Juni

Rapid kontert machtloses Sturm aus [Spiel-Analyse]

In einem Spiel, welches von vielen hohen Bällen geprägt war, konnte der SK Rapid Wien besonders die Umschaltsituationen in die Offensive ausnutzen. Der SK Sturm Graz tat sich sehr schwer, Chancen herauszuspielen und in die Defensive umzuschalten. Die Trainerfrage könnte sich der Verein aus der Steiermark bereits stellen.

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer

 

Nach der Niederlage am ersten Spieltag gegen Red Bull Salzburg musste der SK Rapid Wien gewinnen, um an der Tabellenspitze noch dranzubleiben. Die Grün-Weißen begannen in einer 4-4-2-Formation, die vor allem im Pressing sichtbar wurde. Die Gastgeber übten ein Mittelfeldpressing aus. Das heißt, dass sie sich am Mittelkreis in der gegnerischen Hälfte orientieren und von dort auch die Stürmer das Anlaufen starteten. Besonders Pässe auf die Außenbahn oder auf die abkippenden Sechser der Grazer waren für die Wiener Pressingtrigger, um die Gäste aggressiv zu attackieren.

Der SK Sturm Graz löste die Pressingsituation beinahe immer nur mit hohen Bällen auf. Wenn die Abwehrspieler unter Druck gerieten, wurde andauernd versucht, den Ball hoch zu den Stürmern zu spielen. Die Grazer bildeten im Spielaufbau eine Viererkette, wobei einer der beiden Sechser oft neben den Innenverteidigern abkippte. Dadurch konnte der Außenverteidiger nach vorne rücken und am Flügel Überzahl schaffen. Das Abkippen des Sechser brachte allerdings nur sehr wenig, da ein Spieler aus der Mitte herausrückte und daher auch im Mittelfeld fehlte. Somit kam es erst recht zu hohen Zuspielen nach vorne. Erst in der zweiten Halbzeit, als sich Rapid nach der 2:0 Führung ein wenig fallen ließ, kamen die Grazer mehr und auch in längere Ballbesitzphasen. So konnten sie auch kontrolliert in das letzte Drittel spielen, waren dann allerdings zu hektisch und versuchten zu viele Flanken, obwohl der Strafraum nicht richtig besetzt war.

Auffällig bei den Gästen war, dass sie nach Umschaltsituationen in die Offensive immer wieder in die gegnerische Hälfte kamen. Vor allem in der ersten Halbzeit konnten sie sich nach einem Ballgewinn mit vielen kurzen Kombinationen aus dem Gegenpressing lösen und einen Konter einleiten. Spielten die Grazer jedoch direkt oder mit dem zweiten Pass einen Ball in die Tiefe, so kam es oft zu einem Ballverlust, da die Zuspiele zu ungenau waren. Auch das Umschalten in die Defensive war ein großes Problem bei den Gästen. Rapid konntenach Ballgewinnen immer wieder die Umschaltsituationen ausnutzen und erzielten dadurch auch drei Tore. Die Abstände zu den Spielern waren meistens zu groß und weder das Gegenpressing noch das Ordnen der Abwerspieler war zu langsam.

 

Ist Maestro der Richtige für Sturm Graz?

Sturm Graz schaffte es zwar in die Meistergruppe, allerdings haben sie seit Saisonbeginn mehrere Probleme, die sich auch kaum verbessern. Beispielsweise waren in diesem Spiel die kurzen Kombinationen nach einem Ballgewinn situationsgerecht und dadurch spielten sie sich auch öfters in die gegnerische Hälfte, jedoch hatten sie im letzten Drittel kaum einen Plan, wie sie die Abwehr von Rapid überspielen sollten. Vor allem über die meiste Zeit der zweiten 45 Minuten verteidigten die Wiener ein wenig tiefer und Graz hatte mehr Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte. Die Probleme dabei waren, dass sie sich kaum Abschlussmöglichkeiten erspielten. Der Ball wurde zunächst zu langsam um den Verteidigungsblock der Gegner gespielt. Zudem gab es kaum Bewegungen in die Tiefe oder ein Entgegenkommen von den Offensivspielern in der letzten Reihe. Somit hatten die Mittefeldspieler kaum Anspielstationen nach vorne und konnten nur horizontal spielen.
Außerdem kommt es, wie schon erwähnt, zu frühen Flanken aus dem Halbfeld. Dies ergibt sich, weil die Grazer zwar versuchen den Ball vor dem Abwehrblock laufen zu lassen, jedoch konnte Rapid den ballführenden Außenspieler sehr leicht isolieren und unter Druck setzen. So kam es immer wieder zu ungenauen oder auch unnötigen Flanken, da kaum ein Offensivspieler einen Tiefenlauf in den Sechzehner machte.
Allerdings ist nicht nur die Entscheidungsfindung im letzten Drittel ein Problem der Grazer, sondern auch im Spielaufbau haben die Gäste große Schwierigkeiten gehabt das Pressing der Wiener zu überbrücken. Nicht nur bewegen sich die „freien“ Spieler zu wenig, sondern auch die hohen Bälle werden oft in falschen Situation in falsche Räume gespielt. Wie zum Beispiel in der 25. Minute.

