Flexible Grazer setzen sich im Cupfinale durch [Spielanalyse]

Im Cupfinale konnte sich Sturm Graz gegen den frisch gekürten Meister Red Bull Salzburg aufgrund der erhöhten Flexibilität durchsetzen.

Eine Spiel-Analyse von David Goigitzer

 

In einem interessanten Spiel zeigten beide eine Veränderung in der Formation gegenüber zum Ligaspiel am Wochenende davor.

 

Graz wieder mit Fünferkette

Die Grazer traten im Pressing mit einer 5-2-1-2 Formation an. Dies sollte dabei helfen, die gegnerische Viererkette unter Druck setzen zu können, während man Samassekou und die beiden Achter mannorientiert verfolgte. Diese Mannorientierungen führte man jedoch nicht allzu starr aus, um noch eine gewisse Flexibilität im Pressing beibehalten zu können. Die Fünferkette sollte ebenfalls für Stabilität sorgen. Herausrücken aus dieser Staffelung und attackieren des Ballführers, beziehungsweise das Verfolgen von zurückfallenden Spielern, ist in der Fünferkette leichter abzusichern. Die Grazer versuchten dabei den Aufbau der Bullen schon recht früh zu attackieren, Alar und Edomwonyi konfrontierten Ramalho und Caleta-Car hoch und wollten diese zu hohen Bällen zwingen.

Im Ballbesitz agierten die Grazer sehr direkt, versuchten jedoch weiterhin ihr unter Vogel etabliertes Flachpassspiel durchzuziehen. Wie auch im Spiel davor war die Dreierkette dafür essentiell. Interessant war auch im Aufbau die Anpassung der Formation: nicht nur Jeggo, sondern auch Zulj agierte diesmal vor der Abwehr als Sechser, sodass eine 3-2 Staffelung im Aufbau kreiert wurde. Dies ergab Überzahl in der ersten Aufbaulinie gegen Gulbrandsen und Dabbur, sowie in der zweiten gegen Schlager.

Auch gegen das hohe Zustellen der Bullen versuchten die Grazer den Ball flach herauszuspielen und nicht überhastet den Weg nach vorne, wenngleich man temporeich zirkulierte. Siebenhandl wurde hier immer wieder eingebunden, um Lösungen zu finden. Ein, zwei gute Szenen hatte man im Aufbau, als man über die Halbverteidiger der Dreierkette den direkten Weg zu den Stürmern fand. Durch die Doppelsechs und den Zehner davor lockte man gegnerische Mannorientierungen an, die ein zurückfallender Stürmer ausnutzen konnte, um den Ball mit etwas Raum zu bekommen. Maresic setzte Alar so einmal sehr gut in Szene.

Salzburg von Beginn an mit Raute

Die Bullen traten im 4-1-2-1-2 an und versuchten die Grazer früh unter Druck zu setzen. Am Wochenende davor war man in Halbzeit eins noch im 3-1-4-2 unterwegs. Da die Stürmer in den Halbräumen positioniert waren, konnte man so etwas besser Druck auf die gesamte Dreierkette der Grazer aufbauen. Natürlich waren intensive Sprints gefragt, die Salzburger sind hierbei jedoch sowieso europäische Spitzenklasse und übertreffen ihre Bundesliga-Gegner in der Anzahl der Sprints regelmäßig. Zwar konnten die Grazer immer wieder recht schnell zirkulieren und in den Anfangsminuten gab es kurze Zugriffsprobleme, die machte man jedoch mit etwas mehr Intensität im Anlaufen wieder wett. So konnte man die Grazer dann einige Male zum „nach vorne Schlagen des Balles“ zwingen, was zu Beginn nicht ganz so funktionierte.

Im Ballbesitz fand man schnell ein Mittel gegen den Druck der Doppelspitze und die Mittelfeldzuordnung der Grazer: vor allem auf links kippte Berisha recht weit nach außen, während Farkas hochschob. So entzog er sich dem Zugriff des Grazer Pressings und man konnte mit verhältnismäßig viel Zeit und Raum aus diesen Situationen aufbauen. Dennoch gestaltete sich das Angreifen gegen die im Frühjahr verbesserten Grazer natürlich alles andere als einfach. Stankovic wurde immer wieder zu Hilfe gezogen, um drucklos - er wurde nicht angelaufen - die Bälle zu verteilen. Zudem half natürlich vor allem die Pressingresistenz Ramalhos, der mit viel Ruhe und Geduld sich stets die beste Lösung am Ball suchte.

