Hurra, die Österreicher kommen!
Die triste Auswärtsbilanz des Nationalteams vor dem Spiel in Moldawien zeigt: Österreich hat man gerne zu Gast. Von Robert Prazak
Österreicher sind gern gesehene Gäste: Sie gelten als höflich, zurückhaltend, ja geradezu scheu, sie nehmen selten etwas mit und hinterlassen meist keinen bleibenden Eindruck. Zumindest sind dies Eigenschaften, die den Mitgliedern der österreichischen Fußballnationalmannschaft zugeschrieben werden können. Angst ist nicht gerade jener Gemütszustand, der den jeweiligen Gastgeber befällt, wenn ein Heimspiel gegen Österreich auf dem Programm steht.
Vor dem Auswärtsspiel in Moldawien haben wir uns die Auswärts-Statistik der Nationalelf angesehen. Blicken wir sechs Jahre in die Geschichte des Nationalteams zurück: Wenn es um die Qualifikation für EM oder WM geht, schneiden die Österreicher daheim recht gut ab. Doch im Ausland kriegen die Kicker das Fürchten und die Fans die Krise. Vereinfacht ausgedrückt: WM 2010, EM 2012 und WM 2014 mussten (oder durften?) vor allem deshalb ohne österreichische Beteiligung stattfinden, weil das ÖFB-Team auswärts zu wenig Punkte holte:
• Qualifikation zur WM 2010: Von den insgesamt 14 Punkten, die Österreich schaffte, wurden nur zwei auswärts geholt.
• Qualifikation zur EM 2012: Von gesamt 12 Punkten immerhin fünf auswärts geschafft.
• Qualifikation zur WM 2014: Von gesamt 17 Punkten nur fünf auswärts erreicht.
Dabei schmerzen vor allem Niederlagen oder Unentschieden gegen vermeintliche Jausengegner, etwa das torlose Spiel vor drei Jahren in Kasachstan, dasselbe Ergebnis ein Jahr danach oder das 1:1 auf den Färöer Inseln im Oktober 2008.
Seit dem Herbst 2008 hat Österreich insgesamt 19 Länderspiele auswärts absolviert, davon 15 im Rahmen der Qualifikationsbewerbe und vier Freundschaftsspiele. Die Gesamtbilanz der letzten sechs Jahre: 3 Siege, 6 Unentschieden, 10 Niederlagen. Torverhältnis: 24 zu 23 (aus Sicht Österreichs).
Unter Marcel Koller, der seit dem November 2011 das Team betreut, hat sich an der ergebnisorientieren Auswärtsschwäche des Teams kaum etwas geändert: Von den bisher 23 Spielen in der Ära Koller (Bewerbe und Freundschaftsspiele) wurden acht Begegnungen in der Fremde gespielt. Die Bilanz dieser Auswärtsspiele: zwei Siege, zwei Unentschieden, vier Niederlagen. Torverhältnis: 10:12 (aus Sicht Österreichs). Etwas aufgebessert wurde diese karge Bilanz durch den 3:0-Sieg auf den Färöer Inseln im Oktober des Vorjahres und durch den überraschenden Sieg in Olmütz gegen Tschechien im Juni dieses Jahres. Doch was zählen solche Erfolge, wenn es in den wichtigen Spielen nicht klappt? Als solche wären das bereits erwähnte, jämmerliche 0:0 in Astana (Oktober 2012), das 2:2 in Dublin im März des Vorjahres sowie vor allem die Niederlage in Schweden zu nennen – letztere Enttäuschung vor einem Jahr war bekanntlich der finale Grund gewesen, weshalb David Alaba und Kollegen es nicht einmal ins Play-Off für Brasilien schafften.
Auffällig ist die geringe Zahl von Freundschaftsspielen im Ausland – Österreich ist wohl nicht so der begehrte Sparringpartner, trotz der erwähnten Vorzüge in Sachen Höflichkeit und Zurückhaltung. So wurde zwischen Herbst 2008 und Herbst 2010 kein einziges Freundschaftsspiel außerhalb der eigenen Stadien ausgetragen. Marcel Koller hat in seiner Amtszeit immerhin schon dreimal die freundschaftliche Auswärtsfahrt angetreten, sein erstes Spiel als ÖFB-Trainer in der Ukraine im November 2011 zählt dazu (1:2-Niederlage, Torschütze Janko). Der Schweizer hat also offenbar erkannt, dass das Übel anzupacken ist. Bleibt abzuwarten, wie oft das Team in der näheren Zukunft den Kampf gegen die Auswärtsschwäche mit Hilfe von Freundschaftsspielen auszumerzen versucht.
Gefahr des Unterschätzens
Gerade gegen die vermeintlich leichten Gegner tut sich das ÖFB-Team nämlich unverhältnismäßig schwer. Allen medialen und Teamchef-mäßigen Warnungen zum Trotz besteht auch diesmal erhöhtes Risiko, dass der Gegner unterschätzt wird. Wenn es sich nicht um einen WM- oder EM-Teilnehmer handelt, denkt der Österreicher ja offenbar: Gewinnen wir mit links! Aber auch diesmal seien wir gewarnt, denn es gibt eine gewisse Vorgeschichte: Die Österreicher waren im Juni 2003 so höflich gewesen, Moldawien seinen zweiten Sieg in einer EM-Qualifikation überhaupt zu bescheren. 0:1 wurde das Spiel in Tiraspol verloren. Teamchef Hans Krankl, Thomas Flögel, Roland Kirchler, Toni Ehmann und Kollegen wussten eben schon damals, was sie dem Ruf des Landes schuldig waren. Der Schlendrian hatte sich wohl auch deshalb eingeschlichen, weil im September davor Moldawien dank zweier Herzog-Elfmeter mit 2:0 besiegt worden war. Diese beiden Spiele wurden im Rahmen der Qualifikation zur EM 2004 ausgetragen und waren die bisher einzigen Aufeinandertreffen der Nationalmannschaften dieser Länder. Hingegen sind österreichische Klubs bisher zehnmal gegen moldawische Gegner angetreten, wobei sie sieben Mal gewinnen konnten, zweimal ein Unentschieden erreichten und einmal verloren. Im August war der SV Grödig gegen Zimbru Chisinau wegen einer 1:2-Niederlage daheim ausgeschieden – das 1:0 in Moldawien reichte nicht.
Fakt ist: Ohne Erfolge in der Fremde wird sich das Team rund um David Alaba auch die Teilnahme an der nächsten Europameisterschaften aufzeichnen können. In Liechtenstein (Spiel am 27. März 2015) sollte es jedenfalls klappen, ebenso in Montenegro (9. Oktober 2015). Die beiden wichtigen Auswärtspartien in Russland (14. Juni 2015) und vor allem in Schweden (8. September 2015) sind ebenfalls von nachhaltiger Bedeutung, allerdings selbst von Optimisten nicht in die Kategorie Pflichtsieg einzuteilen. Aufatmen dürfen wir, was das allerletzte Spiel dieser EM-Qualifikation betrifft: Da darf Österreich gegen Liechtenstein spielen – und zwar daheim.
Interaktive Karte mit den Auswärtsspielen des österreichischen Fußballnationalteams in den vergangenen sechs Jahren:
Google Maps vom Stadion Zimbrul in Chisinau: