Im 330. Wiener Derby lieferte Austria Wien einer der stärksten Leistungen in dieser Saison ab und ging mit einem 2:1 in die Pause. In der zweiten Hälfte stellte Rapid Wien das System um und die Grün-Weißen konnten beinahe das Spiel drehen.
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spiel-Analyse von Simon Goigitzer
Der SK Rapid Wien startete die Partie in einer 5-3-2-Formation. Dies sorgte vor allem nach der ersten Halbzeit für große Kritik an Didi Kühbauer - auch, warum erdie Formation nicht schon früher umstellte. Denn in der zweiten Halbzeit spielte sein Team in einem 4-4-2/4-2-3-1. Vor allem die Umpositionierung von Stefan Schwab in die zentralere Mittelfeldposition half den Grün-Weißen im Ballbesitz. FK Austria Wien war nach den hektischen Anfangsminuten in der Defensive sehr stark und ließ in der ersten Hälfte kaum Chancen zu. Auch im Ballbesitz trafen sie oft gute Entscheidungen und konnten sich kontrolliert in das letzte Drittel spielen. Allerdings gab es in der zweiten Halbzeit einen großen Leistungsabfall und sowohl in der Defensive als auch in der Offensive machten die Violetten viele individuelle Fehler.
Austria Wien spielte in einem 4-4-2/4-2-3-1. Besonders in den verschiedenen Pressingphasen merkte man die Unterschiede in den Formationen. Wenn die Violetten die Gastgeber hoch attackierten, agierten sie eher in einem 4-2-3-1. Christoph Monschein war die einzige Spitze vorne und leitete den Spielaufbau von Rapid auf eine Seite. Der „Trigger“ für Monschein zum Anpressen war meist der Pass auf den äußeren Innenverteidiger. Er lief den äußeren Abwehrspieler der gegnerischen Dreierkette in einem Bogen von innen nach außen an und stellte dabei die anderen zwei Innenverteidiger in den Deckungsschatten. Mit seinem Anlaufen versuchte Monschein den Pass auf den Außenverteidiger zu provozieren. Der Pass war für die ganze Austria-Mannschaft ein weiterer „Trigger“, um gemeinsam den Außenbahnspieler von seinen Mitspielern zu isolieren und dort den Ball zu gewinnen. Der ballnahe Sechser Rapids wurde zwar nicht direkt manngedeckt, allerdings positionierte sich das Mittelfeld der Austria so, dass bei einem möglichen vertikalen Pass vom Innenverteidiger der gegnerische Sechser gleich von bis zu drei Spielern unter Druck gesetzt werden konnte. Meistens waren es Dominik Fitz und einer der beiden Außenbahnspieler, die sich in der Nähe des Rapid-Sechsers bewegten. Allerdings kam es oft zu der Situation, dass der Spielaufbau von Rapid auf Mateo Barac geleitet wurde und der Abwehrspieler spielte einen hohen Ball nach vorne, während er von Monschein angelaufen wurde.
Abbildung 1: Das Pressing der Wiener Austria in der ersten Hälfte.
Allerdings gab es auch Phasen, in denen die Veilchen nicht so hoch anpressten und dann eher im 4-4-2 agierten. Besonders in der zweiten Hälfte (oder auch schon ein paar Malin der ersten Halbzeit) agierten sie eher mit zwei flachen Viererketten und zwei Stürmern, um sich vom hohen Pressing auch ein wenig erholen zu können. Dann standen sie im 4-4-2 sehr kompakt und attackierten erst ab der Höhe der Mittellinie. Das machte es für Rapid selten möglich durch die Mitte zu spielen. Die Gastgeber spielten vor allem hohe Bälle im Spielaufbau und konnten in der ersten Halbzeit selten kontrolliert in das letzte Drittel gelangen. Die hohen Zuspiele waren auch nicht sehr genau, was dazu führte, dass die Wiener Austria immer wieder im Ballbesitz kam.
Im Ballbesitz agierte die Austria in einem 4-2-3-1. Allerdings baute sie mit einer asymmetrischen Viererkette auf. Denn Florian Klein agierte viel höher als Christoph Martschinko und so ergab sich im Spielaufbau eher eine verschobene Dreierkette. Benedikt Pichler war viel mehr im Halbraum als Manprit Sarkaria, der auf der anderen Flügelviel breiter stand. Allerdings war Sarkaria dafür auch für mehrere Seitenwechsel anspielbar. Besonders über die linke Seite hätte die Wiener Austria viel mehr Angriffe machen können. Denn Kelvin Arase, der in der Fünferkette als rechter Außenverteidiger spielte, fokussierte sich entweder viel zu stark auf Sarkaria und verfolgte den Austrianer sehr weit in die Mitte oder war bei Angriffen nicht schnell genug wieder hinten. Martschinko agierte viel zu defensiv und hätte auch einige Male höher sein können. Fitz agierte als Zehner und bot sich immer wieder gut im Zwischenlinienraum an. Zwischen den Reihen war er auch oft anspielbar, bekam aber diese Zuspiele nicht immer. Weiters spielte Erik Palmer-Brown eine sehr gute erste Halbzeit. Besonders seine Entscheidungen im Ballbesitz waren oft situationsgerecht und wichtig um das Pressing von Rapid zu überspielen. Wie zum Beispiel in der 13. Minute. (Abbildung 2)
Abbildung 2: Diagonaler Pass von Brown, um das Pressing von Rapid zu überspielen.
