Foto: © Kurt Patzak

Der Liebesbeweis von Ralf Rangnick und seine Folgen [Exklusiv]

Ralf Rangnick hat sich für Österreich entschieden. Was für Hochstimmung unter den Fans sorgt, könnte im Präsidium den einen oder anderen Graben wieder aufbrechen lassen, wie eine exklusive Recherche von 90minuten.at ergeben hat.

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Das muss man sich eigentlich noch einmal in aller Ruhe auf der Zunge zergehen lassen: Ralf Rangnick hat sich gegen ein Millionenangebot des FC Bayern München entschieden und seine „Liebe“ zu „seinem“ ÖFB-Team bekräftigt. Der 65-Jährige bleibt also auch über die Europameisterschaft 2024 hinaus dem Verband erhalten.

 

Kuriose Szenen in Klagenfurt

Ein kurzer Rückblick: Am Vormittag des 1. Mai, dem Tag des Uniqa ÖFB-Cup-Finales, tagte das ÖFB-Präsidium und beriet, wie man mit dem möglichen Abgang von Ralf Rangnick umgehen sollte. Dabei spielten sich durchaus kuriose Szenen ab: Während das Gremium dem ÖFB-Präsidenten Klaus Mitterdorfer und seinen beiden Geschäftsführern Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold das „Go“ zu Verhandlungen mit dem FC Bayern gab, konnten die Sitzungsteilnehmer parallel dazu aus dem Besprechungszimmer durch die Fenster einen „ungewohnt hektischen Teamchef beobachten“, wie ein Landespräsident gegenüber 90minuten.at verriet. Was das Präsidium zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Rangnick entschied sich gerade dazu, das Angebot der Bayern auszuschlagen. Auch am frühen Abend, als Sturm Graz das Cup-Finale für sich entscheiden konnte, war Rangnick nicht immer auf das Match fokussiert, wie einige ÖFB-Präsidiumsmitglieder gegenüber 90minuten.at bestätigen: „Er hat sich ungewohnt oft zurückgezogen und telefoniert.“

Am Tag darauf wurde dann die durchaus überraschende Entscheidung um 10:00 Uhr öffentlich: Der ÖFB gab in einer Aussendung bekannt, dass Rangnick bleibt. Davon waren selbst auch einige Präsidiumsmitglieder überrascht, die davor von dieser Entscheidung nicht informiert wurden. Zu wenig Information: Etwas, was bei einigen der honorigen Männer auch bereits in der Vergangenheit nicht immer für Hochstimmung gesorgt hat.

 

Neuer Vertrag …

Dazu muss man wissen: Der Erfolg des ÖFB-Teams unter Rangnick hat sämtliche Konfliktfelder, die es im Verband gegeben hat und gibt, vorerst zumindest in der Öffentlichkeit in den Hintergrund rücken lassen. Ein Beispiel: Von einer Reform des Verbandes spricht mittlerweile niemand mehr.

"Am Donnerstag rückte ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer übrigens bereits medial aus, um einen neuen Vertrag für Rangnick in den Raum zu stellen. [...] Ein Thema, das nicht alle im Präsidium so sehen, wie 90minuten.at-Recherchen ergeben haben."

Am Donnerstag rückte ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer übrigens bereits medial aus, um einen neuen Vertrag für Rangnick in den Raum zu stellen: „Unser Ziel ist, den Vertrag über 2025 hinaus zu verlängern. Wir wollen den eingeschlagenen Weg weiterhin gemeinsam gehen. Die Gespräche diesbezüglich werden in den nächsten Tagen erfolgen“, so der Präsident gegenüber Sky.