Aufbaubemühte Mannschaften

Beide Mannschaften bekamen in der ersten Halbzeit ein Tor aberkannt, somit wäre die Führung für beide Teams im Bereich des Möglichen gewesen. Generell fand sich das Match im ersten Durchgang jedoch meist in Aufbausituationen wider. Durch das hohe Pressing beider Mannschaften war der Spielaufbau stets unter Druck, weshalb man ab und an den hohen Ball suchen musste. Jedoch muss erwähnt werden, dass die Grazer wie auch die Salzburger es immer wieder versuchten, das Spiel flach aufzubauen und nur wenn es wirklich nicht ging den Ball nach vorne schlugen. Und auch dies tat man in kontrollierter Manier.

In der deutschen Bundesliga ist aufgrund der Beliebtheit des Pressings nur mehr selten wirklicher Spielaufbau zu sehen, da bei den meisten Trainern die Angst vor dem Ballverlust ganz oben steht und vermutlich auch das fehlende Können für das Coachen des Ballbesitzes fehlt. Nicht so in Klagenfurt: Weder Marco Roses noch Heiko Vogels Elf zeigten diese Angst.

 

Zweite Halbzeit spielt sich im Mittelfeld ab

In Halbzeit zwei sah man dann leider nur mehr wenige Situationen, in denen die Teams versuchten bei Abstößen oder Freistößen das Spiel flach aufzubauen. Im Mittelfeld spielte sich nun mehr und mehr der Kampf um den zweiten Ball ab. Hierbei waren die roten Bullen öfter, wenn auch nicht immer, Sieger.

Das Umschaltspiel wird auch unter Marco Rose, der ja eigentlich kein puristischer Red-Bull-Trainer ist, großgeschrieben und man hat dafür auch genau die richtigen Spieler. Am besten fuhren die Bullen wie auch zuvor über links. Mit dem agil dribbelnden Berisha, dem bemühten und schon am Wochenende starken Farkas und den stets zurückfallenden Dabbur konnte man die formative Lücke im Grazer 5-2-1-2 neben dem Zehner immer wieder nutzen und die Abstimmung der Blackies herausfordern.

Doch auch die Grazer fanden ihre Strafraumsituationen. Vor allem über Potzmann und Hierländer kam man mit Durchbrüchen am Flügel und frühen Flanken zu gefährlicheren Szenen, wenngleich Flanken in den Strafraum von Fans in Sachen „Gefährlichkeitsgrad“ gerne überschätzt werden. Vor allem auch Konter waren in Halbzeit zwei das Grazer Mittel, um nach vorne zu kommen, während die Bullen zwar mehr Ballbesitz hatten, jedoch diesen in höheren Zonen nicht stabilisieren konnte. Als Ramalho die Gelb-Rote wegen wiederholtem Foulspiel bekam, stellten die Salzburger um: Von nun an agierte man im 4-3-2 in der Offensive, defensiv in einer 4-3-2/4-4-1 Staffelung, wo man tiefer ausgerichtet war und Yabo weite Wege am Flügel ging. Da auch weiterhin kein Tor fiel, ging es in die Verlängerung.

(Analyse wird unterhalb fortgesetzt)

Verlängerung in Grazer Hand, Bullen weitestgehend stabil

In der ersten Halbzeit der Verlängerung hatten die Grazer natürlich mehr Ballbesitz aufgrund der Überzahl und der tieferen Ausrichtung der Bullen im Pressing. Auch wurde der Aufbau etwas schwächer, da Ramalho fehlte. Für Dabbur kam Hwang ins Spiel, um Konter besser nutzen zu können. Die Grazer agierten sehr geduldig im Pressing, sie wussten, dass keine Eile bestand. Im Ballbesitz wollte man die Dreierkette so gut wie möglich nutzen und so fanden sich Maresic, Koch und Spendlhofer mit der Zeit immer öfter und auch länger an der Mittellinie wieder. Nun galt es die kompakten Bullen zu brechen. Dies versuchte man weiterhin über die Flügel, vor allem mit Doppelpässen wollte man die numerische Überlegenheit ausnutzen. Die schnell verschiebenden Bullen machten die Grazer Flügelangriffe jedoch oft zunichte.

In Minute 111 fand jedoch schlussendlich eine Flanke ihren Abnehmer und Hierländer schoss nach Hereingabe von Potzmann das 1:0 für die Grazer. Die Salzburger konnten den Ausgleich nicht mehr erzielen, weshalb sich die Grazer Cupsieger 2017/18 nennen dürfen.

 

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