2015

Kollers Meisterstück gegen schwedisches ‚Kick and Rush'

Mit dem Sieg gegen Schweden qualifizierte sich das Team nicht nur für die Europameisterschaft. Auch aus taktischer Sicht lieferte Trainer Marcel Koller sein bisheriges Meisterstück ab. Eine Taktik-Analyse von Momo Akhondi

 

Einen Punkt hat die österreichische Nationalmannschaft aus den verbleibenden drei Spielen noch gebraucht, um das Ticket nach Frankreich zu lösen. Gleich beim ersten Versuch haben Alaba, Arnautovic & Co mit einem Sieg in Schweden nicht nur die Qualifikation, sondern auch den Gruppensieg fixiert. Auch zwei Tage danach sind die Emotionen hoch – zu Recht. Das Auswärtsspiel war dabei das Meisterstück von Teamchef Koller. An selber Stelle, an der man zwei Jahre zuvor noch den Kürzeren zog, konnte man den Schweden klar die Grenzen aufzeigen. Eine kurze, leicht euphorische Aspektanalyse:

 

Zunächst ist es wichtig anzumerken, dass gegen verzweifelt anlaufende Schweden die Spielanlage der Österreicher naturgemäß nicht vergleichbar war zu der gegen Moldawien, drei Tage zuvor. Gegen den Tabellenletzten war aufgrund der wenigen Räume sowie der nicht vorhandenen Konterbereitschaft des Gegners, weder Pressing noch offensives Umschalten besonders gefragt. Viel mehr war es wichtig, mit 73% Ballbesitz den gegnerischen Abwehrklotz zu zerspielen. Das gelang bekanntermaßen – wenn auch nicht herausragend gut -, doch es reichte – und auch das spricht mittlerweile für das Team - für einen lockeren und ungefährdeten Sieg.

 

Die Schweden wussten, dass ihnen nicht nur die Russen sondern auch die Montenegriner im Nacken sitzen. Spielerisch gibt es gegen diese österreichische Mannschaft und seinem Pressing, wohl kaum eine Nationalmannschaft, die es sich zutrauen würde, durchgehend einen kontinuierlichen Spielaufbau voranzutreiben. Presste man vor zwei Jahren noch ein wenig unbalancierter, teilweise zu hoch und teilweise auf hoffnungslose Bälle, so hat man spätestens in Russland gesehen, dass das Pressing von Marcel Kollers Mannschaft auf Nationalteamniveau zur absoluten Spitze gehört.

 

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Bild 1 – Österreichs Pressing wie gewohnt

 

Dabei agiert man aus einer 4-4-2 Grundordnung heraus, in der die beiden Stürmer Junuzovic und Janko die laufintensivste Aufgabe vorfinden, da sie die gesamte Breite kontrollieren müssen und versuchen, den Gegner auf die Außen zu locken. Da das auf die Dauer schwer wird und sich zwischen den beiden oft kleine Lücken bilden, hat das Nationalteam einen zusätzlichen Mechanismus im Pressing.

 

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Bild 2 – Alaba rückt raus

 

Hier erkennt man, dass die Lücke für die Schweden bespielbar wird und Källström orientiert sich in diese rein. Alaba erkennt dies wiederum und rückt aggressiv heraus. Österreichs 4-4-2 wird zu einem 4-1-3-2. Källstrom dreht in dieser Situation ab und verfolgt den Spielaufbau nicht mehr. Kaum nimmt man den Schweden die Optionen in ihrem halbherzigen Spielaufbau, schlagen sie sofort hohe, weite Bälle auf die Stürmer, wo neben Ibrahimovic und Berg auch Emil Forsberg auf den Luftzweikampf wartet. Etwas ballferner rückt hier dann auch ein vierter Aktuer mit, womit es hinten zu einem vier gegen vier kommt.

 

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Bild 3 – schwedisches Kick and Rush, Klappe 1

 


Der große Denkfehler bei Schweden-Coach Hamren
Hier erkennt man auch schon den großen Denkfehler bei Schweden-Coach Hamren, sofern sein Kick-and-Rush-Spektakel beabsichtigt war: Österreich stand zu fast jedem Zeitpunkt kompakt, ließ sich trotz Pressing nicht auseinanderziehen, wie es vielen Mannschaften sonst und auch der österrechischen Mannschaft vor zwei Jahren in Stockholm passierte. Dadurch, dass man so eng steht, hat die Mittelfeldreihe auch beste Vorraussetzungen, um den zweiten Ball zu erobern, weshalb trotz massiver Überladung und Ibrahimovic' Präsenz, die hohen Bälle der Schweden selten besonders gefährlich wurden. Das lag vor allem am klugen und ambivalenten Verhalten der österreichischen Sechser. Sie rücken zwar oft aggressiv heraus, um den gegnerischen Spielaufbau zu stören, erkennen jedoch schnell, wenn der Gegner diesen aufgibt und bewegen sich antizipativ wieder zurück, ohne die Kompaktheit zu gefährden. Meist rückt dabei auch Alaba heraus um zu pressen. Nur selten ist es Julian Baumgartlinger, der zu den Stürmern vorrückt. Dabei zeigt der Mainz-Kapitän kein so gutes Timing wie sein Partner auf der Doppel-Sechs. Dies führte auch zu den einzigen Situationen, bei denen es gefährlich wurde.