Abbildung 1: Siebenhandl spielte einen hohen Ball, obwohl er zwei kurze Passoptionen hatte.

Jörg Siebenhandl hatte den Ball und wurde von Christoph Knasmüllner angelaufen. Der Schlussmann der Grazer hatte zwei flache kurze Anspielstationen. Isaac Donkor und Juan Dominguez standen frei, jedoch spielte Siebenhandl mit dem zweiten Kontakt den Ball hoch nach vorne. Er schaute nicht einmal auf, ob er kurze Anspielmöglichkeiten gehabt hatte und konzentrierte sich nur auf den hohen Ball auf die linke Seite des Spielfeldes. Da der Pass Siebenhandld zu ungenau war, konnte Thorsten Schick ohne Druck auf Taxiarchis Fountas köpfen.

Das Problem war nicht nur der ungenaue Ball, sondern auch die Aktion zuvor. Die Grazer Abwehrspieler versuchten sich frei zu bewegen und standen dadurch breiter. Nun hatte aber Fountas den Ball und die Viererkette war nicht geordnet. Der Rapid-Stürmer konnte sich ohne Schwierigkeiten aufdrehen und einen tiefen Pass zu Kelvin Arase spielen, der mit dem ersten Kontakt abschloss und das 1:0 erzielte. Zwar spielte sich die Mannschaft von Nestor El Maestro bis jetzt kaum aus Pressingsituationen heraus, jedoch werden nun auch die eigenen hohen Bälle zu Problemen. Zudem sollte man auch betrachten, wie sich dich Mannschaft in der Zeit mit El Maestro entwickelte.

 

Die Problemstellen bei Rapid Wien

Der SK Rapid Wien konnte mit 4:0 gewinnen, jedoch ist noch immer viel Luft nach oben. Vor allem im Ballbesitz könnten sich die Wiener um einiges verbessern.
Die Entscheidungsfindung im Ballbesitz: Zwar haben die Spieler oft keine schlechte Ideen, jedoch hatten diese Pässe meist eine höhere Wahrscheinlichkeit, nicht beim Mitspieler anzukommen oder vom Gegner abgefangen zu werden. In der 10. Minute kam es beispielweise zu einem unnötigen Ballverlust.

Abbildung 2: Greiml spielte einen hohen Ball, obwohl auch hier eine kurze Passoption besser gewesen wäre.

Leo Greiml bekam den Ball von Filip Stojkovic und hatte daraufhin einige Passoptionen. Bei der Mitnahme von Greiml bewegte sich Maximilian Hofmann aus dem Deckungsschatten von Thorsten Röcher und wäre für den jungen Innenverteidiger anspielbar gewesen. In der Folgeaktion hätte Hofmann mehrere Optionen gehabt, wie zum Beispiel zu Stefan Schwab zu passen oder einen Rückpass zum Tormann spielen. Greiml entschied sich jedoch auf einen hohen diagonalen Pass auf Maximilian Ullmann. Das Zuspiel war allerdings zu lang und Sturm kam mit einem Einwurf wieder in Ballbesitz.

Auch in der zweiten Halbzeit gab es einige Szenen, die Rapid viel besser hätte lösen können.

Abbildung 3: Knoflach spielte einen hohen Ball, nachdem er mit dem falschen Fuß eine Mitnahme machte und Ljubicic frei in der Mitte stand.

Tobias Knoflach bekam den Ball von Greiml. Daraufhin wurde der Rapid-Schlussmann von Kevin Friesenbichler angelaufen. Schon die Mitnahme von Knoflach war nicht sehr gut. Er nahm den Ball mit dem rechten Fuß mit, anstatt mit dem linken, und nahm sich somit Zeit mit einem schnellen zweiten Kontakt den Ball nach vorne zu spielen. Die Annahme war jedoch ein wenig weit nach rechts und somit könnte man vermuten, dass Knoflach schon bei der Mitnahme sich entschieden hat den Ball hoch nach vorne zu schießen. Allerdings gab es mit Dejan Ljubicic in der Mitte eine viel bessere Passoption. Der Mittelfeldspieler schaut sich sogar mit Schulterblicken um und hätte angespielt werden können. Durch einen vertikalen Pass vom Torhüter hätte Rapid eine Pressingsituation der Grazer aufgelöst und gleich zwei Gegenspieler überspielt. So kam es zu einem hohen Ball, der, weil er mit dem schwächeren Fuß gespielt wurde, ungenau war und zum Ballbesitz für die Grazer führte.

