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Tief aktiv und inkonsequent im Konter: Salzburg daheim gegen den BVB [Spielanalyse]

Red Bull Salzburg remisiert gegen Borussia Dortmund und wirft sie aus dem Bewerb. Der Aufstieg ist verdient, es gibt aber auch Dinge, die die Bullen besser machen können.

Aus Salzburg von Georg Sander

 

79. Spielminute. Xaver Schlager verlässt nach einer starken Partie das Spielfeld. Marco Rose feuert das Stadion an. Er forderte Applaus, für seinen Youngster und die Elf am Feld, die einen nun wütend anrennenden Gegner bespielte. Das Spiel stand gewissermaßen auf der Kippe, die Salzburger Bank war zudem mit einigen Schiedsrichterentscheidungen nicht einverstanden und es folgten kurz darauf auch ermahnende Worte des französischen Spielleiters Benoit Bastien. Gut zehn Minuten nach dieser Szene bricht Jubel aus. Der kleine 'FC Salzburg' hat Borussia Dortmund als über 180 Minuten bessere Mannschaft aus der UEFA Europa League geworfen. Das schaffte man so:

 

Peter Stöger hatte seine Elf im Vergleich zum Heimauftritt umgestellt. Lukasz Pisczek startete rechts hinten, Gonzalo Castro neben Dahoud im zentralen Mittelfeld. Zagadou ersetzte Elfer-Ringer Toprak in der Innenverteidigung. Vorne begannen wieder die gewohnten Vier: Reus, Götze, Schürrle, davor Batshuayi. Sein Gegenüber Marco Rose überraschte diesmal in keinster Weise mit etwa einer Dreierkette, bot seine Standardelf im Standard-4-1-2-1-2 auf. Die ersten 51 Minuten bis zum ersten Torschuss des BVB sind im Grunde schnell abgehandelt. Salzburg presste früh und mutig an, als ginge es gegen jeden anderen Gegner und nicht gegen die Borussen. Dort war die Verunsicherung spürbar. Es reihten sich Alibi-Querpässe an leichte Ballverluste, behäbiger Spielaufbau an ideenloses Offensivspiel.

Salzburg lenkt und denkt

Die Bullen schlossen mit der Mittelfeldraute bei der Mitte der ersten Halbzeit an. Die komfortable Ausgangssituation, erst nach einem zweiten möglichen Gegentor zu treffen, gab zunächst Sicherheit. Während der BVB nicht wirklich wusste, wie man in den Strafraum kommen sollte, kontrollierten die Salzburger das Geschehen. Tat man das in der Anfangsphase in Deutschland noch mit einer Dreier-/Fünferkette, so staffelte man diesmal im System. Man versuchte den Spielaufbau früh zu stören, so blieben oft nur noch Pässe auf die Flügel über. Dort schob man gut hin. Die Stürmer Hwang und Dabbur gingen weite Wege, wurde über ihre Seiten angegriffen verteidigten sie am eigenen Sechzehner. Der jeweils andere Stürmer und ein bis zwei Spieler aus dem Trio Schlager/Berisha/Haidara sowie der ballferne Stürmer lauerten auf den Konter. Auffällig war, dass es diesmal Lainer war, der der zurückhaltendere Außenverteidiger war, Ulmer zeigte einige Offensivaktionen.

 

Die Raumkontrolle in der Defensive funktionierte auch über ein kluges „Übergeben“ der Gegenspieler, sobald sie den Raum des direkten Gegenspielers verließen. Die diesbezüglichen Instruktionen kamen immer wieder von der Bank. Roses Co-Trainer Rene Maric gab immer wieder Anweisungen. Die Formation ist bei diesen Kombinationen aus anlaufen, aufdoppeln und attackieren beinahe egal. Wenn man füreinander läuft, geht es gut. Das eigene Umschaltspiel klappte relativ gut, vor allem, weil es bei allen schönen Offensivaktionen in der ersten Halbzeit reichte, die Kugel irgendwie hoch Richtung Hwang zu spielen. Auf alle Aktionen einzugehen macht eigentlich keinen Sinn.

 

Das kluge Salzburger Pressing: Zagadou kann gar nicht geordnet rausspielen, es bleiben ihm nur die Möglichkeiten einen Rückpass, einen flachen zu Sokratis oder einen riskanten hohen Pass an den rechten Flügel spielen. Er entscheidet sich für die schlechteste Variante und spielt zentral nach vorne. Dabbur gewinnt den Ball, Hwang wird aus aussichtsreicher Position abschließen.

