Perfekt angepasste Spielanalage

Salzburg qualifiziert sich mit einem brillanten 2:1 Heimsieg gegen Real Sociedad de San Sebastián für das Achtelfinale der Europa League und wandert somit ergebnistechnisch auf Roger Schmidts Spuren.

Real Sociedad agierte gegen Salzburg mit einem 4-4-1-1 Mittelfeldpressing, das situativ zum hohen Zustellen wurde, nur selten wurden die Innenverteidiger und Walke unter höheren Druck gesetzt. Die Basken formierten sich im Sturm in einer diagonal versetzten 1-1 Staffelung. Agrirretxe bewachte den Passweg zu Ramalho, dem spielstärkeren Innenverteidiger der roten Bullen, während Canales sich meist zuerst an Samassekou orientierte und dann erst langsam, wenn auch nicht immer, auf Onguéné presste. Salzburgs linker Innenverteidiger Onguéné sollte bei Ballbesitz Walke offen gelassen und erst nach Ballannahme unter Druck gesetzt werden, er war das baskische „Pressingopfer“. Warum zeigte er in Minute 8, als er einen Diagonalpass auf Ramalho, der kurzzeitig als Rechtsverteidiger fungierte, zum Gegner spielte und dieser einen Konter fuhr, der eigentlich zu einem Tor hätte führen müssen. Oyarzabal verwertete die Flanke von Zurutza jedoch freistehend nicht. 

Abbildung 1: Onguéné wird hier frei gelassen, während Ramalho der Weg nach vorne verwehrt bleibt.

Qualität im Positionsspiel

Die beiden Achter wurden dann immer wieder mannorientiert von Oyarzabal rechts und Zurutza links zugestellt. Dies sollte Real Sociedad besseren Zugriff auf die Salzburger Spieler geben. Hierbei zeigt sich auch die Qualität der Mozartstäder im Positionsspiel: Wo viele Spieler näher zur Aufbaulinie kommen würden, um sich Bälle in tieferen und freien Zonen abzuholen, halten die Salzburger konsequent ihre Positionen und somit die Basken weg vom Zugriff auf die Aufbaulinie.

Die Positionierung der Salzburger Spieler sollte die baskischen Pressingspieler stets zu einer Entscheidung zwingen, ob jene nun auf den Ball pressen können oder nicht. Man führte eine sogenannte „Entscheidungskrise“ herbei. Nur in Situationen des hohen Drucks auf die Innenverteidiger Salzburgs kamen die Achter dynamisch tiefer, um als kurze Anspielstationen zu fungieren. Dies kreierte natürlich Platz im Zwischenlinienraum, was auch immer wieder für Pässe in die Tiefe der Salzburger genutzt werden konnte.  Ersichtlich war auch die etwas tiefere Ausrichtung der Außenverteidiger der roten Bullen. Dies sollte die höher agierenden Flügelstürmer der Basken anlocken und ebenfalls Raum dahinter herstellen. Vor allem Dabbur löste sich in diese Räume immer wieder gut und wurde von Ulmer angespielt.

 

Auch lange Pässe sollten zu Dabbur und Hwang kommen. Die stets kompakte Formation der Bullen, mit und ohne Ball, sorgte dafür, dass man diese Momente der Kontrolllosigkeit und somit die zweiten Bälle dominieren konnte. So entstand auch das 1:0 der Salzburger, als Ramalho einen Ball kontrolliert klärte, sofort der erste und zweite Ball gewonnen und aus diesem Schnellangriff die Führung durch Dabbur nach Stanglpass von Lainer erzielt wurde. Schlager hatte sich hier exzellent positioniert und mit dem ersten Kontakt den Ball auf den Flügel gespielt, den Lainer dann entlang dribbelte und in den Strafraum flankte.

Abbildung 2: Nach Chipball von Ramalho ist Hwang als erster dran, mehre Bullen-Spieler sind schon am Weg zum Ball und gewinnen jenen. Aus diesem Schnellangriff fällt das 1:0.

