Konterstarke Franzosen besiegen stark verbesserte Argentinier

In einem packenden Spiel besiegten die Franzosen dank ihrer Konterstärke Argentinien, das sich in der Struktur stark verbessert zeigte, aber dies nicht in Durchschlagskraft umsetzen konnte.

Eine Spiel-Analyse von David Goigitzer

 

Frankreichs risiko-averses 433

Die Franzosen bauten in einem 4-3-3- auf, in dem die Stürmer recht eng beieinander agierten. Der Aufbau war sehr auf Sicherheit fokussiert, weshalb sich die drei Mittelfeldspieler Pogba, Kanté und Matuidi recht nahe an der eigenen Abwehrreihe positionierten und nicht innerhalb der argentinischen Formation. Die Pässe der Verteidiger ins Mittelfeld waren also mit deutlich weniger Risiko verbunden, man wollte meist über die spielstarken Außenverteidiger entweder den direkten Weg nach vorne finden oder eben dann über den Flügel in die Mitte wieder. Zwar ist vor allem Kanté spielerisch unterschätzt, aber die zündende Qualität, um das Spiel nach vorne anzutreiben, hat er nicht. Diese hatte im französischen Mittelfeld nur Pogba, und seine Fähigkeiten wurden durch den Spielstil der L’Équipe nicht gefördert, sondern gar unterdrückt.

Das primäre Mittel der Franzosen im Angriff war, wie auch in den vorherigen Spielen des Turniers, das Kontern. Über die unglaublich schnellen Griezmann und Mbappé, sowie den raumschaffenden und ablegenden Giroud, konnten die Franzosen über den gesamten Verlauf des Turniers bereits elektrisierende Konterattacken fahren. Dies ist die Strategie der Mannschaft von Deschamps, um so wenig Risiko wie möglich gehen zu müssen und trotzdem zu gewinnen. Die etwas asymmetrische Position der beiden „Flügelstürmer“ Griezmann und Mbappé sollten zudem ihren Fähigkeiten mehr entgegenkommen. Griezmann hielt sich öfter im Zentrum auf, während Mbappé breiter blieb und dort mehr Raum hatte um in die Tiefe zu starten. Über einen dieser Konter zog Mbappé auch ein Foul im Strafraum der Argentinier, das zu einem Elfmeter führte. Griezmann verwandelte den Strafstoß in der 13. Minute und sorgte somit für die französische Führung.

Im Pressing verteidigten die Franzosen mit einem asymmetrischen 4-4-2 Mittelfeldpressing, das recht tief ausgelegt war. Mbappé agierte etwas höher als Matuidi am anderen Flügel, welcher sich primär darum kümmerte Messi zu bewachen und Passwege zu ihm zuzustellen, beziehungsweise sofortigen Zugriff auf den Barcelona-Spieler zu haben. Auch im Pressing ging man wenig Risiko und war zunächst passiv, stellte den Gegner lieber als dass man ihn attackierte. Die Equipe Tricolore besitzt eine sehr zweikampfstarke Mannschaft und scheint sich im Zweifelsfall in der Endverteidigung vor allem auf genereller Kompaktheit und auf eben diese Zweikampfstärke zu verlassen. Individuell zeigten die Akteure intensive Aktionen, kollektive agierte man jedoch passiv und weniger intensiv.

 

Argentinien endlich strukturiert

Die Argentinier formierten sich im Ballbesitz im 4-3-3 und zeigten somit zum ersten Mal in diesem Turnier (von Beginn an) eine ordentliche Struktur. Die Außenverteidiger der Argentinier schoben nicht allzu hoch und blieben fast auf der selben Höhe wie die Innenverteidiger. Dies hatte zur Folge, dass man in der Restverteidigung etwas stabiler war, sowie den Innenverteidigern auch etwas Last vom Spielaufbau nahm. Dies führte auch dazu, dass sich das Mittelfeld höher postieren konnte und nicht dauernd abkippen musste, wie es in Spielen zuvor bereits der Fall war. Die Flügelstürmer positionierten sich recht breit und überließen das Zentrum den drei Mittelfeldspielern Mascherano, Pérez und Banega. Letztgenannter pendelte etwas höher auf und ab und zeigte sich situativ auch mal in der Zehnerposition. Messi hatte eine deutlich strukturietere Rolle als zuvor. Der Mann vom FC Barcelona startete in der Mittelstürmerposition und bewegte sich oft von dort in den linken Halbraum, half teilweise auch am Flügel aus. Natürlich sah man ihn in manchen Situationen auf der rechten Seite, generell schränkte er sich mehr in seinen Bewegungen ein als in den vorherigen Spielen. Die gesamte Mannschaft hatte aber auch eine bessere Struktur als zuvor und war deswegen auf Messis dauernde Hilfe gar nicht angewiesen.

Durch die passive Spielweise der Franzosen sahen die Argentinier auch mehr vom Ball als ihr Gegenpart und hatten öfters längere Phasen des Ballbesitzes. Diese wussten sie jedoch nicht durchbrechend zu gestalten. Oftmals fehlte der Tiefgang von Mitspielern, einzig Di María war der Mann für die Läufe hinter die Abwehr. Dass die Durchschlagskraft fehlte, lag vor allem an den teils schwachen Entscheidungen Pavón und Pérez, die ihre berühmten Mitspieler nur selten optimal unterstützen konnten. Die Argentinier waren jedoch durchaus überlegen und spielten sich in der gegnerischen Hälfte fest. Kurz vor der Halbzeit erzielte dann Ángel Di María den 1:1 Ausgleich aus rund 30 Metern, als er einen kurz abgespielten Corner verwertete.

 

Viele Tore, aber wenig passiert

In der zweiten Halbzeit allein fielen fünf Tore, jedoch fielen nur wenige dieser aus heraufbeschwörten taktischen Spielzügen. Dies ist oft der Fall in einem Spiel mit vielen Toren, der Zufall spielt eine große Rolle im Fußball. Bereits in Minute 48 erzielte Gabriel Mercado das 2:1 als er einen Schuss von Messi ins französische Tor abfälschte. Die Franzosen zeigten danach gute Ansätze im Angriff, versuchten kurze Ballstafetten mit Chipbällen in den Strafraum abzuschließen. Diese Situationen waren jedoch nicht immer optimal vorbereit, sodass nur wenig dabei heraussprang. Nach der Führung richteten sich die Argentinier etwas tiefer aus und überließen den Europäern den Ball. Jene wirkten ebenfalls ohne viel Durchschlagskraft im Ballbesitz, weshalb es interessant werden dürfte gegen Uruguay, ein Team, das sich auf Pressing fokussiert. Den Ausgleich erzielten die Franzosen nach einer Flanke, die zu Beginn zu weit schien. Pavard erschien jedoch am anderen Strafraumeck und schoss den ball aus mehr als 25 Metern ins lange Eck. Nur wenig später war es Mbappé, der erneut nach einer Hereingabe des linken Außenverteidigers Hernández, das 3:2 und die erneute Führung für die Franzosen erzielte. Das 4:2 erzielte erneut Mbappé, nach dem wohl besten Spielzug der Franzosen des Turniers. Das Tor von Agüero in der letzten Minute der Nachspielzeit war nur mehr Ergebniskosmetik

Fazit

Die Argentinier schafften es nicht, ihre verbesserte Struktur in Durchschlagskraft umzusetzen. Die Franzosen vertrauten weiterhin auf ihre Stärke im Konter und konnten diese auch perfekt anwenden. Nur wenige Tore dieser Partie wurden wahrhaftig rausgespielt.