Liverpool gegen Real: Auch nach Salah-Ausfall taktisch interessant [Spielanalyse]
Real Madrid schlug den FC Liverpool 3:1 in einem Champions League Finale, das interessant und offen begann und nach der Verletzung von Mohamed Salah einen herben Dämpfer erfuhr.
Von David Goigitzer
Liverpool ist unter Jürgen Klopp zu einem der bekanntesten Pressingteams Europas geworden. Die Arbeit gegen den Ball zeichnet sie aus, nicht nur in Sachen Intensität, sondern auch immer bezüglich Anpassungen an Gegner. Das Trainerteam rund um Klopp weiß, wo man den Gegner hinleiten muss um ihn vom effektiven Spielaufbau abzuhalten. Meist lenkt man den Gegner nach außen, um mit Hilfe der Seitenlinie besser pressen zu können. Gegen Real Madrid versuchten Mohamed Salah und Sadio Mané jedoch auf den Flügeln die beiden Madrider Außenverteidiger Carvajal und Marcelo abzudecken. Womöglich wollte man den Ball gegen Casemiro gewinnen, denn Kroos und Modric zu pressen ist eine schwierige Aufgabe. Im 4-3-2-1 und mit geduldigem Mittelfeldpressing wollte man dies erreichen. Eher abwartend agierten die Liverpooler an diesem Abend im Pressing und versuchten auf bestimmte Trigger zu pressen. War der Gegner in einer Unterzahlsituation wurde zum Beispiel sofort intensiv gepresst. Zentral schaffte man es oft die Wege nach vorne für Kroos und Modric zu versperren. Jene Pässe nach vorne sucht man bei Real Madrid sowieso eher selten, da sich die meisten Spieler sowieso außerhalb der Formation befinden. So leiteten die Liverpooler das Spiel zuerst weg von den Flügeln, um dann schwierige Chipbälle auf den Flügel zu erzwingen und jene effektiv anzugreifen.
Die „Reds“ konnten vor allem in den ersten 15 Minuten einige gute Ballgewinne verzeichnen und im Ansatz gefährliche Konter fahren. Jene wurden zwar oft aufgrund der hohen Zweikampfstärke und Schnelligkeit von Ramos und Varane unterbunden, dennoch mussten sich die Madrilenen vor eiteren gefährlichen Ballverlusten hüten. Nach der Verletzung von Mohamed Salah wurde das Pressing der Reds tiefer und passiver ausgerichtet, der Gegner wurde kaum mehr geleitet, sondern man überließ dem Gegner das Spielgerät und versuchte Passwege in die Mitte zu versperren. Jedoch wurde man dadurch immer tiefer in die eigene Hälfte gedrückt und Real konnte so enormen Druck auf die Engländer aufbauen. Das Verschlechtern des Pressings trug maßgeblich dazu bei, dass Liverpool später auch zu keinen richtigen Torchancen kam und den Rückstand nicht hätte aufholen können.
Karim Benzema, unbesungener Held
Der Franzose mit algerischen Wurzeln ist in Spanien sowie in Frankreich vielgescholten. Man wirft dem Stürmer oft vor, zu wenige Tore zu schießen, konstant schlecht in Form oder generell „überschätzt“ zu sein. Dass Real Madrids Spiel darauf abzielt Cristiano Ronaldo in Abschlusspositionen zu bringen wird hierbei nicht erkannt oder ignoriert. Der bullige Stürmer war an diesem Finalabend jedoch essenziell für das Spiel der Madrilenen, die in den ersten Minuten kaum einen Weg nach vorne fanden. Aufgrund der geringen Präsenz im Zwischenlinienraum wird bei Real gern im "U" gespielt. Im "U" spielen bedeutet, dass man zwar den Angriff auf die andere Seite verlagert, dies jedoch über Umwege von hinten und um die Formation des Gegners herum macht. Diese Taktik ist natürlich weniger risikoreich, aber auch weniger effektiv. Bei durchschlagskräftigen Außenverteidigern, wie sie Real Madrid hat, kann sie jedoch durchaus wirksam sein. Karim Benzema kam zu Hilfe und agierte diesmal nicht nur als Kombinationsspieler und Raumöffner an vorderster Front, sondern war auch der Spielmacher im Zehnerraum, der Isco nicht ist (wofür er aber gehalten wird). Benzema ließ sich immer wieder tiefer fallen, teilweise bis in den Sechserraum, um seinen Mitspielern den Aufbau zu erleichtern. Auch im tieferen Zehnerraum und Halbraum bot er sich immer wieder sehr gut an, sodass Kroos und Modric auch Anspielstationen nach vorne vorfinden konnten. Dies trug maßgeblich zur Erleichterung des Madrider Spiels bei und erlöste die Aufbauspieler vom von Liverpool aufgebauten Druck. Benzema war auch der Torschütze des für Madrid ungemein wichtigen 1:0. Er unterbrach einen Auswurf von Loris Karius aus nächster Nähe und brachte den Ball damit im Liverpooler Gehäuse unter.
Nach 30 Minuten vorbei
Das Champions League Finale war rückblickend nach 30 Minuten vorbei, als Mohamed Salah verletzt vom Platz gehen musste. Der Ägypter ist maßgeblich für das Spiel der Reds in allen Phasen des Spiels und kann nicht einmal annähernd ersetzt werden. Aus Gründen, über die man nur spekulieren kann, agierte Liverpool danach passiver und beging den Fehler, den die meisten Mannschaften gegen Madrid machen: tief zu stehen und abzuwarten. Real gibt den Ball nicht her, wenn sie nicht wollen. Flügelangriffe über Seitenwechsel wurden deutlich einfacher, die Klopp-Elf konnte nicht mehr Druck aufbauen und saubere Verlagerungen verhindern. Die Kompaktheit, die ohne Intensität im Druckaufbau auf den Gegner gepaart war, wurde zum Problem. Real konnte immer wieder Seitenwechsel spielen. Zudem wurden jene auf ineffektive Art verteidigt.
Real konnte ihre individuelle Klasse ausspielen, weil Liverpool dies zuließ. Salahs Verletzung brachte den großen Einbruch, davor war es ein sehr gutes Match-up zweier zueinander passenden Mannschaften. Die Madrilenen gewannen verdient, wenngleich Liverpools Saisonleistung nicht außer Acht gelassen werden sollte.
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