Foto: © Medien SK Rapid April

1996: Aggressives Rapid kontert Feyenoord aus [Spiel-Analyse]

Im Rückspiel des Halbfinales des Europapokales der Pokalsieger konnte der SK Rapid Wien mit einem 3:0 Sieg in das Finale einziehen. Mit einem kompakten, defensiven Pressing und schnellen Umschaltmomenten siegten sie über die Gäste.

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Nach einem 1:1 Hinspiel gegen Feyenoord Rotterdam hatte der SK Rapid Wien eine gute Ausgangslage, um ein zweites Mal in das Finale des Europapokales der Pokalsieger einzuziehen. Am 18. April 1996 fand das Rückspiel im Ernst Happel-Stadion vor 48.000 Fans statt. Die Gastgeber aus Hütteldorf starteten in einer 4-4-2 Formation mit einer Raute im Mittelfeld. Kapitän war Schlussmann Michael Konsel der in dieser Saison hervorragende Leistungen ablieferte und auch in diesem Spiel gute Szenen hatte. Weitere namhafte Spieler auf der Seite der Wiener waren Peter Schöttel, der in der Innenverteidigung spielte, Didi Kühbauer, der in der Raute die Sechserposition einnahm und Peter Stöger, der als Zehner agierte. Das Stürmerduo bei den Grün-Weißen bildete Carsten Jancker und Christian Stumpf. Allerdings gab es auch bei Feyenoord einige Spieler, die im heutigen Fußball noch eine Rolle spielen. Ronald Koeman, der in der Spielzeit davor beim FC Barcelona spielte, startete in der Innenverteidigung. Zudem spielten auch Peter Bosz, der zurzeit Trainer von Bayer Leverkusen ist, und Giovanni van Bronckhorst. Im Sturm lief Henrik Larsson, der in den nachfolgenden Jahren zum FC Barcelona und zu Manchester United wechselte, auf.

 

Wie schaffte es Rapid Wien Feyenoord zu bezwingen?

Im Ballbesitz der Gäste agierten die Wiener in der ersten Halbzeit in einem Mittelfeldpressing. Das heißt, dass sie die Gegner erst ab der Höhe des Mittelkreises attackieren. Auffällig war, dass Rapid deren rechte Seite sehr eng machte. Stephan Marasek, der auf der linken Achterposition spielte, rückte sehr weit in das Mittelfeld hinein. Das Einrücken hatte den Vorteil, dass die Gastgeber den Raum in der Mitte für Feyenoord so eng wie möglich machten. Dadurch konnten sie mehrmals einen Vertikalen Pass durch die Mitte abfangen und einen Konter einleiten.
Die Mannschaft aus den Niederlanden war ein dominantes Ballbesitzteam und sie versuchten auch immer wieder mit flachen Vertikalen Pässen nach vorne zu kommen. Vor allem Koeman spielte im Aufbau der Gegner eine wichtige Rolle. Es gab keine Spieleröffnung, die nicht über den ehemaligen Barcelona-Profi ging. Feyenoord spielte in einer 3-4-3-Formation und der 33-Jährige Verteidiger spielte als mittlerer Innenverteidiger. Einige Male rückte er auch in das Mittelfeld, um dort situative Überzahl zu schaffen. Bei Koeman war das Andribbeln in den freien Raum und ein darauffolgender vertikaler Pass in den Zehnerraum hervorragend. So konnte der Verteidiger Rapid immer wieder die ersten zwei Pressinglinien der Wiener überspielen. Wie zum Beispiel in dieser Szene. (Abbildung 1)

Abbildung 1: Koeman sieht den freien Raum vor sich und dribbelte hinein.

Koeman bekam nach einer Balleroberung in der eigenen Hälfte den Ball. Sofort schaute er sich um und sah, dass er viel Raum vor sich hatte. In einem Tempolauf dribbelte bis kurz über die Mittellinie und spielte daraufhin einen vertikalen Pass nach vorne. Zwar konnte der Stürmer den Pass nicht richtig verarbeiten, allerdings zeigte diese Szene die individuelle Klasse des Niederländers und wie sie öfters versuchten das Pressing der Gastgeber zu überbrücken.

Durch das Einrücken von Marasek ergab sich aber auf dem Flügel mehr Platz für Feyenoord. Zwar konnten sie vor allem in der ersten Hälfte einige hohe diagonale Wechselpässe auf den Flügel spielen, aber diesen freien Raum auf der Seite nutzten sich kaum richtig aus. Bemerkenswert war die defensive Leistung der Grün-Weißen. In der ersten Hälfte hatte Feyenoord sehr große Probleme in das letzte Drittel zu kommen. Rapid Wien schob konsequent nach, antizipierten viele vertikale Pässe und gewannen besonders im Mittelfeld viele Zweikämpfe. Die Wiener hatten viele Balleroberungen in der Mitte und konnten dadurch gleich immer wieder in den Angriff übergehen.

