2015

‚Salzburger Kinderfußball' holt sich Platz zwei

Wild, chaotisch und unstrukturiert: Beim Absichern im Gegenpressing und in der Restverteidigung ist Red Bull Salzburg weiterhin von der Schmidt-Hochphase weit entfernt. Mit gewohnt gutem Angriffspressing und sinnvollen Überladungen im Zwischenlinienraum h

 

Red Bull kommt in der heimischen Liga immer besser in die Gänge. Nach dem Sieg gegen die Burgenländer liegen die Salzburger nach dieser Runde sogar auf Platz zwei. Mattersburg zeigte sich in dieser Partie als phasenweise unangenehmer aber schlussendlich dankbarer Gegner.

 

Ivica Vastic schickte seine Mannschaft wie schon im Hinspiel in einem nominellen 3-5-2 aufs Feld, das am Platz jedoch viel eher zu einem 5-3-2 wurde. Die drei zentralen Abwehrspieler – Maksimenko, Mahrer, Malic – wurden immer wieder von den Flügelverteidigern Farkas und Höller unterstützt. Dabei kam es, wie so oft, zum klassischen Dreierketten/Fünferketten-Dilemma.

 

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Bild 1 - Abstand zwischen Höller und Malic unpassend

 

Höller befindet sich in der Rückwärtsbewegung und weiß nicht wirklich, ob er sich am gegnerischen Spieler oder an Mitspieler Malic orientieren soll und lässt dadurch den rot markierten Halbraum offen. Malic hingegen traut sich nicht aus der Position heraus, wahrscheinlich zweifelnd, dass seine Mitspieler ordentlich absichern. Dabei steht Farkas (#17) eigentlich gut, damit hier im gesamten Defensivverbund ballorientierter agiert werden könnte. Berischa nutzt diese Unsicherheit aus, läuft zwischen Höller und Malic durch und hat dann auch noch viel Zeit und Raum für eine Hereingabe.
Das Hergeben der Halbräume war ein Problem, das die Mattersburger in der ersten halben Stunde nicht in den Griff bekommen sollten.

 

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Bild 2 - Halbraum (in rot) steht offen, Red Bull Salzburg bespielt eben diese Lücke.

 

Erst die Verletzung von Malic und die damit verbundene Einwechslung von Lukas Rath brachte eine Umstellung zurück zur Viererkette. Jetzt agierte man in einem 4-1-4-1 mit Jano als Sechser vor der Abwehr, der vor allem die Aufgabe hatte, den Zwischenlinienraum zwischen den beiden Viererreihen zu schließen. In diesem 4-1-4-1 wurde der Halbraum auch konsequenter besetzt. Hierfür war vor allem der ballseitige offensive Flügelspieler verantwortlich. Deshalb wechselte auch Kapitän Farkas die Seiten und landete im rechten Mittelfeld, von wo er sich oft gut in den Halbraum zurückfallen ließ.

 

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Bild 3 – Viererkette steht sehr zentral, Farkas schließt den Halbraum.

 

Lange Zeit konnte man die Salzburger in dieser Formation auch gut neutralisieren. Selber konnten die Mattersburg durch zwei Nadelstiche die frühe Führung der Bullen drehen und dadurch eine gute Ausgangsposition erspielen, um hinten die ersten beiden Linien kompakt zu überladen.

 

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Bild 4 – Salzburg mit gutem, wenn auch hektischen Ballbesitzspiel.

 

Die Mattersburger stehen zentral äußerst kompakt, die Bullen besetzen die Räume jedoch ausgesprochen gut und haben auch die Spieler, um zwischen die Linien zu kommen. Vor allem Minamino und Berisha – oberster und unterster roter Kreis – halten den Raum für Keita, Soriano und Damari in der Mitte schön offen. Für Schwegler sind diese drei auch gut erreichbar; der Ball landet schlussendlich bei Soriano, der mit Keita einen Doppelpass spielt und schlussendlich vor dem Tor landet. Eine ähnliche Szene führte auch zum Ausgleich durch Soriano.

 

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Bild 5 – Keita zwischen den Linien, Jano erst unterwegs.


