Belgiens guter Matchplan sichert Sieg gegen Brasilien

Brasilien und Belgien lieferten sich ein aufregendes Match, wohl eins der bisher besten bei dieser Weltmeisterschaft. Es mangelte weder an Toren, an interessanten taktischen Aspekten oder an Starspielern. Am Ende setzte sich Belgien mit 2:1 durch und ist im Halbfinale.

Eine Spielanalyse von David Goigitzer

 

Trainer Martínez ändert Formation

Die Belgier, bisher im 3-4-3 angetreten, formierten sich an diesem Abend in einem 4-3-3 Mittelfeldpressing. Der Dreiersturm sollte die brasilianische Viererkette, die mit tiefen Außenverteidigern agierte, optimal unter Druck setzen können. Den Weg zu Fernandinho ins zentrale Mittelfeld schnitt man ab, während man die angespielten Außenverteidiger entweder mit den Flügelspielern oder mit den Achtern anpresste. Dies kam darauf an, wer den Halbraum zustellte.

Bisweilen suchten die Achter direkten Zugriff auf den tiefer als Coutinho agierenden Paulinho, dann attackierten die Flügelspieler. Stellten die Flügelspieler den Passweg zu Paulinho zu, so attackierten die Achter Pässe auf die Seite. So drängte man die Brasilianer effektiv von der Spielfeldmitte weg. Wurde der Ball mal in die Mitte gespielt, dann agierte man aggressiv gegen den Passempfänger. Chadli, Witsel und Fellaini wurden genau deswegen aufgestellt: Um Zweikämpfe zu gewinnen. Die drei verfolgten ihre Gegenspieler immer mannorientiert und taten dies recht weiträumig, um die Stabilität nicht während Positionstäuschen und Tiefenläufen der Brasilianer zu verlieren.

Bild 1: Belgiens 4-3-3 ist hier ersichtlich. Das Zentrum ist zu, die brasilianischen Aufbauspieler werden angelaufen.

Im Spielaufbau hielten die Belgier zu größten Teilen die 3-4-3 Formation aus den vorherigen Spielen bei, wenn auch mit anderen Spielern. So agierte De Bruyne statt auf der Sechs auf der linken Zehn, Hazard spielte auf der anderen Seite. Durch die Eigenschaften des Manchester City Mittelfeldspieler, die durchaus spielmachend sind, ergaben sich verschobene 3-5-2 Staffelungen. Fellaini oder Witsel gingen dann auch in die Tiefe, wenn sich de Bruyne tiefer anbot. So konnte man immer wieder Räume attackieren, die gerade nicht im Fokus der brasilianischen Abwehr waren. Durch die ballsicheren Zehner und die stabile 3-2 Aufbaustaffelung schaffte man es oft direkte Angriffe vorzutragen. Die Rollen passten perfekt auf die Spieler: Die Dreierkette agierte simpel und sicher, die Sechser ebenso. Durch numerische Überzahl und saubere Positionierung fand man den Weg über die Seite oder den Halbraum zu de Bruyne und Hazard, die das Spiel antrieben mit Pässen zum tiefgehenden oder sich kurz anbietenden Lukaku, beziehungsweise auch mit Tempodribblings nach vorne. Lukaku hielt Bälle oder setzte selbst zu Dribblings an und konnte seine Physis wie immer sehr gut einsetzen, um auch mal im Alleingang Angriffe fortzuführen. Er besetzte konsequent Räume hinter dem aufgerückten Marcelo und fand so Platz zum Kontern.

 

Brasilien mit anfänglichen Problemen

Im brasilianischen Aufbau formierte man sich im eigenen ersten Drittel mit einer flachen Viererkette, um numerische Überzahl gegenüber dem belgischen Dreiersturm zu haben. Im Mittelfelddrittel agierte dann Marcelo meist etwas höher als Fagner, der in einer Dreierkette mit den beiden Innenverteidigern spielte. Die zentralen Mittelfeldspieler der Brasilianer hatten sichtlich Probleme an den Ball zu kommen beziehungsweise zu behaupten, wenn sie an diesen kamen. Die Achter und die Flügelstürmer versuchten mit weiträumigen Positionswechseln an den Ball zu kommen, die Belgier verfolgten diese jedoch wie bereits erwähnt sehr diszipliniert. Willian und Neymar versuchten also öfters das Zentrum zu überladen und bewegten sich teilweise in den Sechserraum, um Pässe zu empfangen. In diesen Situationen ging es vor allem auch um das individuelle Freilaufverhalten, immer wieder täuschte Neymar Läufe an, um diese abzubrechen und sich in den geöffneten, freigezogenen Raum anzubieten.