Jedoch wurden auch im letzten Drittel zu oft nicht situationsgerechte Entscheidungen getroffen. Wie zum Beispiel in der 58. Minute.

Abbildung 4: Schick spielte eine ungenaue Flanke, hatte jedoch besser Optionen, wie den nachrückenden Knasmüllner. So kam es nach einer Kontersituation zu keinem Abschluss.

Schick bekam nach einer Umschaltsituation einen hohen Diagonalpass zugespielt. Mit seinem dritten Ballkontakt versuchte er eine Flanke reinzuspielen, die jedoch so ungenau kam, dass Donkor den Ball ohne Probleme klären konnte. Schick hätte bessere Optionen in dieser Situation gehabt, denn die Flanke auf Fountas müsste sehr genau kommen, sodass der Stürmer abschließen oder den Ball annehmen könnte. Die andere Möglichkeit wäre, den Ball in die Mitte zu Knasmüllner zu spielen, der dann auf das Tor hätte dribbeln und abschließen können. Auch wäre ein Dribbling von Schick möglich gewesen, um zwei Spieler auf sich zu ziehen, somit mehr Platz für den nachrückenden Mittelfeldspieler zu schaffen und dann den Pass in Mitte zu spielen.

Das Gegenpressing: Nach Ballverlusten von Rapid sieht man gute Ansätze vom Gegenpressing, allerdings nur bei einigen Spielern. Oft attackierte nur ein Spieler den ballführenden Gegner nach einem Ballverlust, obwohl mehrere Spieler in der Nähe gewesen wären und in ein Gegenpressing umschalten könnten. Jedoch liefen sie oft eher zurück, wodurch Sturm aus dem Ballgewinn eine Chance kreieren konnte. Im Vergleich zu den Mannschaften wie Red Bull Salzburg oder LASK fehlt noch einiges. Allerdings könnte es auch sein, dass sofortige anpressen, nach einem Ballverlust nicht vom Trainerteam vorgegeben wird und dadurch nur ein bis zwei Spieler attackieren und die restlichen Spieler, die an der vorherigen Offensivaktion dabei war, in die Position zurück rücken.

 

Rapid Wien und die Jugend

Schon vor der Corona-Pause kamen einige Jugendspieler von Rapid Wien zu Bundesligaeinsätzen. Nun haben die Wiener aber wieder Verletzungsprobleme bei einigen Stammspielern und daher ergibt sich die Chance, Spielern, die aus der eigenen Jugend und der zweiten Mannschaft kommen, Bundesligapraxis zu geben. Kelvin Arase war bereits vor dem Restart ein wichtiger Teil des Kaders, könnte aber jetzt zu noch mehr Spielzeit kommen. Gegen die Grazer kam zudem Greiml (Innenverteidiger) zu seinem zweiten Bundesligaspiel und Yusuf Demir wurde in den letzten 15 Minuten eingewechselt.

Leo Greiml: Der 18-jährige Innenverteidiger absolvierte ein sehr gutes Spiel. Er gewann die meisten seiner Zweikämpfe und stand in der Defensive oft richtig. Jedoch könnte man besonders sein Verhalten im Ballbesitz hervorheben. Mit dem Ball traf er oft eine situationsgerechte Entscheidung und auch ohne Ball bewegte er sich klug. Sein Off-Ball-Movement war für sein junges Alter sehr gut und er war immer für seine Mitspieler anspielbar. Vor allem nach einem Zuspiel versuchte er sich sofort wieder frei zu bewegen und als Anspielmöglichkeit zu dienen. Wie zum Beispiel in dieser Situation.

Abbildung 5: Greiml spielte zum rechten Außenverteidiger und bewegte sich sofort wieder, um anspielbar zu sein.

Greiml bekam von Schwab den Ball zugespielt und nahm ihn gleich nach vorne mit. Mit dem zweiten Ballkontakt spielte er auf Stojkovic und bewegte sich sofort wieder von seiner Position weg. Durch seine Bewegung nach hinten gab er seinem rechten Außenverteidiger nicht nur eine Passoption, sondern kreierte auch Raum im Mittelfeld, in den Schwab hineinlief. Solche schnellen Bewegungen nach einem Pass machte er immer wieder und kreierte dadurch Passoptionen für seine Mitspieler. Greiml zeigte sowohl seine offensiven als auch defensiven Fähigkeiten. Besonders in einer mehr ballbesitz-dominanteren Mannschaft würden seine Aufbaustärken noch mehr zur Geltung kommen.