Hektik

Nach dem Seitenwechsel reagierte Peter Stöger auf die Situation. Er brachte mit Isak und Philipp statt Götze und Reus mehr Wucht in der letzten Linie, es sollte aber dauern, bis sich das am Feld bezahlt machte. Nominell war das dann ein 4-3-3, in Wahrheit wurden es im Laufe der zweiten Halbzeit immer mehr Spieler, die sich an der letzten Abwehrlinie der Salzburger aufbauten. Gegen Ende hin kann man beinahe von einem 3-1-6 sprechen. Diese hohen Bälle sind schwierig zu verteidigen, da Stöger nun endlich ein halbwegs passables Mittel gegen das Gegenpressing und die Jagd nach dem zweiten Ball gefunden hatte. Die Salzburger wollten nun den sich bietenden Raum bespielen, möglichst schnell das 1:0 erzielen. Darum wurde immer schnell und durchaus risikoreich in die Spitze gespielt. Dortmund kam zu einigen Ballgewinnen und konnte um die 70. Minute herum einige gefährliche Abschlüsse verzeichnen. Dieser Drangphase ist es auch zu verdanken, dass es nach expected Goals 1.09 zu 1.16 stand, man von einem am Ende gerechten Unentschieden reden kann, betrachtet man nur die Chancenqualität. Dass grundsätzlich jeder Gegner irgendwann zu Chancen kommt und es dann eben auch eine Defensivarbeit geben muss, die die wenigen Chancen ausputzt, muss auch jedem bewusst sein. Der Umstand, dass Dortmund aufkam, war eben auch den vielen Zufällen nach dem Umstellen auch „Hollywood“ zu verdanken sowie Philipp, der auf der rechten Seite doch öfters gute Szenen hatte.

 

Stögers Hollywoodvariante. Gleich sechs Borussen stehen an der letzten Angriffslinie. Es wird eine der größten Chancen der Gäste folgen. Diese Situationen sind dann schwer verteidigbar, haben für die ausführende Mannschaft aber den Nachteil, dass kaum noch Spieler zur Absicherung zur Verfügung stehen.

Haare in der Suppe

Natürlich gibt es einige Aspekte, die die Salzburger verbessern können, vielleicht sogar müssen, wenn sie auch im Viertelfinale bestehen wollen. Man darf an dieser Stelle nicht vergessen, dass sowohl Real Sociedad, als auch Borussia Dortmund spielerisch in der Krise waren, als sie auf die Bullen trafen. Dann überwog die geschlossene Mannschaftsleistung, die die vorhandenen Probleme ausnützte, die individuelle Klasse. Auch die Chancenauswertung war keinesfalls perfekt, bei so vielen Chancen und so viel Raum vor allem in der zweiten Halbzeit hätte der eine oder andere Angriff zu einem Tor führen können oder fast müssen. Vermutlich ist es darauf zurück zu führen, dass sich die, die im letzten Drittel dann (aufgrund des mangelnden Torerfolgs letztlich) falsche Entscheidungen trafen, die sein wollten, die den großen BVB KO schießen. Vielleicht verursachte auch der Umstand, nach jahrelangen europäischen Schmähungen wegen des Verpassens der Champions League, Hemmungen, nun wirklich einen Erfolg zu verbuchen.

Und letztlich muss noch über die Reaktion auf den Schiedsrichter gesprochen werden. Benoit Bastien verfolgte eine Linie, die Zweikämpfe, die vielleicht in der Liga gepfiffen werden, kaum abzustrafen. Da Salzburg öfters in diese Zweikämpfe kam, entstand der Eindruck, Dortmund wurde übervorteilt. Doch die reagierten auch abgebrühter. Beispielsweise versuchte Reus zwei, drei Mal einen Freisoßt nach einem Zweikampf zu bekommen. Hwang probierte es fast die ganze Zeit, was aber drei, vier Mal nicht klappte, konnte auch beim fünften, sechsten siebten Mal nicht funktionieren. Da müsste man cooler sein, da man sich nach einem derartigen Ballverlust ja auch aus dem Spiel nimmt, wenn man lieber reklamiert als sofort wieder zu attackieren.

Fazit: Reife Leistung

Diese Mannschaft, der oftmals weniger individuelle Klasse nachgesagt wird als der Schmidt-Elf von 13/14 mit Mane, Soriano und Co, überflügelte den Erfolg dieser Elf. Das geht hauptsächlich über eine geschlossene Mannschaftsleistung, über klare Vorstellungen, wie in gewissen Situtaionen agiert werden soll, über Wille und das Wissen um die eigene Stärke. War das Match gegen La Real so etwas wie ein Reifeprüfung, folgte nun gewissermaßen die Bachelorprüfung. Das soll auch illustrieren, dass es in der nächsten Runde um den "Master" geht - folglich wird man sich in einigen Bereichen noch weiter steigern müssen. 

 

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