Bild 2: Eine der wenigen Szenen, in den Brasilien effektiv vorne anpresste.

Im Pressing setzte man auf ein 4-1-4-1, in dem die Achter oder die Flügelstürmer immer wieder auf die Dreierkette der Belgier aufrückten. Die Europäer fanden jedoch meist sehr schnell den Weg nach vorne, und schlugen den Ball auch öfters hoch, sodass die Brasilianer nur schwer Zugriff fanden. Vor allem schoben sie nur selten im 4-3-3 nach vorne und hielten das Pressing meist im 4-1-4-1, sodass die Belgier kaum Druck im Aufbau hatten. Bei höherem Zustellen schlug man wie bereits erwähnt den Ball nach vorne, und bereitete dies auch recht sauber vor, sodass vor allem Hazard und Lukaku immer wieder Bälle festhalten konnten. Oft kam man durch gutes Spiel um den zweiten Ball wieder in Ballbesitz, wenn die beiden Startstürmer den Ball nicht gleich von Anfang an kontrollieren konnte. So hatte vor allem in der ersten Halbzeit Brasilien Probleme die Belgier in den Griff zu kriegen.

 

Spielverlauf

Die Belgier hatten die Partie von Beginn an im Griff und gingen, überlegen durch ihre Adaptionen des eigenen Systems, schlussendlich auch recht früh in Führung, Nach einem Eckball in der 13. Minute stieg Kompany an der kurzen Stange am höchsten und verlängerte den Ball per Kopf, Fernandinho leitete ihn ins eigene Tor zur belgischen Führung. Die Brasilianer hatten zwar durchaus Spielanteile, fanden jedoch kaum gute Torabschlüsse. Die von Tite trainierte brasilianische Nationalmannshaft versuchte es dann auch öfters über Distanzschüsse. Die individuellen Aktionen von Coutinho, Willian und vor allem natürlich Neymar wirkten immer gefährlich, hatten jedoch nur wenig Substanz. Der Weg zu Gabriel Jesus war schwierig, die Belgier verteidigten gut und der Manchester City Stürmer hatte wenig Platz und somit Gelegenheit, seine klugen Bewegungen einzubrignen. In Minute 31 erzielte de Bruyne dann das 2:0, nachdem Lukaku einen Konter praktisch alleine gestartet und mit einem Dribbling gegen drei eingeleitet hatte. Aus der eigenen Hälfte dribbelte er nach vorne, 25 Meter vor dem Tor sah er de Bruyne und passte zu ihm, der Mittefeldspieler schloss unhaltbar ins lange Eck ab.

In der zweiten Hälfte zeigten sich die Brasilianer deutlich stärker. Die Einwechslung von Firmino hatte mehr Mobilität und in das Spiel der Brasilianer gebracht, die Mannorientierungen der Belgier waren nun schwieriger zu balancieren. Die Südamerikaner bauten über die gesamte zweite Halbzeit hinweg Dominanz auf und schnürten die Belgier in ihre eigene Hälfte. Durch Überladungen des Zentrums mit teilweise sechs Spielern und Verlagerungen auf den aktiven Marcelo fand man immer wieder den Weg nach vorne beziehungsweise vorne zu bleiben. Folgerichtig erzielten die Brasilianer auch den Anschlusstreffer, Coutinho bereitete mit einem Chip in den Strafraum das Tor von Renato Augusto vor. Die passiven Belgier wurden jedoch nicht weiter bestraft, sodass es am ende 2:1 für Belgien hieß.

 

Fazit

Die Brasilianer hätten sich aufgrund vieler guter Chancen und viel Dominanz wohl das Unentschieden verdient. Die Belgier hatten jedoch ihren Matchplan gut adaptiert und sind ebenfalls ein verdienter Halbfinalist. Zwei gute Teams, eines blieb auf der Strecke.

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