Man sieht, dass das Vierermittelfeld im Vergleich zur Viererabwehr viel breiter steht, was vielleicht daran liegt, dass man sich mit dem zusätzlichen Spieler Jano in Sicherheit wähnt. Dieser hat jedoch Schwierigkeiten, den Zwischenlinienraum in der gesamten Breite zu sichern. Der Ball kam vom rechten Flügel über Schwegler zu Benno Schmitz. Jano stand zunächst auch weiter am rechten Flügel – aus Sicht von Salzburg – und befindet sich hier noch im Verschiebelauf Richtung links. Deshalb bekommt Keita den Ball hier sehr leicht zwischen den Linien. Auch dank Berisha und Ulmer, welche im Rechteck unten verhindern, dass die Mattersburger noch enger stehen können. Höller und Farkas müssen diese dadurch im Auge behalten.

 


Ein weiteres Problem für die Mattersburger waren die ausweichenden Läufe des eingewechselten Nielsen. Während Damari und Soriano beide die meiste Zeit sehr zentral standen, wich Nielsen gerne auf den linken Flügel aus. Die Mattersburger konzentrierten sich jedoch vor allem auf das Zentrum und überluden dieses meist mit allen vier Abwehrspielern. Dabei blieb der Flügel oft verwaist, was gegen die Salzburger auch oft gut geht. Wenn dann jedoch das Mittelfeld noch in der Rückwärtsbewegung ist entstehen solche Szenen.

 

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Bild 6 – Nielsen stößt in die geöffnete Seite.

 

Das Ballbesitzspiel der Salzburger war also durchaus stimmig, wenn auch sehr hektisch in der Ausführung. Die besten Szenen hatten die Bullen, wenn sie im ersten Versuch scheiterten und dann ein weiteres Mal geduldig aufbauen mussten.

 

Hapern tut es jedoch nach wie vor an der Absicherung, insbesondere der Restverteidung im eigenen Ballbesitz. Der Begriff Restverteidigung beschreibt das Verhalten der eigenen Mannschaft im Angriff, also wenn man selber in Ballbesitz ist. Wie auf Foto 4 zu sehen ist, stehen alleine fünf Spieler der Salzburger zwischen den Linien des Gegners. Wenn dann bei einem Ballverlust auch noch zwei weitere Spieler zum Gegenpressing dazukommen, entstehen sehr schlecht besetzte Rückräume.

 

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Bild 7 – die halbe Mannschaft im Rückwärtpressing, Miranda potenziell 1vs2. 

 

Nachdem das Überspielen von zwei gegenpressenden Spielern für den Gegner durchaus machbar ist, kommen die Mattersburger schnell in die Spitze, dort sollte bei einer guten Restverteidigung immer eine Überzahl gegen die konternden gegnerischen Stürmer stehen. Der Rest der Mannschaft ist mit sechs Spielern in der Rückwärtsbewegung und Miranda muss im 1gegen1 verteidigen; schlimmstenfalls sogar gegen zwei Spieler. Hier fehlt es definitiv an der Absicherung.

 

Unter Roger Schmidt waren die Räume noch sehr konsequent und sauber besetzt. Klare Regeln in Gegenpressing und Restverteidigung sorgten für sofortigen Zugriff. Unter Adi Hütter und nun unter Zeidler wurde alles viel wilder, chaotischer und unstrukturierter. Die Vorwürfe des Kinderfußballs, welche Hinteregger und Soriano formuliert haben, kommen aus diesem Blickwinkel nicht von ungefähr. Vor allem Martin Hinteregger meinte, Red Bull Salzburg müsse wieder zu dem Fußball zurückfinden, welchen man unter Schmidt gelernt habe. Organisiert in Angriff und Verteidigung, mit kluger Zonenbesetzung, die immer Zugriff im Gegenpressing herstellen kann und demenstsprechend abgesichert ist. Das strikte anwenden von alten Regeln führt oft zu kurios schlechten Staffelungen im Umschalten auf die Defensive.

 

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Bild 8 – Restvertedigung steht nominell gut, Rest eher nicht.

 

Hier hat die Restverteidigung korrekterweise eine 3gegen2-Situation hergestellt, um gegen eventuelle Konter abgesichert zu sein. Der offensive Block gegenpresst jedoch erneut ohne Verbindung zu Restverteidigung. Die Besetzungen der absichernden Räume ist mehr als nur mangelhaft und hätte den Mattersburgen fast einen Konter erlaubt. Dabei wäre es aufgrund der schlechten Absicherung erneut zu einem 3gegen3 gekommen, mit einem nachstoßenden Mittelfeldspieler, der mit Tempo schwieriger zu verteidigen wäre.

