Rapids problematischer Flügelfokus geht gegen den WAC fast schief

Rapid gelang gegen den WAC der mehr als verdiente Ausgleich. Doch der wieder einmal sehr starke Flügelfokus wäre der Mannschaft von Zoran Barisic fast noch zum Verhängnis geworden. Eine Taktik-Analyse von Momo Akhondi

 

Zum Abschluss der 18. Runde empfing der WAC den Tabellenfünften aus Hütteldorf. Die Rapidler konnten seit dem Aufstieg der Kärtner vor drei Jahren noch nie in der Lavantalarena gewinnen und wollten nach dem Sieg gegen Wr. Neustadt nun diesen Negativrekord brechen. Rapid schien von Anfang an bemüht, die - vor allem zu Beginn der Saison erkennbaren - Schwierigkeiten im Spielaufbau beheben zu wollen und man konnte beobachten, wie Sechser Petsos sich immer wieder fallen ließ. Hier aber nicht zwischen die Innenverteidiger, wie man es von der Nationalmannschaft kennt, sondern viel mehr in den nahen rechten Halbraum.


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Bild 1 – Petsos kippt diagonal ab.


Dadurch entstand der selbe Effekt wie beim vertikal abkippenden Sechser, außer dass die Innenverteidiger leicht nach links schieben müssen. An und für sich keine schlechte Idee, um den spielschwachen Innenverteidigern zu helfen, doch der WAC war dafür der falsche Gegner. Diese blieben nämlich, wenig überraschend ihrem tiefen 4-1-4-1 treu (siehe Bild 2), und hatten dadurch nur einen Spieler vorne (Trdina), der erst am Mittelkreis wartete. Dadurch kam es im Spielaufbau der Rapidler zu sehr problematischen Staffelungen.

 

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Bild 2 – katastrophaler Aufbau bei Rapid


Hier kann man die Grundausrichtung des WAC gut sehen. Diese spielten im 4-1-4-1 mit Standfest (schwarzes Viereck) zwischen den Linien und Trdina (weiße 1) alleine an vorderster Front. Dadurch hatten die Rapidler fast keinen Druck im Spielaufbau und hätten nicht so viele Spieler hinten abstellen müssen. Oft blieben neben Petsos auch einer der beiden Außenverteidiger Schrammel/Pavelic hinten, um das Spiel aufzubauen. Nur war hier, wie bereits erwähnt, weit und breit kein Gegenspieler. Auf Bild 2 sehen wir eine noch extremere Situation: Hier waren gleich beide Außenverteidiger im Spielaufbau beteiligt und man hatte eine 5gg0-Situation, mit ein wenig Phantasie kann man daraus ein 5gg1 machen, aber selbst dann ist sowohl die tiefe Positionierung von Petsos als auch die der Außenverteidiger äußerst ineffizient und zumindest fragwürdig. Selbst wenn man die 1-Mann Pressing-Linie des WAC überspielen konnte (zu dritt, viert oder sogar zu fünft) kam es sehr oft zu Unterzahl in der Hälfte des Gegners. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Rapid bis zu 5 Spieler benötigte, um einen Spieler des WAC zu umspielen.


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Bild 3 – Rapid hoffnungslos in Unterzahl 3gg7


Wenn der Ball also schnell nach vorne kommen konnte, stand die Offensive von Rapid alleine auf weiter Flur, weil die Kärntner sich auch nicht rauslocken ließen. Oft kam es dadurch zu hoffnungslosen Situation wie beispielsweise in der 64. Minute, in der die Rapidler zu dritt gegen sieben Spieler des WAC folgerichtig den Ball verloren (Bild 3). Man könnte jetzt vielleicht den Eindruck bekommen , das Spielsystem der Kühbauer-Schützlinge wäre an diesem Tag fehlerfrei, doch auch das war nicht der Fall. Wie bereits am Anfang erwähnt, war Trdina am Papier alleine an vorderster Front, was aber sowohl für die Balleroberung als auch für potenzielle Konter wenig vorteilhaft wäre. Bei einem intelligenteren Spielaufbau wäre Trdina leicht zu umspielen und man würde sich sehr früh, sehr tief positionieren müssen, um zu verteidigen. Aber auch diesbezüglich schienen die Schützlinge von Didi Kühbauer an diesem Abend einen Plan zu haben.


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Bild 4 – Ballseitiges Herausschieben beim WAC


Auf der Seite, auf der Rapid das Spiel aufbauen wollte, schob einer der beiden Achter Jacobo/Hüttenbrenner heraus und ging mit Stürmer Trdina auf eine Höhe, so konnte man mehr Druck auf den Ballführenden ausüben und ihn dadurch auch gleich auf den Flügel leiten - auf Bild 4 wäre das Pavelic im schwarzen Rechteck. Der Rest des Mittelfelds würde sich hier dann als eine Viererreihe formieren und das Ganze ähnelt dann stark einem 4-4-2 mit Mittelfeldpressing. In dieser Situation in der 3. Minute klappt das recht solide. Doch das war nicht immer der Fall.


