz die meiste Zeit im 4-4-2, in dem Steffen Hofmann neben Robert Beric die vorderste Front bildete. Während Letzterer seine Rolle sowohl mit, als auch ohne Ball, extrem passiv interpretierte, zog es den Rapid-Kapitän auch ohne Ball oft ins Mittelfeld, vor allem wenn er seinen Gegenspieler Nemanja Gudelj in Manndeckung nahm. Durch seinen Rückzug entstand ein sehr merkwürdiges 4-1-4-1, in dem Beric an vorderster Front die Innenverteidiger des Gegners meist gewähren ließ.

1

Bild 1 – Steffen Hofmann hat seinen Gegenspieler immer im Auge.

Diese Staffelung gegen den Ball war geprägt von Manndeckungen, welche Stefan Schwab, Thanos Petsos und besonders Stephan Auer zeigten; diese ließen jedoch das Ganze Spiel gegen den Ball sehr instabil werden.

2

Bild 2 – Petsos und Schwab schienen ihre Gegner nicht aus den Augen verlieren zu wollen.

Speziell Auer folgte seinem Gegenspieler Daley Sinkgraven oft die gesamte Spielfeldlänge entlang, während in seinem Rücken dadurch viel Platz frei wurde. Zwar füllte Phillip Schobesberger, sofern er in der Nähe war, diese Löcher auf. Doch oft blieb dieser bei Ballverlust einfach vorne stehen und zockte auf einen eventuellen Konter.

3

Bild 3 – Auer bricht Manndeckung auf Sinkgraven ab, Schobesberger arbeitet nicht nach hinten.

An diesem Abend rückte Auer auch sehr oft aggressiv aus seiner Position raus um Sinkgraven mannzudecken, wenn er dabei nicht abgesichert wurde.

 

 


4

Bild 4 – Auer klebt am holländischen Linksaußen, Schobesberger sichert nicht ab.

In dieser Situation hat der Neuzugang Glück, weil Ajax den Angriff sehr träge abbricht, und über die eigene rechte Seite neustartet. Man konnte jedoch sehen wie Kapitän Davy Klaassen seine Teamkollegen erneut auf die Lücke in Auers Rücken aufmerksam machte.

5

Bild 5 – Auer muss schnell Lücke zu den restlichen Verteidigern schließen.

Generell, war Ajax von Anfang an bestrebt die Manndeckung Rapids aufzubrechen und setzte dafür viel auf Offensivrochaden und Fluidität im Aufbau. Dabei versuchte Sinkgraven seinen Gegenspieler weg vom Tor zu ziehen, und schickte dafür den nach innen einrückenden Außenverteidiger Mitchell Dijks nach vorne. Gudelj war bemüht das Ganze auszubalancieren.

6

Bild 6 – Ajax lässt Rapids Mannorientierungen ins Nichts verlaufen

Während also die Manndeckungs-Ansätze ihrerseits für große Probleme sorgten, gab es ein noch viel simpleres Problem, welches die Rapidler an diesem Abend vor (fast) unlösbare Probleme stellte. Ajax forderte die Rapidler mehrmals dazu heraus, ein wenig aufzurücken und höher zu attackieren. Anscheinend wollte die Mannschaft von Zoran Barisic auch bei Möglichkeit höher attackieren, verlor dadurch aber jegliche Kompaktheit. Die vorderste Front – entweder bestehend aus Hofmann und Beric zu zweit, oder unterstützt durch Schobesberger und Kainz zu viert – verlor oft den kompletten Anschluss ans Mittelfeld, weshalb die Staffelung der Rapidler oft nach einem 4-2-0-4 aussah.

 


7

Bild 7 – Das Barisic’sche 4-2-0-4 im Pressing leicht überspielt.

Der Grund für diese enormen Lücken zwischen den einzelnen Linien von Rapid war aber nicht nur auf die unpassenden Mannorientierungen zurückzuführen; ein großes Problem, welches schon seit Beginn der Ära Barisic besteht, ist die vergleichsweise absurd tiefe Positionierung der Abwehr in fast allen Spielphasen. Es gibt keine Topmannschaft in Europa, welche ihre Innenverteidiger annähernd so tief stehen lässt. Dabei hätte man mit dem schnellen Sonnleitner eigentlich den idealen Spielertyp, um die Abstände zum Mittelfeld kurz zu halten. Stattdessen sind die Mittelfeldspieler gezwungen ihrerseits näher zur Abwehr zu gehen, was wiederum dazu führt, dass die vorderste Front komplett von den Mitspielern abgeschnitten wird. Während das beim geordneten Spielaufbau des Gegners zu großen Problemen führen kann, so wird es bei Ballverlusten in der gegnerischen Hälfte zu einem unkontrollierbaren Dilemma. Dies ist auch der Grund wieso das, von Rapid in der Vergangenheit immer öfter forcierte, Gegenpressing auch dermaßen inkonstant und erfolgs-instabil war. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen waren schlicht zu groß.

8

Bild 8 – ähnliche Szene wie vor dem 2:0, die tiefe Abwehr von Rapid kommt ins Schwimmen.

Barisic hatte aber im Laufe der Jahre versucht, eine Lösung für die tiefstehende Abwehr zu finden. Was man bei Rapid inzwischen sehr häufig beobachten konnte, war das aggressive Rausrücken der Mittelfeldspieler um Lücken nach vorne zu schließen.

9

Bild 9 – Rapid wieder total unkompakt, der freie Spieler zwischen den Linien wird angelaufen.