Die Bullen wussten das Mittelfeldpressing von den Basken, das sich nach Rückpässen auf Walke höher formierte und ins Angriffspressing überging, klug zu umspielen. Ulmer kam einige Male Onguéné zu Hilfe und positionierte sich fast direkt neben ihm, und so Oyarzabal zu einer Entscheidung zwang, ob er Ulmer nun verfolgen sollte oder nicht. Meist tat er dies nur verzögert, wodurch er Platz hinter sich selbst kreierte und Ulmer zum ebenfalls tiefer kommenden Dabbur spielen konnte. So wurden die Gäste einige Male überspielt. Dabbur zeigte hier seine Qualitäten im Ball abschirmen und im Erzeugen kreativer Lösungen in engen Situationen.  

 

Mit generell tiefer agierenden Außenverteidigern versuchte man die baskischen Flügelstürmer zum Pressing zu locken, was vor allem auf Ramalhos Seite sehr gut funktionierte. Dieser fand immer wieder Vertikalpässe durch den Halbraum auf Hwang oder Schlager. Als Folgeaktionen suchte man Schnellangriffe. Schlager konnte immer wieder mit Direktpässen oder schnellen Drehungen das Spiel vertikalisieren. Yabo und Lainer als dynamische Spielertypen halfen hierbei natürlich zusätzlich diese Schnellangriffe zu starten.

  

Baskisches 4-4-2 mit Fokus auf den Flügel

Die Basken traten auch im Ballbesitz in einem 4-4-2 artigen Konstrukt an, das sich jedoch auch anpassen ließ und sich in ein 4-2-4 wandelte. Ein beliebtes Mittel im Spielaufbau war bei den „txuri urdin“ (baskisch: Blau-Weißen) das Abkippen von Illarramendi zwischen die zwei Innenverteidiger, um so eine numerische Überzahl gegen die zwei Bullen-Stürmer im Pressing herzustellen und den Ball etwas einfacher nach vorne zu bringen. Die Mannen von Eusebio Sacristán zeigten im Spielaufbau keine besonders große Präsenz in den Zwischenlinienräumen, wenn Illarramendi abkippte wurde die Struktur nicht angepasst, Zurutza hielt hierbei die Mitte, und die eingerückten Flügelstürmer besetzten den Halbraum, hielten jedoch eine zu große Distanz, um aus der ersten Aufbaulinie flach angespielt zu werden. Man formierte sich in einem 3-1-3-3- artigen Konstrukt und versuchte über die Flügel Kombinationen zu initiieren. Mit Oyarzabal und Odriozola über rechts stellte man auch ein gutes Pärchen auf, das diesbezüglich stark harmoniert.

Dass die txuri urdin gerne über die Flügel aufbauen, war den Salzburgern natürlich bekannt. Deswegen versuchten Hwang und Dabbur im Pressing mit Bogenläufen die Wege zu den Außenverteidigern zu versperren. Und wenn die Basken nach Verlagerungen auf die Außen spielen wollten, waren die Achter mit ihrer Orientierung schnell bei ihnen, um die Außenverteidiger bei potentiellen Pässen unter Druck zu setzen. Samassekou schob hierbei auch weit herüber, um den Halbraum abzudecken.  

Abbildung 3: Die Salzburger decken die Mitte gut ab und sind bereits nach außen orientiert, um Oyarzabal in die Falle schnappen zu lassen.

Das 4-3-1-2 Pressing der Salzburger, das sich als höheres Mittelfeldpressing bezeichnen lässt, war einmal mehr gut abgestimmt und zeigte das Spielverständnis der Bullen, die immer wieder gut auf die Bewegungen ihrer Gegenspieler reagieren zu wussten. So wurden Pässe entlang der Linie immer wieder von den Außenverteidigern und den Achtern belauert, die Außenverteidiger reagierten aber auch geschickt und antizipierten Pässe in die Halbräume, Lainer konnte hier ein, zwei Mal einen Pass in die Tiefe abfangen. Die Achter nutzten ihre Deckungsschatten geschickt, sodass beim Rausschieben auf die Außenverteidiger der Basken jene dennoch oft nicht in die Tiefe startende Spieler bedienen konnten, selbst wenn diese per se frei waren.

