2015

Canadis Taktik hilft Austria wieder auf die Beine

Die Wiener Austria befreite sich mit einem 5:2 zumindest für eine Woche aus dem medialen Gerede rund um Trainer Gerald Baumgartner. Die Altacher erwiesen sich als dankbarer Gegner, da der Versuch von Altach-Trainer Damir Canadi, das Ballbesitzspiel zu for

 

Die Wiener Austria ist trotz Aufbruchsstimmung und dem ausgerufenen Ziel CL-Qualifikation mit dem 0:1 beim WAC denkbar schlecht in die Rückrunde gestartet. Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: Die Austria versuchte es über einen sauberern Spielaufbau und hatte dadurch 63% Ballbesitz. Dank dem abkippenden James Holland hatte man eine sehr breite Dreierkette und konnte die Bälle dadurch mit günstigem Winkel zu den beiden Außenverteidigern Koch und Suttner spielen. Diese wurden jedoch am Flügel stark isoliert und dadurch konnten die Kärntner einen Ball nach dem anderen erobern. Im Spiel gegen den Ball reichte eine fatale Unachtsamkeit von Alexander Gorgon um das einzige Gegentor des Tages zu erhalten (siehe Bild 1).

 

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Bild 1 – Zulechner läuft den roten Bogen und lenkt den Gegner bewusst ins Zentrum und in den linken Halbraum. Gorgon macht jedoch keinen Druck, sodass Rnic mit dem Ball am Fuß bis zur Mittellinie kommt.

 

Deutliche Verbesserung gegen Altach
Beide Punkte waren gegen den SCR Altach klar verbessert. Es wurde nicht auf Teufel komm raus vorne gepresst. Nur bei bestimmten Pressingtriggern wie unsauberen Rückpässen oder einfach direkt nach Anstoß und Abstoß wurde weiter vorne attackiert. Ansonsten verzichteten die zwei vordersten Spieler Zulechner und Kvasina weitesgehend darauf, die Innenverteidigung der Altacher anzulaufen (siehe Bild 2).

 

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Bild 2 – schlechter Rückpass, Altach hinten isoliert, das ist das Zeichen für die Wr. Austria zu stören.

 

Die Altacher waren dafür aber auch ein alles in allem dankbarer Gegner. Entgegen aller Aufstellungsgrafiken von ORF und Sky fingen die Altacher im 3-4-3 (bzw. 3-5-2) an und hatten scheinbar auch nichts dagegen, den Ball in den eigenen Reihen zu haben.

 

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Bild 3 – Grundaufstellung Altach

Hinten spielte die Dreierkette mit Zech im Zentrum und Zwischenbrugger sowie Gercaliu als Halbverteidiger. Kovacec und Lienhart fungierten als Flügelläufer teilweise sehr hoch am Spielfeld und besetzten fast konstant die Breite. Im Zentrum agierte Netzer an der Seite von Jäger und Bodul, Aigner, Salomon agierten im Sturm wobei sie auch in dieser Konstellation das Pressing betrieben.

 

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Bild 4 – Altacher Pressing im 3-4-3

 

Hier war oft das Problem, dass der Abstand der vorderen drei Spieler zum Rest der Mannschaft im Laufe des Spiels immer größer wurde und man das Pressing der Altacher recht leicht zerspielen konnte.

 


Altachs Ambitionen
Die Altacher versuchten mit dieser Formation wohl einerseits, ihr eigenes Ballbesitzspiel auf ein neues Niveau zu heben. Andererseits war es wohl auch das Ziel, mit den breiten Lienhart/Kovacec den starken Ballfokus der Mannen von Gerald Baumgartner auszunutzen. Einerseits, um schnell das Spiel auf die ballferne Seite zu verlagern und andererseits, vielleicht einen Außenverteidiger der Austria am Flügel zu binden und dann den Halbraum zwischen Innen- und Außen-verteidigung zu bespielen. Dies wurde von Canadi auch einige Male so von außen gefordert.

 

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Bild 5 – Die Spieler der Austria immer kompakt in Ballnähe und Lienhart (roter Kreis) hält die Breite

 

Jedoch war diese Variante an diesem Nachmittag komplett wirkungslos, da die Mannschaft von Gerald Baumgartner darauf anscheinend vorbereitet war.

 

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Bild 6 – Austria kann Kompakt bleiben und Lienhart in Schach halten

 

Wenn Rechtsverteidiger Koch rausrücken muss, um Druck auf den Ballführenden auszuüben, hält Rotpuller besonders auffallend oft seine Position. Viel eher ist es dann James Holland, der die Lücke zwischen den beiden violetten Kreisen stopft. Dadurch kann man eine gewisse horizontale Breite halten und trotzdem noch Druck auf den Ballführenden ausüben. Dass dies einstudiert sein könnte, bestätigt auch die folgende Szene, bei der die Altacher die Seite verlagern können:

 

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Bild 7 – Rotpuller diesmal schnell im Verschieben

 

Hier kommt der Ball zu Lienhart und Rotpuller verschiebt schnell auf die Seite und kann sie binnen kürzester Zeit wieder zu machen.