Das Problem hierbei war, dass es sich meist um große Lücken handelt, und dass die Wege im Rausrücken auch hier wieder einfach zu groß waren. Es kann gut sein ,dass es nicht unmöglich wäre diese großen Lücken zu stopfen. Mit der richtigen Portion „Ehrgeiz“ und „Willen“ wäre dies vielleicht zu bewältigen, doch es wäre keine dauerhafte Lösung für die strategischen Mängel von Trainer Barisic; dieser kann sich nämlich immer darauf berufen ,dass seine Spieler „verschlafen“ oder zu „wenig Laufbereitschaft“ gezeigt hätten. In der folgenden Szene auf Bild 10 konnte man erkennen welche Ausmaße dass Verschleiern der Unkompaktheit annahm.

 


10

Bild 10 – Hofmann versucht Schwabs verrückten Lauf abzusichern.

In Rapids schlechtem Pressing stand Riechedly Bazoer vollkommen frei und bereit angespielt zu werden. Das erkannte Schwab und rückte aus seiner tiefen, verbindungslosen Position aggressiv heraus, um Bazoer bei der Ballannahme zu stören. Da es sich dabei aber um einen 30-40 Meter Laufweg handelte kam Schwab zu spät, gleichzeitig machte sich Steffen Hofmann auf den Weg, den Laufweg von Schwab in die andere Richtung abzusichern. Das alles hätte mit einer höheren Positionierung der Abwehrreihe vermieden werden können. Wie man eigentlich hätte pressen können demonstrierte Ajax einige Male sehr gut.

11

Bild 11 – Offensivpressing von Ajax zwingt Rapid zu Ballverlust am eigenen Sechzehner.

Dabei muss man auch sagen, dass das Spiel mit Ball bei Rapid um Einiges durchdachter und stabiler war als das Spiel ohne. Vor allem der initiale Spielaufbau war geprägt von guten Entscheidungen, sinnvollen Staffelungen und vertikalen Kombinationen.

12

Bild 12 – vertikale Spielverlagerungen schlagen holländisches Angriffspressing.

Auch Stephan Auer konnte hier sein Können besser zeigen, musste er ja nicht irgendwelchen Gegenspielern blind nachlaufen und wurde in Ballbesitz sogar oft von Petsos abgesichert.

13

Bild 13 – Auers Vorwärtsdrang wird halbrechts von Petsos ausbalanciert.

Einzig allein die Rolle von Robert Beric verwunderte. Im Spiel gegen den Ball beteiligte er sich fast nie, das führte dazu, dass die Mannschaft am eigenen Strafraum immer im 4-4-1-0 verteidigen musste, weil Beric vorne stehen blieb. Dabei isolierte er sich außerdem noch selber ab, indem er sich in Unterzahlsituationen festsetzte. Ich dachte bis zuletzt, dass es sich hierbei um Strategie handelte, bis man folgende Szene mehrmals beobachten konnte.

 


14

Bild 14 – Rapid kontert … mit einem Mann weniger.

Rapid konnte hier einen guten Ballgewinn verzeichnen und wollte den sofortigen Weg zum Tor suchen. Hier hätte man die extrem hohe Positionierung von Beric ausnutzen und mit ihm sofort in die Tiefe spielen können. Beric präferierte es jedoch schnell ganz nach vorne in die Spitze zu laufen und sich dort dann abzuisolieren. Schobesberger leitete den Konter gut ein, fand sich dann aber irgendwann ohne Anspielstation wieder, weshalb der Konter fehlschlug.


Der Rhythmus der Partie änderte sich erst nach gut einer Stunde, und das in zwei Phasen. Zunächst sah Schwab die dunkelrote Karte nach einer beidbeinigen Fluggrätsche. Dies führte zunächst dazu, dass Rapid nicht mehr auf die Idee kam vorne zu attackieren, sondern gezwungen war sich mit den verbliebenen Spielern zurückzuziehen. Und das tat auch der gesamten Kompaktheit des Teams gut.

15

Bild 15 – Rapid aus der Not heraus kompakt.

Beric ist zwar erneut sehr passiv, doch auch er zumindest hinter dem Ball. Nach 69 Minuten brachte Zoran Barisic schließlich mit Louis Schaub den wohl stärksten Spieler im Kader der Grün-Weißen und hinter Jonathan Soriano den wohl besten Spieler der österreichischen Liga. Er fiel sofort mit zwei Dribblings in hoffnungsloser Unterzahl auf, in denen er nicht nur eine Linie des Gegners ausdribbeln konnte, sondern danach auch in der Lage war den Kopf zu heben und eine sinnvolle Folgeaktion einzuleiten. Oft wurde er – auch der Unterzahl nach dem Platzverweis geschuldet – in Situationen angespielt in denen er sehr isoliert gegen viele Gegner mit dem Rücken zum Tor stand, doch er konnte fast jeder dieser Aktionen, in seinen knapp 20 Minuten Spielzeit, lösen und Rapid begann langsam aber sicher wieder die Oberhand zu gewinnen – trotz Unterzahl. Es war schließlich auch Schaub der das erlösende 2:2 von Robert Beric mustergültig auflegte. Wir werden in Zukunft noch sicherlich sehr viel vom 20-Jährigen Schaub zu hören bekommen.

Fazit:

Die Mannschaft von Zoran Barisic spielte über weite Strecken der Partie katastrophal im Spiel gegen den Ball und durfte froh sein, nicht mit einem viel höhreren Rückstand in die Halbzeitpause zu gehen. Die Mannorientierungen sowie die gänzlich fehlende Kompaktheit spielte dem holländischen Champions-League Sieger von 1994 in die Karten. Erst die aus der Not heraus geborene Defensiv-Staffelung nach dem Ausschluss von Schwab brachte genug Stabilität, so dass Louis Schaub in der Endphase nochmal das Blatt zugunsten der Rapidler wenden konnte. Selbstverständlich ist das 2:2 immer noch keine gute Ausgangssituation, doch „der Sieg der Moral“ könnte im Rückspiel noch wichtig werden.