Auch interessant war Xaver Schlagers Rolle als Zehner, der Illarramendi nicht stur mannorientiert verfolgte, sondern die Momente ihn zu pressen klug wählte. Wenn sich Illarramendi zwischen die zwei Innenverteidiger fallen ließ, blieb er meist auf seiner Position und versperrte Vertikalpässe durch die Mitte, attackierte Illarramendi aber auch, wenn dieser versuchte mit dem Ball nach vorne zu dribbeln. Nach etwas mehr als einer halben Stunde hatten die Basken auf eine verschobene Dreierkette im Aufbau umgestellt, die aus de la Bella, Navas und Elustondo bestand. Dies sollte zur Stabilisation der Ballzirkulation führen.

 

Die Basken brauchten ungefähr 15 Minuten, bis sie etwas besser ins Spiel kamen. Lange Ballbesitzphasen, wie man es von der stabil zirkulierenden baskischen Mannschaft meist in der Liga gewohnt ist, gab es jedoch kaum zu sehen. Zwar gelang es einige Male, die erste Pressinglinie der Salzburger zu umspielen, was meist Illarramendis Verdienst war (manchmal direkt als Passgeber, manchmal indirekt als Strukturveränderer), wurde am Flügel jedoch schnell eingekesselt und musste sich in 3v3 oder 3v4 Unterzahl-Situationen mit den aggressiv und intensiv verschiebenden Salzburgern behaupten. Auch schnelle Verlagerungen von einem Innenverteidiger zum ballfernen Außenverteidiger nutzten etwas mehr, zuvor hatte man etwas zu langsam den Ball in der Aufbaulinie zirkulieren lassen.

Wie bereits erwähnt kamen die Fußballer aus San Sebastián nur selten ins letzte Drittel, da man Aufbauschwierigkeiten hatte. In den wenigen Fällen, in denen man kurze Formationslücken ausnutzte (nach kurz abgespielten Freistößen) oder mal klug einen Weg auf die Außenverteidiger und von dort zu den Flügelstürmern fand, konnte es durchaus gefährlich werden. Vor allem Januzaj, der in der ersten halben Stunde kaum zur Geltung kam, zeigte einmal in einem Dribbling, wo er fünf Salzburger Spieler aussteigen ließ, wie schnell sich ein Fehler rächen kann. Hierbei muss natürlich angefügt werden, dass perfekte Spiele nie möglich sind, und ab einem gewissen Spielniveau jeder Gegner besondere Stärken hat, die er auch eiskalt auszunutzen weiß, sofern er die Chance dazu bekommt, weshalb europäische Spitzenspiele auch so interessant und spannend sein können, selbst wenn es an Toren manchmal mangelt. Trotz der Durchbruchsschwierigkeiten erlangten die Gäste in Minute 28 nach einer abgewehrten, ungefährlichen Halbfeldflanke eine Ecke, die sie gleich zum 1:1 Ausgleich nutzten, Navas köpfte den Ball freistehend am langen Eck ins Tor.

 

Aggressivere Basken, die Salzburger kontrollieren Umschaltmomente

Die Gäste aus dem Baskenland kamen forscher aus der Kabine und versuchten mit einer höheren Ausgansposition im Pressing die Bullen früher unter Druck zu setzen. Zudem hatte man Llorente statt Linksverteidiger de la Bella eingewechselt. Llorente spielt normalerweise Innenverteidiger, er sollte etwas tiefer agieren und wie auch schon in Durchgang eins öfter eine verschobene Dreierkette im Aufbau bilden, sowie defensiv wohl Januzaj etwas mehr Rückendeckung geben.

