Beric statt Boyd: Rapids Spiel muss sich ändern
Rapid Wien hat Terrence Boyd nach Leipzig verkauft und einigermaßen überraschend durch Robert Beric (ehemals Sturm Graz) ersetzt, der als zur gewünschten sportlichen Ausrichtung passender Wunschspieler deklariert wurde. Für den kundigen Beobachter ist kla
"Nach dem Abgang von Terrence Boyd zu RasenballSport Leipzig wurde der SK Rapid wie angekündigt auf dem Transfermarkt aktiv! Sportdirektor Andreas Müller einigte sich am Donnerstag mit dem SK Sturm Graz und Robert Beric über einen Wechsel mit sofortiger Wirkung", hieß es in der Presseaussendung des SK Rapid. Doch hält Beric, was sich Rapid von ihm verspricht? Oder muss man das Spiel ändern?
Offensivstatistiken
Die Hauptaufgabe eines Mittelstürmers ist naturgemäß, einen möglichst großen Beitrag zum Offensivspiel des eigenen Teams zu leisten. Die am einfachsten messbaren Indikatoren hierfür sind erzielte und aufgelegte Tore (siehe Grafik 1). Bei ersteren liegt Boyd deutlich vor Beric, kam er doch auf fünf Tore mehr, für die er noch dazu weit weniger Einsatzzeit benötigte (1966 Minuten gegenüber 2714). Allerdings leistete Beric deutlich mehr Torvorlagen, weshalb er insgesamt auch auf vier Scorerpunkte mehr kommt. Wenn man jedoch die Einsatzzeit miteinbezieht, schneidet wiederum Boyd in der Hinsicht leicht besser ab: Er kommt durchschnittlich alle 116 Minuten auf einen Scorerpunkt, Beric alle 129.
Grafik 1
Boyd benötigte zudem für seine 15 Tore lediglich 63 Torschüsse, traf also durchschnittlich alle 4,2 Torschüsse ins Netz. Beric hingegen benötigte beinahe doppelt so viele Versuche, um ein Tor zu erzielen (7,6 Torschüsse pro Tor). Man kann also durchaus davon ausgehen, dass Boyd in der vergangenen Saison eine bessere Chancenverwertung als Beric hatte, obwohl die Datenlage keinen Rückschluss auf die genaue Schussposition, die natürlich die Trefferwahrscheinlichkeit stark beeinflusst, zulässt. Insgesamt wurde Boyd von seinen Mitspielern auch öfter in Szene gesetzt. Er kam pro Spiel 2,88-mal zum Torschuss, Beric schoss etwa 2,5-mal pro Spiel auf das gegnerische Tor (siehe Grafik 2). Bei gleich bleibender Chancenverwertung hätte Beric also über die Saison etwa ein bis zwei Tore geschossen, wenn er gleich viele Torschussvorlagen wie Boyd erhalten hätte.
Wie bei den vorgelegten Toren liegt Beric auch bei allen Torschussvorlagen deutlich vor Boyd. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Qualität bei Rapid im gleichen Ausmaß gefragt sein wird. Boyd war nämlich der beste Chancenverwerter von Rapids Offensivspielern, während bei Sturm alle anderen Offensivspieler bessere Trefferquoten als Beric aufwiesen, und er mit Beichler beziehungsweise Djuricin auch meist eine weitere Sturmspitze neben sich hatte, die seine Torvorlagen verwerteten, während er bei Rapid wohl alleinige Spitze sein wird.
Der letzte Balken in Grafik 2 weist darauf hin, dass beide Abgänge große Schwächungen für ihre jeweiligen bisherigen Vereine sind. Boyd war an insgesamt 27% der Tore seiner Mannschaft direkt beteiligt (durch Tor oder Assist), womit er nach Steffen Hofmann (29%) auf den zweithöchsten Wert im Kader kommt. Dieser Wert wird jedoch von Beric noch in den Schatten gestellt. Seine 38% Torbeteiligung sind der mit Abstand höchste Wert bei Sturm in der vergangenen Saison.
Grafik 2
Spielaufbau und Balleroberung
Zu den Aufgaben eines Stürmers gehört jedoch nicht nur das Erzielen und Vorbereiten von Toren, sie spielen auch bei eigenem und gegnerischem Ballbesitz eine wichtige Rolle. Dabei scheint Beric, wenn man sich die nackten Zahlen ansieht, etwas besser als Boyd abzuschneiden. So kommt er auf mehr Ballkontakte pro Spiel, was ihn auch in die Lage bringt, etwa 2,5 Pässe pro Spiel mehr zu spielen als Boyd (siehe Grafik 3). Die Daten sind umso stärker gewichten, als Sturm sowohl seltener in Ballbesitz war (48,69% gegenüber 53,17%) als auch weniger Pässe spielte als Rapid (pro Spiel 274 gegenüber 343). Beric war also mehr in den Spielaufbau seiner Mannschaft eingebunden als Boyd.