 

Kelvin Arase: Der Flügelspieler erzielte gegen Graz einen Doppelpack und konnte wegen seiner Schnelligkeit und Dynamik immer wieder für Probleme in der Grazer Abwehr sorgen. Vor allem nach Ballgewinnen konnte er seine Stärke ausnutzen. Beispielsweise beim ersten Treffer. Es kam zu einer Umschaltsituation, in der er sich auch gut zwischen den Verteidiger positionierte, um einen tiefen Pass zu bekommen. Bei beiden Treffer war der Abschluss hervorragend und der Schlussmann der Grazer hatte kaum eine Chance. Allerdings hatte Arase auch einige Fehler in diesem Spiel gemacht. Vor allem spielte er einige Pässe zu ungenau, die daraufhin zu einem Ballverlust führten. Zwar sind die Entscheidungen meistens situationsgerecht, jedoch die Pässe entweder auf dem falschen Fuß oder viel zu ungenau. Doch der junge Flügelspieler hat ein großes Potential und man sieht, vor allem im Abschluss und im Dribbling, gute Ansätze.

Yusuf Demir: Der 17-jährige Mittelfeldspieler wurde in der 77. Minute eingewechselt. Er hielt sich hauptsächlich im Zehnerraum und im linken Halbraum auf. Auffällig waren seine Positionierungen im Zwischenlinienraum. Das heißt, er bewegte sich sehr gut zwischen der Mittelfeld- und Abwehrreihe und war dadurch oft mit einem vertikalen Pass anspielbar. Wie zum Beispiel in der 81. Minute.

Abbildung 6: Demir positionierte sich gut im Zwischenlinienraum und bekam einen vertikalen Pass.

Hofmann spielte eine vertikalen Pass zu Demir. Der Mittelfeldspieler positionierte sich davor gut im Halbraum, in dem er sich nicht in eine der beiden Deckungsschatten der Grazer bewegte. Mit mehreren Schulterblicken konnte er sich auch gut orientieren und wusste, dass er sich mit der Mitnahme in die Richtung des gegnerischen Tores aufdrehen konnte. In der Folgeaktion spielte er auf Fountas, der sich auf den Flügel bewegte.

Zu seinen Stärken gehören vor allem seine Dribbling-Fähigkeiten und seine Übersicht. In einer 1 gegen 1 Situation konnte er seine Stärke im Dribbling zeigen. Zudem assistierte er das 4:0 für Fountas und konnte kurz vor Schluss mit einem Ball in die Tiefe beinahe das 5:0 für Koya Kitagawa auflegen. Auch ihm könnte man, während Thomas Murg verletzt bleibt, mehr Spielpraxis geben, damit sich der junge Mittelfeldspieler entwickeln kann

 

Fazit

SK Sturm Graz hat große Probleme im Ballbesitz und auch in offensiven Umschaltsituation, wenn der erste oder zweite Pass direkt nach vorne in die Tiefe gespielt werden musste. Zudem haben die Blackies besonders in ihrem Spielaufbau Schwierigkeiten, denn auch mit hohen Bällen können sie Pressingsituationen nicht richtig überspielen oder sorgen für Konterchance für die gegnerische Mannschaft. Zudem konnte sich die Mannschaft im Laufe der Saison kaum weiterentwickeln und steht nun auch am letzten Platz der Meistergruppe. Die Trainer sollte bereits in Frage gestellt werden, allerdings müsste auf mehrere Faktoren (Corona-Pause und Budget) geachtet werden, ob ein Trainerwechsel überhaupt möglich wäre.

Der SK Rapid Wien konnte sich mit dem 4:0 Sieg an den dritten Platz der Tabelle schießen. Allerdings haben auch sie noch einige Schwierigkeiten, vor allem mit der Entscheidungsfindung im Ballbesitz und im Gegenpressing. In den nächsten Wochen wird es allerdings schwieriger an diesen Baustellen zu arbeiten, da nun auch unter der Woche gespielt wird und die Regenerationsphasen länger werden. Durch die Verletzungsprobleme könnten nun aber mehrere Spieler aus der Rapid-Jugend viel mehr Spielpraxis bekommen. Besonders Greiml, Demir und Arase könnte man in den nächsten Partien durch Rotation mehr Spielzeit geben. Zudem könnten Dalibor Velimirovic und Adrian Hajdari auf einen Kaderplatz drängen.

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