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Schwedisches Abwarten war gegen Deutschland falsch [Spielanalyse Deutschland vs Schweden]

Die deutsche Fußballnationalmannschaft gewann gegen Schweden 2:1. Im zweiten Gruppenspiel konnte man den ersten Sieg einfahren. Die Schweden, bekannt für ihr diszipliniertes, kompaktes 4-4-2, wollten den in der Startformation leicht veränderten Deutschen ein Bein stellen.

Eine Spielanalyse von David Goigitzer

 

Sebastian Rudy ersetzte Sami Khedira auf der Doppelsechs und brachte somit eine radikale Strukturveränderung im deutschen Spielaufbau mit sich. Der zentrale Mittelfeldspieler wird vielerorts zumindest unterschätzt, wenn nicht sogar teilweise lächerlich gemacht wird. Rudy ist jedoch der wichtige Anker vor der deutschen Abwehr, der Khedira nicht war und der Toni Kroos ermöglicht nach links abzukippen. Die Ballzirkulation wurde flüssiger und zusammenhängender, während die Konterabsicherung nicht vernachlässigt wurde. Jene war ein offensichtliches Problem gegen die Mexikaner, die durch ihre blitzschnellen Gegenstöße den Deutschen einige Probleme bereiteten und zur Niederlage zwangen. Gegen die kompakten Schweden war erneut Dominanz im Ballbesitz gefragt. Um dies zu bewerkstelligen schoben erneut beide Außenverteidiger sehr hoch, während die offensive Dreierreihe mit Timo Werner den Zwischenlinienraum besetzte. Kroos kippte wie erwähnt ab und war der Fokuspunkt des deutschen Spiels. Von dort aus konnte er immer wieder andribbeln und Bälle verteilen. Oft auf Boateng, der ebenfalls seine spielmachenden Qualitäten mit scharfen Pässen auf den Flügel oder Wechselpässen gegen die Pressingrichtung einbrachte. Vor allem Zweiteres war wichtig, um hinter die tief stehende Kette der Schweden zu kommen. Immer wieder wurde Hector, der mit gutem Timing hinter die Linie lief mit solchen Pässen von Boateng gesucht. Diese Läufe waren deswegen so gefährlich, weil sie im Rücken der Schweden passierten. Die schwedischen Verteidiger mussten sich dann neu orientieren, diese Sekundenbruchteile genügen, um eine gute Hereingabe in de Strafraum zu bringen.

Hier ist deutlich die allgemeine Ballbesitzstruktur der deutschen zu sehen. Mit dem abkippendem Toni Kroos, dem hoch agierenden Hector und dem verbindendem Rudy.

Passive Schweden

Das 4-4-2 der Schweden war sehr tief ausgerichtet, die Verteidigungslinie befand sich oft in der Nähe des eigenen Strafraums. In der Vertikalen, sowie in der Horizontalen war man enorm kompakt und konnte so zentrale Räume nur schwer durchdringbar für die Deutschen machen. Die Nordmänner ließen sich nicht von ihren Gegenspielern aus ihren Positionen ziehen und hatten als Hauptreferenzpunkt ihre Mitspieler. Situativ wurden Mannorientierungen genutzt, um direkten Zugriff herzustellen, aber generell agierten die Schweden in einer sehr disziplinierten Raumdeckung und verschlossen Passwege gut. Dies zwang die Deutschen viel über die Flügel zu spielen, was es den Schweden potentiell natürlich einfacher machte, dort den Ball zu gewinnen. Die Deutschen nutzten jedoch hohe Seitenverlagerungen immer wieder, um sich effektiv aus dem Druck zu befreien und offene Räume zu bespielen. Die Schweden rückten im Pressing so gut wie nie auf und versuchten in höheren Zonen die Deutschen am Spielen zu hindern. Im Ballbesitz zeigten die Schweden ein sehr direktes Konterspiel, das vor allem darauf ausgerichtet war so schnell wie möglich das Spielfeld zu überbrücken und zum Torabschluss zu kommen. Mit Marcus Berg und Ola Toivonen hatte man Stürmer mit gutem Timing, am linken Flügel spielte Emil Forsberg, der Hochgeschwindigkeitskonter von RB Leipzig kennt. Einmal hätte man die Deutschen schon fast am falschen Fuß erwischt, als man Rüdiger den Ball abnahm und aufs Tor zulief. Die Deutschen konnten jedoch noch schnell genug zurückkommen und Boateng hinderte Marcus Berg am gezielten Torschuss. In der 32. Minute war es dann soweit, im Mittelfeldpressing eroberte man den Ball und Ola Toivonen brachte einen Chipball hinter die deutsche Abwehr vom Claesson über die Linie.

Dies war das Bild des Spiels. Die Schweden agierten sehr tief und passiv, während die Deutschen mit 10 Mann in der gegnerischen Hälfte waren.

Noch mehr Druck in Halbzeit zwei

Nach Wiederanpfiff hatten die Deutschen mit Mario Gomez einen Stürmer statt Mittelfeldspieler Draxler gebracht. Bereits in der 48. Minute erzielte Marco Reus den Ausgleich, als er nach einer einmal mehr langen Ballbesitzphase eine Hereingabe von Werner verwertete. Letzterer agierte nun auf links und war von Kroos perfekt in Szene gesetzt worden. Der junge Leipzig-Spieler ging auch in weiterer Folge in viele Dribblings auf dem Flügel und sorgte in der schwedischen Abwehr für Unruhe. Die Deutschen waren weiterhin sehr dominant und hielten den Ball lange in ihren eigenen Reihen. Natürlich waren die Schweden auch an diesem Umstand beteiligt, dennoch vermochten die Deutschen die schwedischen Konterangriffe schnell zu unterbinden. Dazu gehörten auch Fouls, Jerome Boateng machte zwei davon um taktisch einen Gegenangriff im Keim zu ersticken. In der 82. Minute bedeutete dies für ihn eine gelb-rote Karte. Die Mannschaft von Jogi Löw war bis dahin zu vielen Toraktionen, aber zu wenig Abschlüssen gekommen. Dies ist nicht unbedingt ein Zeichen für fehlende Effektivität des Ballbesitzspiels und der Chancenerzeugung, sondern im Falle der deutschen Nationalmannschaft eher eine Frage der Stilmittel. Man sucht selten Abschlüsse außerhalb des Strafraums und möchte so zum Erfolg kommen. Diesen Erfolg schien man an diesem Abend jedoch nicht zu erlangen. Nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Sebastian Rudy für Ilkay Gündogan war das bereits risikoreiche Konstrukt der Deutschen immer wackliger geworden, ein weiterer Treffer für die Schweden war nicht allzu unwahrscheinlich. In, dem Vorurteil nach, typisch deutscher Manier erzielte Toni Kroos per Freistoß in der letzten Minute der Nachspielzeit dann doch noch den Siegtreffer.

 

Die deutsche Konterabsicherung verbesserte sich mit Rudy, mit Gündogan war sie wieder anfällig. Das könnte durchaus Thema des Turniers für diese Mannschaft sein. Die Strategie des Abwartens hat sich schlussendlich für die Schweden nicht bezahlt gemacht.

 

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