Grafik 3
Dem steht gegenüber, dass Boyd pro 90 Minuten auf beinahe drei Zweikämpfe mehr kommt als Beric. Dies deutet darauf hin, dass Boyd im Pressing eine wichtigere Rolle als Beric spielt, weshalb Boyd als vorderster Spieler im frühen Attackieren mehr Zweikämpfe annahm. Insgesamt bestritt Boyd sogar am meisten Zweikämpfe in Relation zur Einsatzzeit von allen Spielern im Kader. Rapid bestritt pro Spiel auch um durchschnittlich zehn Zweikämpfe mehr als Sturm, was eine etwas höhere Anzahl (mit-)erklären kann.
Während Beric bei den absoluten Werten was Ballkontakte und gespielte Pässe anbelangt vorne liegt, hat Boyd die besseren Erfolgsquoten (Grafik 4). Er brachte sowohl vier Prozent mehr Pässe als Beric an den eigenen Mann (in absoluten Zahlen: 302 von 377), wie er auch eine um vier Prozent bessere Zweikampfquote aufwies (285 von 688 gewonnen). Beric kam in den Kategorien auf 448 erfolgreiche Pässe (von insgesamt 592) beziehungsweise 320 gewonnene Zweikämpfe (von 867).
Grafik 4
Fazit: Boyd und Beric grundverschiedene Spielertypen
Die Statistiken bestätigen, dass Boyd und Beric grundverschiedene Spielertypen sind. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass Boyd in der abgelaufenen Saison der etwas effektivere Stürmer war, was seine in Relation zur Einsatzzeit besseren Scorerwerte unterstreichen. Allerdings war Rapid auch etwas offensiver als Sturm und kam pro Spiel auf etwa einen Torschuss mehr, was darauf hinweist, dass es für einen Stürmer etwas einfacher war, offensiv zu glänzen. Deutlich wird Boyds Überlegenheit jedoch bei der Rate an verwandelten Torschüssen, wo er fast doppelt so gut abschnitt wie Beric. Diese Zahlen unterstreichen einen häufig geäußerten Kritikpunkt an Beric, nämlich seine mangelhafte Chancenverwertung. Ob er sich in diesem Punkt merklich verbessern kann, ist fraglich.
Im Gegensatz zum robusten Boyd, der mehr Zweikämpfe bestritt und auch mehr davon gewinnen konnte, ist Beric eher ein mitspielender Stürmer. Er ist öfter in den Spielaufbau eingebunden und konnte aufgrund eines zweiten Mittelstürmers neben sich auch tiefer agieren. Dies manifestiert sich in häufigeren Ballkontakten und Pässen. Allerdings brachte er auch weniger Pässe an den eigenen Mann, was jedoch nicht unbedingt auf technische Mängel zurückzuführen ist, sondern auch am mangelhaften Aufrücken seiner Mannschaftskollegen liegen kann.
Die Frage, ob Beric Boyd eins zu eins ersetzen wird, ist also eher zu verneinen. Als vorderste Spitze oder als falscher Neuner eingesetzt würde er sich auf jeden Fall auf ein komplett verändertes Anforderungsprofil einstellen müssen. Er hätte wahrscheinlich eine wichtigere Rolle im Pressing, bekäme mehr Tormöglichkeiten und dafür weniger Aufgaben im Spielaufbau selbst. Ins Zentrum stoßende Flügelspieler könnten seine Vorgaben ausnützen, allerdings sind auch diese Positionen im Vergleich zum Vorjahr umgebaut worden. All dies lässt eine längere Eingewöhnungszeit erwarten, und es ist keineswegs gesichert, dass Beric beispielsweise unter denselben Umständen auf dieselbe Anzahl an erzielten Toren wie Boyd käme. Als Alternative könnte er entweder eine ähnliche Rolle wie bei seinem ehemaligen Verein einnehmen, die es allerdings in der abgelaufenen Saison bei Rapid in dieser Form nicht gab, es wäre also Umjustierung vonnöten, und den Platz als Mittelstürmer müsste erst recht wieder von jemand anderem besetzt werden. Auf der anderen Seite wäre auch denkbar, Beric nominell auf den Flügel zu stellen und ihn selbst als in die Mitte ziehenden Außenspieler einzusetzen, womit jedoch auch das Mittelstürmerthema noch nicht gelöst wäre.
Die kadertechnischen Möglichkeiten haben sich bei Rapid also auf jeden Fall verändert, ohne dass dieser Befund per se gut oder schlecht wäre. Auf jeden Fall wird es interessant sein zu sehen, wie sich die veränderten Umstände in der neuen Saison in der Praxis umgesetzt werden.
Linktipp >>> Autor Johannes Dusch auf Twitter
(Die Daten der Analyse beziehen sich auf die abgelaufene Saison 2013/14 (nur Ligaspiele) und wurden aus öffentlich zugänglichen Quellen gewonnen, hauptsächlich vom Statistik-Check auf laola1.at sowie von transfermarkt.at.)