Die russische Taktik: Einfach, aber effektiv

"Das System von Russland wird sich nicht großartig ändern. Sie versuchen es mit Pressing und wenn das nicht geht, gibt es einen Rückzug bis zur Mittellinie, wo sie dann überfallsartig versuchen nach vorne zu kommen", sagt ÖFB-Teamchef Marcel Koller über G

 

Fabio Capello coacht die Sbornaja seit 2012. In dieser Zeit vertraute er vornehmlich auf ein 4-3-3 mit zum Teil unterschiedlicher Raumaufteilung im Mittelfeld: Mal mit zwei Sechsern, mal mit zwei Achtern. Ob das dann systemisch als ein 4-1-4-1 oder 4-2-3-1 beschrieben wird, ist fast egal. Dabei setzt Capello meistens auf klare taktische Strukturen. Das dicht gestaffelte Mittelfeld versucht vor allem, dort Überzahl zu generieren. Das war beispielsweise beim 1:0 Österreichs im Herbst der Fall. Nach der österreichischen Sturm-und-Drang-Phase überluden die Offensivkräfte der Russen das Zentrum, indem die ballfernen Außenbahnspieler einrückten. Dadurch lief das Spiel, vergleichbar mit Österreichs stärkerer linken Seite mit Arnautovic/Fuchs und einem einrückenden Harnik auf der anderen Seite, eher auf eine Seite; zumeist geht es dann über die eigene linke Seite.

 

Weite Wege der Mittelfeldzentrale
Die Mittelfeldzentrale der Russen wiederum geht dabei weite Wege. Es ist durchaus zu erwarten, dass die mit dem Rücken zur Wand stehenden Capello-Schützlinge vor allem zu Beginn sehr viel Druck aufbauen werden und ordentlich pressen werden. Da hilft ihnen die Überzahl in der Mittelfeldzentrale. Zielpunkte für das Pressing werden die heimischen Sechser und die Innenverteidiger sein. Hierbei hilft es Österreich wiederum, dass neben Julian Baumgartlinger mit Ilsanker ein defensiver Sechser agieren wird Möglicherweise setzt Koller aber auch auf Dragovic als Sechser – so wie schon im Auswärtsspiel gegen Schweden im Rahmen der WM-Qualifikation. Inwieweit diese vergleichsweise pressingresistent spielen können wie David Alaba wird der spannende Punkte sein. Zumindest die Innenverteidigung kann damit umgehen. Aleksandar Dragovic mit seiner Technik (sofern er nicht als Sechser agiert), Martin Hinteregger mit den weiten Bällen – beides ermöglicht unter hohem Druck einen zielgerichteten Spielaufbau.

 

Rückzug
Bei einer frühen Führung oder wenn der Anfangssturm torlos verpufft (sowie auch im Grunde bei gegnerischem Ballbesitz), zieht sich die Sbornaja gerne tief in die eigene Hälfte zurück. Mit typisch italienischer tiefer Verteidigung, die sich durch gute Raumaufteilung und Kontrolle des gegnerischen Zwischenlinienraums auszeichnet, sind schnelle Gegenstöße das Mittel zum Zweck. Dafür geeignete Spieler hat Capello. In besonderen Situationen kann die russische Nationalmannschaft aber durchaus auch offensiver und mit einem zweiten Strafraumstürmer und Umstellungen im Mittelfeld deutlich höher agieren. Das geschah im Hinspiel in Wien in der Schlussphase. Capello stellte auf ein flacheres, offensiveres Vierermittelfeld um und brachte mit Kokorin einen Zehner; es entstand ein druckvolles 4-4-1-1. Das ist dann aber eher die Version Brechstange.

 


Nur vier Niederlagen bisher
Unter Capello gab es nur vier Niederlagen. Zwei 0:1-Auswärtsniederlagen in Portugal und Nordirland in der WM-Quali für 2014, eine weitere 0:1-Niederlage in der Gruppenphase der WM gegen Belgien und eben das 0:1 in Wien. Den Russen fehlt es bis zu einem gewissen Punkt einfach auch an offensiver Durchschlagskraft. In nur sieben Spielen gelangen unter dem Italiener mehr als vier Tore und darunter befinden sich nur fünf Bewerbsspiele, zwei Mal hieß der Gegner Israel, zwei Mal Luxemburg, einmal Liechtenstein. Ohne dem 3:0 am grünen Tisch in Montenegro im Herbst gelang in den vergangenen Jahren also kein "Highscore-Game" gegen einen Gegner, der mit Österreich in einer Güteklasse wäre.

 

Keine Legionäre
Ein möglicher Grund ist der größtenteils fehlende internationale Vergleich für die Kicker. Im reduzierten Kader steht kein einziger Legionär. Für den Klubfußball war die Saison quasi zu vergessen. ZSKA Moskau schied in der Champions League-Gruppenphase aus, Zenit St. Petersburg musste in die Europa League umsteigen, wo für sie und Dynamo Moskau im Viertelfinale Schluss war. Diese beiden Klubs waren die einzigen, die im europäischen Frühjahr mit dabei waren. Es ist also ein Indiz dafür, dass man sich von Russland aus international gegenwärtig schwer tut, auch wenn die Spieler freilich ihre Qualitäten haben, wie etwa ein gutes Bespielen des Raums. Zudem sind sie sehr dynamisch. Die lange Liste an Legionären in Topligen der Österreicher sollte sich aber doch auch niederschalgen. Denn die sind möglicherweise ein schnelleres Spiel und höheren Druck gewohnt. Umgekehrt kann das dazu führen, dass die russischen Spieler unter Druck Probleme bekommen, weil sie diesen im Gegensatz du den Österreichern nicht in der Form gewohnt sind.

 

Im Zentrum ackern
Unterschätzen sollten man die Einfachheit des russischen Spieles aber auch unter diesen Gesichtspunkten nicht. Österreich muss im Zentrum ackern, um den Russen hier wenig Spielraum zu geben. Aber es hat schon einmal ohne David Alaba geklappt, warum kein zweites Mal? Noch dazu steht am Sonntag nicht Österreich unter Zugzwang, kann sich auf defensive Aufgaben konzentrieren. Freilich, auch Team Austria geht oft fahrlässig mit den Chancen um, aber ein Sieg ist gegen die biederen, wenig Tore schießenden Russen allemal drinnen.