 

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Bild 4 – Österreich hat Sechserraum nicht unter Kontrolle, Ibra kann den 2. Ball frei annehmen.

 

Hier fehlt es Alaba klar an Unterstützung, die Schweden können den Luftzweikampf für sich gewinnen und Ibrahimovic kommt recht frei an den Ball, lässt sich dann aber einfach nach außen leiten, wo die Hereingabe von Olsson jedoch von Alaba geklärt wird.

 

Da dies jedoch die Ausnahme blieb, waren die Kick-and-Rush-Szenen meist eher so:

 

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Bild 5 und 6 – schwedisches Kick and Rush. Klappe 2 und 3

 

Was außerdem auffällt, ist die recht zockende Rolle von Martin Harnik. Wenn Alaba – selten aber doch wie auf Bild 4 - von den Kollegen mal allein gelassen wird, dann meistens von Baumgartlinger und dem sehr diszipliniert verteidigenden Arnautovic. Martin Harnik ist in der Rückwärtsbewegung viel zaghafter, er versucht viel mehr mit seiner hohen Position auf den nächsten Konter zu „zocken", was bei zwei erzielten Toren natürlich gefruchtet hat. Er bringt seine Mannschaft dadurch auch manchmal in kleine Probleme, diese waren aber zu verzeihen.

 

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Bild 7 – Schweden erkennt die vermeintliche Harnik-Schwachstelle

 

Hier sieht man wie Harnik - im Vergleich zum Rest der Mannschaft - die Rückwärtsbewegung vernachlässigt, wodurch der ballferne Flügel recht offen erscheint. Diesen fokussieren die Schweden klugerweise auch, doch die lange Seitenverlagerung ist viel zu lange in der Luft, als dass sie die Österreicher vor gröbere Probleme stellen kann. Außerdem ist Harnik auch im ordentlichen Ketten-Verschieben nicht so rigoros wie der Rest der Mannschaft. Was sich in ein oder zwei Situationen bemerkbar machte.

 

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Bild 8 – kompakte Abwehr, luftiges Mittelfeld


Hier sieht man, wie luftig die Mittelfeldreihe im Vergleich zur disziplinierteren Abwehr steht. Die Schweden können sogar in den gelben Raum durchstechen, womit Österreich kurz ohne Zugriff blieb. Diese Szene blieb jedoch eine absolute Ausnahme. Natürlich hätten die Schweden mit geduldigerem Spiel diese Lücken ordentlicher bespielen können und so noch zu einer echten Gefahr werden, doch dies war nicht der Fall. Viel mehr war Martin Harnik durch seine risikohafte Positionierung im Konter für die Schweden sehr schwer zu fassen, zu viel Konzentration auf unsere Nummer 11 destabilisierte die Restverteidigung der Schweden beim Konter und sorgte dafür, dass Österreich bis in die letzte Minute der Nachspielzeit stets für ein Tor gut war.

 



Was uns zum letzten Teil der Analyse bringt: das Verhalten der Österreicher bei Ballbesitz. Durch die höhere Dynamik im Spiel und den häufigeren Umschaltphasen, waren die Österreicher insgesamt lauffreudiger und dadurch auch ballorientierter als zuletzt. Man konnte, im Gegensatz zum Moldau-Spiel, flexibleres Überladen der Flügel beobachten, wohingegen die linke Seite vor ein paar Tagen noch recht verwaist war.

 

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Bild 9 – Arnautovic gut unterstützt, Alaba schon unterwegs und Klein hält die Breite

 

Durch den hohen Fokus auf die linke Seite, welche eben auch besser überladen wurde, kann man Martin Harnik sowohl beim eigenen Spielaufbau, als auch bei Kontern für die finale Spielverlagerung im letzten Drittel, als Zielspieler benutzen. Das beweisen auch seine beiden Tore, welche beide über die linke Seite vorgetragen und erst ganz zum Schluss über rechts abgeschlossen wurden.

 

FAZIT
Die Schweden waren von Beginn an auf Sieg aus, fokussierten sich auf hohe Bälle auf die letzte Linie und wollten dort mit Zlatan Ibrahimovic eine Vormachtstellung aufbauen. Dabei waren jedoch die Staffelungen für den Kampf um den zweiten Ball sehr schlecht, beziehungsweise jene der Österreicher herausragend gut. Dabei konnte man mit eigenen Angriffen immer wieder Nadelstiche gegen das schwedische Kick and Rush setzen. Dieses wurde hingegen wurden mit Fortdauer der Partie immer verzweifelter und die Schweden konnten der österreichischen Mischung aus klugem Pressing vorne, kompaktem Verteidigen dahinter und brandgefährlichen Kontern nicht mehr standhalten. Ihre Angriffsversuche wirkten dann recht improvisiert.

 

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Bild 10 – was ist schwedisch für „Spielaufbau – nicht genügend" ?


Wer sich hier müht, klug positionierte Schweden im Zwischenlinienraum zu suchen, der verschwendet seine Zeit. Dabei ließen sich ja die Österreicher auch nach hinten drängen und verloren dabei ein wenig die Verbindungen innerhalb der Formation. Es wäre daher eigentlich genug Zeit und Raum für einen klug vorgetragenen Angriff der Schweden. Stattdessen gibt es: schwedisches Kick and Rush, die finale Klappe.

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