Ein Thema, das nicht alle im Präsidium so sehen, wie 90minuten.at-Recherchen ergeben haben. Der Verband ist aus finanzieller Sicht nicht gerade auf Rosen gebettet und das neue Trainingszentrum in Aspern ist trotz Förderung und Subvention von Bund und Land das größte Projekt, das der ÖFB jemals zu stemmen hat. Auch wenn Rangnick Geld – siehe Bayern – nicht so wichtig ist: Ein neuer Vertrag müsste logischerweise besser dotiert sein als der alte, bei dem sich der ÖFB bereits aus dem Fenster gelehnt hat.

Auch das Argument, dass man sich mit einem neuen Vertrag gegen eine neuerliche Anfrage eines Spitzenklubs etwa nach einer erfolgreichen WM-Qualifikation absichern könnte, sehen nicht alle so. So wäre das Bayern-Angebot ein einmaliges Ereignis gewesen, meint dazu ein Präsidiums-Mitglied gegenüber 90minuten.at. Nachdem die Bayern nun eine Absage erhalten haben, gehen nicht alle im ÖFB-Präsidium offenbar davon aus, dass sich dieses Szenario – mit einem anderen Spitzenklub - wiederholen könnte. Schließlich werde Rangnick auch nicht jünger.

 

… und mehr Kompetenzen?

Am Geld, so hat Rangnick in den vergangenen Tagen glaubhaft versichert, wird es wohl weniger scheitern. Ein anderes Thema ist ein gewisses Durchgriffsrecht von Rangnick bei der sportlichen Entwicklung des gesamten Verbandes. Im >> Exklusiv-Interview mit 90minuten.at von vergangener Woche deutete der Deutsche bereits an, welches Thema ihm am Herzen liegt: „Es muss erlaubt sein, darüber nachzudenken: Dürfen im Verband nicht auch Trainer tätig sein, die bei einem Klub Cheftrainer sind? Macht man das nicht, produziert man Fußball-Beamte“, in Anspielung auf das Engagement von Onur Cinel als Co-Trainer unter dem Teamchef. Rangnick ergänzt: „Ich kann nur Möglichkeiten aufzeigen, die Umsetzung sehe ich nicht als meine Aufgabe.“

"Es war im ÖFB-Präsidium ziemlich ruhig in den vergangenen zwei Jahren. Der Erfolg des A-Teams hat vorerst vereint, lässt jedoch strukturelle Schwächen des Verbands und Eitelkeiten nicht wegzaubern."

Konkret geht es dabei um die Besetzung der Nachwuchs-Nationalmannschaften. Zsak, Gregoritsch, Scherb, Lederer – die Nachwuchs-Teamchefs sind aktuell sehr unterschiedliche Trainertypen. Ob diese alle die gleiche Spielphilosophie umsetzen könnten? Rangnick meinte dazu: „Ich bin da nicht der richtige Ansprechpartner. Für mich ist logisch, dass alle eine ähnliche Spielidee verfolgen sollten wie das A-Team. Und nicht etwas ganz anderes.“

Der richtige Ansprechpartner ist formell Sportdirektor Peter Schöttel. Die Antworten von Rangnick im 90minuten.at-Interview lassen jedoch keinen Zweifel offen, dass er bei diesem Thema gerne eine Änderung erwirken möchte.

Bekommt also Ralf Rangnick aufgrund seines Liebesbeweises zu Österreich nun auch mehr Kompetenzen? Auch hier merkt man bei einigen Präsidiumsmitgliedern Zurückhaltung. „Es gibt durch die Absage an die Bayern keinen neuen Vertrag und auch keine neuen Kompetenzen für den Teamchef“, lässt ein Präsidiumsmitglied gegenüber 90minuten.at unmissverständlich wissen. „Informell wird Rangnick sowieso dem Verband seinen Stempel aufdrücken“, meint ein anderer.

Es war im ÖFB-Präsidium ziemlich ruhig in den vergangenen zwei Jahren. Der Erfolg des A-Teams hat vorerst vereint, lässt jedoch strukturelle Schwächen des Verbands und Eitelkeiten nicht wegzaubern, wie die vergangenen Tage gezeigt haben.

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