Palmer-Brown bekam den Ball von Thomas Ebner. Nach dem Rückpass vom Sechser auf den Innenverteidiger orientierte sich Ebner in den rechten Halbraum und zog einen Gegenspieler mit. Der Innenverteidiger wurde nicht wirklich unter Druck gesetzt und konnte mit dem ersten Kontakt einen diagonalen Pass auf Alexander Grünwald spielen. Der Kapitän stand im ballfernen Halbraum komplett frei und der Pass vom Innenverteidiger war für diese Szene eine situationsgerechte Entscheidung. Das Zuspiel war aber nur möglich, weil sich Ebner von der Mitte weg bewegte und so den Passweg öffnete. Dadurch hatte die Austria die erste Pressinglinie überspielt und erzielte einen großen Raumgewinn.
Die Austria war in diesem Spiel im Ballbesitz viel besser als in den Runden davor. Besonders im eigenen Aufbau konnten sie in der ersten Hälfte immer wieder die ersten Pressinglinien überspielen und auch kontrolliert in die gegnerische Hälfte kommen. Wie zum Beispiel in der siebten Minute. (Abbildung 3)
Abbildung 3: Mit einer kurzen Passkombination wurde das Pressing von Rapid überbrückt.
Palmer-Brown hatte den Ball und wurde von Aliou Badji unter Druck gesetzt. Daraufhin kam Fitz entgegen und bot sich hinter der Mittelfeldreihe des Gegners an. Der Innenverteidiger spielte den vertikalen Pass in den Halbraum und überspielte dadurch zwei Pressinglinien. Allerdings wurde Fitz gleich unter Druck gesetzt und musste mit dem ersten Kontakt weiter spielen. Diese vertikalen Pässe versuchte Palmer-Brown einige Male. Fitz war dann sehr oft schon stark unter Druck und konnte gar nicht den Ball richtig verarbeiten. Jedoch funktionierte der Pass in dieser Situation gut und Fitz ließ mit dem ersten Kontakt auf Ebner zurückprallen. Der Rückpass auf den Sechser von Fitz war nur möglich, da sich nach dem vertikalen Pass vom Innenverteidiger Dejan Ljubicic sofort umdrehte und auch Fitz unter Druck setzen wollte. Dadurch öffnete sich der Raum und Ebner bewegte sich zudem aus dem Deckungsschatten und war für den jungen Offensivspieler anspielbar. Trotz des hohen Pressings von Rapid konnte die Wiener Austria die ersten Pressinglinien überspielen und hatten einen Raumgewinn.
Allerdings sah man in der Anschlussaktion ein Beispiel, dass Martschinko um einiges höher agieren konnte. (Abbildung 4)
Abbildung 4
Nachdem Ebner von Fitz den Ball bekommen hatte, drehte er sich auf die andere Seite auf. Michael Madl zeigte dem Mittelfeldspieler bereits an, dass er den Pass auf Martschinko spielen sollte. Jedoch dauert die Ausführung der Aktion viel zu lange und das Zuspiel war zudem unsauber. Besser wäre es gewesen, wenn Martschinko sieht, dass Ebner den Ball bekommt sofort einige Meter nach vorne und in die Breite läuft. So kann Ebner einen Wechselpass auf den linken Flügel spielen und die Austria kann besser den offenen Raum am linken Flügel ausnutzen. So konnte Rapid schnell genug verschieben und den Raum wieder verschließen.
Es gab weitere Situationen in der ersten Halbzeit, die die Austria viel besser machen könnte, um die sehr schwache erste Hälfte von Rapid auszunutzen. Denn der 2:1-Treffer der Austria wurde nach einem Wechselpass auf die linke Seite eingeleitet. Kurz vor der Pause gab es auch wieder eine Chance für Sarkaria nach einem diagonalen Wechselpass in die Tiefe, als er daraufhin in einen 1-gegen-1-Situation an Richard Strebinger scheiterte.
Bei der Wiener Austria funktionierte nicht nur das Offensivverhalten, sondern auch die Phasen nach Ballverlusten waren sehr gut. In den vorherigen Runden konnte man sehen, dass Rapid Wien effektiv im Umschaltverhalten in die Offensive war und nach Ballgewinnen mehrere Tore schoss. Um einen Konter zu unterbinden, müsste man den Gegner nach einem Ballverlust sehr schnell wieder unter Druck setzen. Dies konnte die Austria in der ersten Hälfte gut. Rapid kam kaum nach Umschaltaktionen in die Nähe des Tores der Austria. Zudem unterband man nicht nur den Konter, sondern sie konnten auch den Ball zurückgewinnen und ihr Spiel neu aufbauen.