 


Außerdem fiel auf, dass die Salzburger sich über den Übergang von Manndeckung zur Raumdeckung nicht im Klaren waren. Bei eigenem Ballbesitz spielt die Restverteidigung normalerweise Mann gegen Mann, um mit der Überzahl die Konter des Gegners im Keim ersticken zu können. Wenn man jedoch ins geordnete Pressing zurückkommt und die eigene Defensive wieder einigermaßen steht, schaltet man in die Raumdeckung zurück. Hier hatten die Salzburger Probleme.

 

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Bild 9 – Miranda und Schwegler decken den Mann, Caleta-Car den Raum.

 

Miranda und Schwegler gehen mit ihrem Mann mit, während Caleta-Car hier seinen Raum deckt. Beide machen ihre Sache eigentlich richtig. Doch durch die unterschiedlichen Ziele der drei Spieler steht schlussendlich Pink komplett blank und hätte die Mattersburger fast wieder in Führung gebracht.

 

Neben der Kritik über das sehr unsaubere Zeidler-Gegenpressing und dessen Absicherung, kommen wir zum Schluss noch zu lobenden Worten zum Salzburger Angriffspressing. Angriffspressing unterscheidet sich vom Gegenpressing dadurch, dass es zum Einsatz kommt, wenn der Gegner einen ruhigen und geordneten Spielaufbau vorantreiben will. Gegenpressing beschreibt jedoch das Verhalten der Mannschaft, wenn sie nach Ballverlust ihren Gegenangriff startet um den Ball zurückzuerobern.

 

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Bild 10 – Salzburger Angriffspressing

 

Die Salzburger pressen hier mit fast sechs Spielern und lenken den Gegner erfolgreich auf den Flügel, Richtung rechten Außenverteidiger. Dieser wird sofort aggressiv attackiert und mittels kluger Bogenläufe werden ihm alle Anspielstationen genommen. Es bleibt den Burgenländern nichts anderes übrig, als den Ball hoch nach vorne zu jagen. Dort ist es für Miranda und Caleta-Car jedoch ein Leichtes, den Ball zu holen, womit die Bullen erfolgreich den Ball erobern konnten.

 

Im Gegensatz dazu sah das Matterburger Pressing nach „alter österreichischer Schule" aus:

 

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Bild 11 & 12 – Pressing à la Österreich

 

Pink und Onisiwo machen Druck auf Walke, der jedoch durch die beiden hindurchspielen kann. Dahinter sind die beiden Mattersburger nur durch einen Mann abgesichert, der sich hier gegen drei Salzburger behaupten muss. Dahinter rückt auch nichts mehr nach, wodurch die Salzburger mit zwei Pässen drei gegnerische Spieler ausschalten konnten, die nicht mehr so leicht in die Defensive schalten können.

 

FAZIT:
Dass die Matterburger durch einen Sieg auf den zweiten Platz hätten springen können, spricht nicht für die heimische Liga. Zwar haben die Matterburger ganz interessante Ansätze, wie zum Beispiel das Überladen von kleinräumigen Flügelangriffen, die sie dann sehr gut ausspielen können, andere Mängel wären jedoch gegen den österreichischen Double-Sieger, wie schon im Hinspiel, fast nicht ins Gewicht gefallen. Die Mattersburger hatten das klare Ziel, jeden eroberten Ball, schnell Richtung Alexander Walke zu jagen. Rechtsverteidiger Höller hatte dabei eine unterirdische Passquote von 37%.

 

Salzburg hingegen hatte ein gewohnt gutes Angriffspressing und auch sinnvolle Überladungen im Zwischenlinienraum. Die Flügel und Halbräume, die von den Mattersburgern nur schwer zu verteidigen waren und regelmäßig geöffnet wurden, hat man jedoch zu inkonstant und selten bespielt. Ein großes Problem bleiben die unsauberen Absicherungen im Gegenpressing und die mangelhafte Restverteidigung, welche rein gar nichts mehr mit der Hochphase unter Roger Schmidt zu tun haben. Sie erinnern in Ansätzen an die Probleme beim VfB Stuttgart unter Alexander Zorniger, wo derartige Fehler gnadenlos ausgenützt werden:




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