 


Altacher Absicherung fehlte extrem oft
Dass Altach nach knapp einer Stunde dann bereits mit drei Toren im Rückstand lag, war laut Canadi der vielen „gravierenden Einzelfehler" geschuldet. Fehler, die bitter bestraft werden, wenn es an der nötigen Absicherung fehlt, was an diesem Nachmittag extrem oft der Fall war. Canadi bekrittelte bereits gegen die Admira die Rückwärtsbewegung seiner Mannschaft und in der Tat sah es auch gegen die Austria teilweise nicht gut aus.

 

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Bild 8 – Umschalten auf Defensive

 

Wie auf Bild 8 zu sehen, sind neun Spieler der Voralberger in der Hälfte des Gegners. Dadurch hätte man wohl bei Ballverlusten einfacher in Gegenpressing-Situation kommen sollen und durch simple Überzahl in Ballnähe alle Passwege des Gegners zustellen können. Hier haben jedoch acht Altacher (schwarze Kreise) keinerlei Zugriff auf den ballführenden Meilinger. 1gg1-Maschine Meilinger lässt dann seinen Gegenspieler stehen und kann einen der unzähligen Konter der Wr. Austria einleiten.

 

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Bild 9 – Umschalten leicht gemacht

 

Meist sah das Ganze dann so aus: die Austria mit einem 2gg2 in der Hälfte der Gäste. Das große Problem, vor dem die Altacher standen, war die enorme Präsenz der Austrianer in Ballnähe. Immer wieder konnte man mit drei bis vier Mann Druck auf den Ballführenden ausüben und ihn dadurch vom Ball trennen. Dies ist jedoch für Mannschaften von Gerald Baumgartner keine Neuigkeit (siehe Bilder 10 und 11).

 

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Bild 10/11

Besonders erschwerend kam hinzu, dass die Dreierkette komplett floppte und fast in jeder Situation in Bedrängnis kam (Bild 12).

 

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Bild 12 – nicht unterstützte Dreierkette steht auf verlorenem Posten

 

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Dreierketter auf verlorenem Posten
Da Lienhart und Kovacec so weit vorne aufrückten, stand die Dreierkette meist auf verlorenem Posten, wobei sie vor allem in der ersten Hälfte zu oft viel zu breit stand und keinerlei horizontale Kompaktheit vorweisen konnte. Zwischen Zech und den Halbverteidigern war oft enorm viel Platz. Nach der Auswechslung des zu langsamen und überforderten Zwischenbrugger, rückte Lienhart eine Position zurück und Tajouri übernahm den Part am Flügel. Durch diese Umstellung konnte die Abwehr zumindest ein wenig kompakter stehen. Bei vielen Umschaltaktionen war dann der ballferne Flügel verwaist, auch wenn das Zentrum dann kompakt zugemacht wurde: so geschehen vor dem 4:2.

 

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Bild 13 – Gorgon kann auch der kompakten Dreierkette wehtun

 

Die extrem breite Dreierkette war außerdem im Spielaufbau ein gefundenes Fressen für das Pressing der Austria. Den kurz abgespielten Abstoß von Lukse konnte die Austria in der 11. Minute gleich für sich behaupten. Zwischenbrugger konnte auf rechts sehr leicht isoliert werden und ihm wurde keine andere Option gelassen als Lienhart anzuspielen und dadurch die Pressingfalle der Austria zu aktivieren. Es blieb bei diesem einen Aufbauversuch der Gäste. Im Laufe der Partie ließ sich dann Netzer immer öfter simpel fallen, um die schwache Abwehr aufzufüllen. Doch auch dies geschah eher zaghaft und war daher wohl nicht vom Trainer vorgegeben.

 


FAZIT: Canadi kämpft mit Kinderkranheiten
Die Geschichte des Spiels ist auch hier schnell erzählt. Canadis Mannschaft scheint ein paar Elemente für den Ballbesitzfußball einstudiert zu haben, doch man hat hier noch mit schweren Kinderkrankheiten zu kämpfen. Der Gegner wird bei eigenem Ballbesitz nicht annähernd so geleitet, wie es nötig wäre, um bei Ballverlust eine halbwegs adäquate Staffelung zum Gegenpressen vorzufinden. Stattdessen steht man bei Ballverlust meist sehr schlecht und musste dadurch unzählige Konter hinnehmen, auch weil es an der nötigen Absicherung mangelte. Weiters hatte man mit der Dreierkette zu keinem Zeitpunkt die gesamte Breite hinten unter Kontrolle, was natürlich auch mit dem schlechten Umschaltverhalten der restlichen Mannschaft zusammenhängt. Dies wirft jedoch unweigerlich die Frage auf, wieso Canadi seiner schwächelnden Mannschaft nicht geholfen hat und die extreme Anfälligkeit für Konter scheinbar hingenommen hat.

 

Die Wiener Austria konnte hingegen mit einer extrem starken Partie in puncto Balleroberungen und Umschaltverhalten die Altacher durchgehend unter Druck setzen und so auch in der Höhe einen verdienten 5:2-Sieg einfahren, der dem Trainerteam vorerst wieder ein wenig Luft zum Atmen gibt.

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