 

Zwei Tore durch offensive Umschaltmomente

Die Gastgeber legten in der Offensive einen großen Wert auf das Umschaltspiel.  Der Ball wurde selten lange in der eigenen Mannschaft gehalten. Sobald es zu einer Balleroberung kam, spielten die Wiener so schnell wie möglich nach vorne. Vor allem die Schnelligkeit und die Dribbelstärke von Stöger, Marasek und Andreas Heraf waren eine Bereicherung für das Offensivspiel. Zudem gab es aber auch das Stürmerduo, welches vor allem in den Luftduellen ihre Stärken zeigten. Besonders Jancker gewann beinahe jedes seiner Kopfballduelle. Was die beiden Stürmer auch überragend machten, waren First-Touch-Pässe auf einen nachkommenden dritten Spieler und Läufe, die für einen Mitspieler den Raum öffneten. Mehrmals wurden hohe Pässe auf die beiden Stürmer gespielt. Entweder leitete Jancker mit einem Kopfball auf Stumpf, der auf den Pass spekulierte, weiter oder die Stürmer versuchten den Ball anzunehmen und daraufhin auf einen nachkommenden Spieler prallen zu lassen. Auch gab es Situationen, in denen die Stürmer flach angespielt wurden und mit dem ersten Kontakt auf den Flügel spielten. So überspielten die Wiener oft das Mittelfeld der Gegner.

Die Tiefenläufe der beiden Stürmer, um Räume für ihre Mitspieler zu kreieren, waren vor allem in den Umschaltmomenten sehr wichtig. Sowohl Jancker als auch Stumpf beherrschten diese Läufe und konnten in Konter immer wieder Räume für Stöger oder Heraf schaffen. Die beiden Mittelfeldspieler starteten mit dem Ball mehrmals am Flügel und dribbelten diagonal in die Mitte. In solchen Situationen eignen sich raumschaffende Läufe der Stürmer, sodass der Ballführende weiter in die Richtung des Tores dribbeln kann, sehr gut. Wie zum Beispiel in dieser Szene. (Abbildung 2)

Abbildung 2: Jancker rennt diagonal in den Sechzehner und schuf damit Raum für Stöger.

Stöger bekam nach einer Balleroberung im Mittelfeld den Ball am linken Flügel. Daraufhin startete der Offensivspieler ein diagonales Dribbling in die Mitte. Als er in der Nähe des Strafraumes war bewegte sich Jancker diagonal in die andere Richtung und zog somit seinen Gegenspieler mit. Dadurch schuf er Raum für Stöger, der in der Anschlussaktion in den Sechzehner hineindribbeln konnte und danach eine Flanke spielte.

Die meisten Offensivaktionen waren Konter. Der zweite Treffer war ein hervoragend herausgespielter Konter, den Jancker mit einem Seitfallzieher abschloss. Zudem half das erste Tor in der zweiten Minute hinsichtlich des Spielverlaufs. Nach einem Eckball kam Jancker nach einer Verlängerung von Kühbauer am Fünfer zum Abschluss. Auch noch erwähnenswert ist auf jeden Fall, dass man bereits in dieser Spielzeit Ansätze von einem Gegenpressing sah. Nach einem Ballverlust attackierten bis zu zwei Spieler den Ballführenden und versuchten so schnell wie möglich wieder in Ballbesitz zu kommen. Natürlich war es auch hier sehr abhängig von der Situation und die primäre Aufgabe bei den Wienern war er nach Ballverlust nach hinten zu laufen und so schnell wie möglich die Positionen einzunehmen. Da kam auch Feyenoord mit ihrer Spielweise entgegen, da sie nach einem Ballgewinn zunächst den Ball sichern wollte und dadurch der erste Pass meistens ein Rückspiel war, um im Ballbesitz zu bleiben. Das heißt, dass sie nach jeder Balleroberung zurückspielten und einen neuen Spielaufbau begannen. Nur selten versuchten sie die Unordnung von Rapid auszunützen.

 

Fazit

Der SK Rapid Wien hatte eine ausgezeichnete Defensivleistung abgeliefert. Feyenoord kam kaum zu Abschlüssen und die Wiener konnten immer wieder Bälle im Mittelfeld erobern. Dadurch kamen sie auch öfters in Umschaltmomente, die sie sehr gut ausspielten. Das zweite Tor von Jancker war das perfekte Beispiel für einen Konter der Grün-Weißen. Besonders die erste Halbzeit war bemerkenswert und half den Wiener in das Finale des Europapokales der Pokalsieger zu kommen.

 

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