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Bild 5 – schlechtes Stellungsspiel Jacobo


Vor allem wenn Hüttenbrenner statt Jacobo mit dem Rauslaufen beschäftigt war, offenbarten sich große Probleme bei den Kärtnern. Jacobo ließ sich sehr leicht rauslocken, wenn die Innenverteidiger M. Hofmann und Sonnleitner sich den Ball einige Male hin und her spielten, dann aber doch über die Seite von Hüttenbrenner angriffen. Dadurch stand der Rest des Mittelfelds alles andere als eng zusammen (horizontale Kompaktheit – Bild 5), was man hier an den langen schwarzen Linien erkennen kann. In den zwei großen Löchern konnten sich nun die Rapidler leicht positionieren (rote Kreise) und das gesamte Mittelfeld der Kärtner wäre wegen ein paar Querpässen zwischen den beiden Innenverteidigern ausgehebelt. Eine Möglichkeit für die Känrtner, dieses Szenario zu verhindern, wäre gewesen, Jacobo früher und konsequenter rausrücken zu lassen und zwischenzeitlich auf ein strenges 4-4-2 zu setzen, mit dem bereits die Austria gegen Rapid punkten konnte.


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Bild 6 – 4-4-2 mit Jacobo neben Trdina wäre vielleicht ein Lösungsansatz



Kurzzeitig konnte man gegen Ende der 1. Halbzeit auch diesen Ansatz beobachten. Wenn Jacobo sich rauslocken ließ, blieb er erstmal ein wenig an der Seite von Trdina und ging nicht gleich wieder zurück ins Mittelfeld. Doch in der 2. Hälfte war davon dann wieder wenig zu sehen und die Kärtner offenbarten wieder große Lücken im Mittelfeld, die Rapid auch bespielte. Dass das auch nicht immer der Fall war, lag am - unter Barisic bereits gewohnten - starken Fokus auf die Flügel mit Schrammel/Kainz und Pavelic/Schaub. Dieser wurde teilweise so exzessiv betrieben, dass um einiges bessere Optionen außer Acht gelassen wurden, um den Ball schnell auf den Flügel zu bekommen.


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Bild 7 – Flügelfokus killt den Zwischenlinienraum


Wieder standen die beiden Achter vom WAC zu hoch auf einer Linie und man beobachtete wieder die großen Löcher zwischen Standfest, Seebacher und Wernitznig (rote Linien). Dadurch konnten sich die Rapidler Kainz und Hofmann sehr klug im Raum zwischen den Linien positionieren und wären für M. Hofmann leicht anzuspielen (rote Kreise) gewesen. Der sture Flugelfokus führte aber dazu, dass der Ball auf Schrammel gespielt wurde. Von dort konnte der WAC dann sehr leicht die Seite zupressen und doch noch den Ball gewinnen, obwohl das Positionsspiel gegen den Ball eigentlich gar nicht gut war. Das übertriebene Spiel über die Flügel muss aber nicht zwangsläufig schlecht sein, manchmal ist es auch tatsächlich eine Option, den Ball auf die Seiten zu spielen, auch wenn es meist eher der Plan B sein sollte.


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Bild 8 – Flügelfokus killt den Zwischenlinienraum Teil 2


Hier stehen die Kärntner viel besser und können die Abstände zwischen Wernitznig und Seebacher (schwarze Rechtecke) klein halten. Trotzdem positionieren sich die Rapidler sehr intelligent im Zwischenlinienraum. Es wär auch hier durchaus möglich, den Ball dahin zu spielen und dadurch schneller und gefährlicher vor das Tor des Gegners zu kommen, doch wieder wird der Ball auf den Flügel gesucht (roter Pfeil), in diesem Fall ist es gar nicht mal so eine schlechte Idee, weil der Raum auf der linken Seite freisteht. Doch weil der Ball lange in der Luft ist (dadurch auch schwer zu verarbeiten), kann sich der Gegner recht einfach wieder positionieren und am Flügel den Raum zumachen.


Es zeichnet die Mannschaft von Zoran Barisic aus, dass die Flügel immer breit stehen und dadurch immer bereit sind, eine Spielverlagerungen durchzuführen, die auch während dieses Spiels immer wieder vom Coach lautstark gefordert wurden. Doch die breiten Flügel gehen auf Kosten der Kompaktheit (= viele Spieler haben die eng zum Ball stehen).


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Bild 9 – Einwurf Rapid doch aufrund fehlender Kompaktheit 3gg6


Dadurch, dass die Rapidler so breit stehen, kommt es zu Situationen wie in der 48. Minute (Bild 9), bei der man bei eigenen Einwurf nicht nach vorne werfen konnte, weil man dann in einer 3gg6 Unterzahlsituation gelandet wäre. Einige Rapidler hätten hier in den ballnahen Raum rücken müssen (rote Pfeile).


FAZIT: Rapid machte im Spielaufbau vieles suboptimal, doch auch der WAC offenbarte große Schwierigkeiten im Mittelfeld, weil die Achter Jacobo/Hüttenbrenner sehr oft, schlecht abgestimmt waren und dadurch große Löcher aufrissen. Die Kärntner gingen nichtsdestotrotz nach einer Ecke in Führung, obwohl die Hütteldorfer bis dahin ein klares Übergewicht hatten. Und obwohl das Spiel der Rapidler viel Raum für Kritik zuließ, konnte man sich einige Male durch die großen Löcher des WAC durchspielen und so den mehr als verdienten Ausgleich erzielen. Doch der wieder einmal sehr starke Flügelfokus wäre der Mannschaft von Zoran Barisic fast noch zum Verhängnis geworden.