Zudem hatte Odriozola nun eine höhere Grundposition. Das Spiel war vor allem zu Beginn der ersten Halbzeit vom Kampf um zweite Bälle geprägt, da die txuri urdin höher zustellten und Salzburg öfter auf hohe Bälle zurückgriff. Das 4-4-2 Pressing der Gäste war nun aggressiver ausgerichtet, die Bullen konnten sich nicht mehr so leicht im Aufbau befreien, wie es noch davor der Fall war. Diese Umschaltmomente nach hohen Bällen konnten die Bullen jedoch meist dominieren, und aus diesen auch immer wieder den Ball schnell kontrollieren, kurze Kombinationen initiieren und Angriffe starten, wenngleich es noch etwas dauerte, bis die Bullen zu klareren Chancen kamen. Vor allem Schlager stach heraus, der immer wieder den Ball sauber kontrollierte, sich in freie Räume drehte und mit klugen Pässen das Spiel entweder nach vorne oder schnell in andere Zonen verlagern konnte und immer wieder dem Zugriff der Gegner entging.

 

Hwang im Fokus

Das Spiel hatte zwar mehr an Dynamik aufseiten von San Sebastián aufgenommen, aber beide Seiten wussten den Gegner von klaren Torchancen fernzuhalten. Die Intensität des Spiels hatte Navas etwas zu sehr angesteckt, er ließ sich zu einer Tätlichkeit gegen Hwang und einer roten Karte hinreißen. Jener Hwang holte auch den Elfmeter heraus, nachdem Salzburg einmal mehr einen zweiten Ball gewonnen hatte und die Basken mit einem Schnellangriff auf den falschen Fuß erwischte. Der eingewechselte Llorente foulte den asiatischen Stürmer im Strafraum. Den fälligen Strafstoß verwandelte Berisha mit etwas Glück, Torwart Rulli hatte seine Hand noch dran.

 

In diesem Spiel war einmal mehr ersichtlich, wie schnell Salzburg in der Tiefe bei Angriffen agieren kann. Schnelle, recht saubere Direktkombinationen und kluge Anschlussläufe in die Tiefe mit guter Raumaufteilung sorgten immer wieder für Probleme bei den Verteidigern der Gäste, die es nicht schafften 90 Minuten lang den Tiefenläufen von Hwang Herr zu werden. Schlager zu kontrollieren war für sie auch ein unmögliches Unterfangen. Salzburgs Bewegungen sind stets gut koordiniert, die Spieler verstehen, was am Platz passiert. Dies ist vor allem dann gut ersichtlich, wenn Räume für Pässe frei gezogen werden, Bewegungen der Achter in die Tiefe um Ramalho einen Passweg nach vorne zu öffnen war ein immer wiederkehrendes Muster. Nach der roten Karte ließen die Bullen auch nichts mehr zu, sodass das Spiel mit 2:1 endete.

 

Fazit

Die Salzburger, die im Hinspiel noch Phasen hatten, in denen sie sich schwer taten die txuri urdin zu kontrollieren, zeigten sich deutlich verbessert. Man hatte sich auf das 4-4-2 der Basken passend eingestellt und wusste das Spiel phasenweise zu dominieren und meist zumindest zu kontrollieren. Es bleibt wichtig zu erinnern, dass die Salzburger - bei uns in Österreich die etatstärkste Mannschaft – im Vergleich zum baskischen Kader nur ein Drittel des Marktwertes vorweisen (49,50 Millionen Euro zu 152,80 Millionen Euro). Dass die Salzburger nicht durch die Europa League spazieren würde und wie Barcelona den Ball hält, sollte klar sein. Umso beeindruckender ist die Statistik, dass man seit 27.08.2017 nicht mehr verloren hat, und auch nur 10 von diesen Spielen remisierte.

90minuten.at-TV: Highlights Salzburg vs Real Sociedad

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